Nicht mehr lange, wenn es nach dem Willen einiger Russen geht: Kulturminister Wladimir Medinski, der als Verfechter traditioneller russischer Werte gilt, will Rachmaninow zurück. "Die Amerikaner privatisieren auf anmaßende Weise den Namen Rachmaninows, so wie auch die Namen Dutzender und Hunderter Russen, die das Schicksal ins Ausland verschlagen hatte", polterte Medinski schon im Vorsommer. Immer wieder kommt das Thema in Moskauer Kreisen zur Sprache. Doch die Chancen, die sterblichen Überreste tatsächlich zu bekommen, stehen nicht gerade gut.
Seine Musik galt als "unrussisch"
Rachmaninow floh in den Wirren der Oktoberrevolution 1917 vor den Kommunisten zunächst in die Schweiz. Den Höhepunkt seiner Karriere erlebte der begnadete Komponist in den USA - während in der Heimat seine Musik als "unsozialistisch" oder gleich "unrussisch" geächtet wurde. Er starb 1943 als US-Bürger. Seine letzte Ruhe fand er auf dem Promi-Friedhof Kensico in Valhalla vor den Toren New Yorks, wo auch Anne Bancroft, Danny Kaye und die Eltern von Robert De Niro liegen.
Doch Rachmaninows Grab ist für Medinski ein Ärgernis. In einem "unbefriedigenden Zustand" sei die Gruft, findet der Minister. Geht es nach ihm, sollen die Überreste des großen Künstlers nach Nowgorod nördlich von Moskau überführt werden. Dort wollen die Behörden das ehemalige Landgut "Oneg", wo der 1873 geborene Rachmaninow seine Kindheit verbrachte, bis 2018 zu einer Gedenkstätte herrichten.
Urenkelin: "Das stört seine Ruhe"
Auch der russische Starpianist Denis Mazujew, Direktor des Moskauer Rachmaninow-Fonds, sähe das Grab des Komponisten gerne in Russland. Doch ohne die Zustimmung der Nachfahren gehe nichts, betont Mazujew. Und danach sieht es bis dato nicht aus.
"Der Versuch, den Leichnam Rachmaninows nach Russland zu überführen, stört nicht nur seine Ruhe, die er so gesucht hat, sondern ist auch ohne Respekt für sein Gedenken", sagte Ururenkelin Susan-Sofia Volkonskaya-Wanamaker dem Sender Radio Liberty. Eine Anfrage russischer Diplomaten habe die Familie abgelehnt, sagt sie.
Jahrzehnte lang sei ihr berühmter Vorfahre von den Kommunisten in seiner Heimat nicht erwünscht und seine Musik verboten gewesen. "Russland interessiert sich nur für den Namen des Komponisten, und wie es ihn zum eigenen Vorteil nutzen kann", kritisiert sie.
US-Seite reagiert zurückhaltend
Russland versucht seit Jahren, nationales Kulturgut in der ganzen Welt aufzukaufen und ins Land zurückzuholen. Rachmaninow und seine Habe stehen weit oben auf Moskaus Wunschzettel. Bereits 2013 hatte sich Russland bemüht, eine Villa des Musikers in der Schweiz zu kaufen. Das Landgut "Senar" in der Gemeinde Weggis-Hertenstein (Kanton Luzern), malerisch am Vierwaldstättersee gelegen, sollte zu einem Pilgerort für Liebhaber russischer Kultur werden. Doch die Bemühungen verliefen Berichten zufolge im Sand. Die Gemeinde Weggis kann auf Anfrage "mangels Kenntnis" keine Auskunft geben.
Zu Russlands Rachmaninow-Plänen gibt sich auch die US-Seite zurückhaltend. "Exhumierungen gibt es bei uns sehr, sehr selten", sagt Judith Mitchell vom Kensico-Friedhof. Ihr ist anzumerken, wie unbehaglich ihr die Sache ist - Graböffnungen sind für eine Friedhofsverwaltung fast so unangenehm wie öffentliches Aufsehen. Sie macht aber auch klar, wer darüber zu entscheiden hätte: "Es muss die Familie sein, die diesen Wunsch äußert." Zwar könne auch ein Gericht eine Exhumierung anordnen, "aber dann müsste schon ein Kriminalfall vorliegen" - bei Rachmaninow wohl auszuschließen.
Nicht zuletzt das Geld könnte dem von einer schweren Wirtschaftskrise getroffenen Russland beim Sammeln seiner Kulturschätze ausgehen. Die regierungskritische Zeitung "Nowaja Gaseta" erinnert daran, dass der Internationale Rachmaninow-Pianisten-Wettbewerb in Moskau seit 2008 ausgesetzt ist - aus Geldmangel. Erst in diesem Jahr soll es eine Neuauflage geben.
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