Kabinettsumbildung? - Söder überrascht Koalitionspartner

  07 Januar 2020    Gelesen: 980
Kabinettsumbildung? - Söder überrascht Koalitionspartner

Berlin (Reuters) - Es gehört zu den Ritualen jedes politischen Jahresanfangs, dass die CSU kräftig auf die Pauke haut - schon um Aufmerksamkeit für die Klausurtagung der Landesgruppe in Seeon zu erzeugen.

Doch statt der üblichen Proteste erntete CSU-Chef Markus Söder diesmal mit seiner Forderung nach einer Kabinettsumbildung in der großen Koalition vor allem Verblüffung bei Freund und Feind. In den Partei-Zentralen der Koalitionspartner SPD und CDU schwieg man jedenfalls auch am Montag demonstrativ. Schließlich hatte das Jahr 2019 im Notbündnis große Koalition mit der Übereinkunft geendet, nicht mehr über Personal sondern Inhalte zu reden. Zustimmung bekam Söder nur von CSU-Politikern.

Dabei hat er eine durchaus relevante Debatte angestoßen, wird in Koalitionskreisen gleichzeitig eingeräumt: Denn die Umfragewerte von Union und SPD sind immer noch und dauerhaft schlecht. Während die Sozialdemokraten mit ihrer neuen Führung von einer Rückkehr auf Werte über 20 Prozent träumen, hoffen CDU und CSU auf einen Sprung über 30 Prozent. “Deshalb hat der Parteivorsitzende Söder Recht, wenn er Inhalte und Positionen auf den Prüfstand stellt”, sagte der CSU-Wirtschaftspolitiker Hans Michelbach der Nachrichtenagentur Reuters.

GRUMMELN ÜBER MINISTER IN DEN EIGENEN REIHEN

Möglicherweise habe Söder aber die Lage falsch eingeschätzt, heißt es in Koalitionskreisen. Die Analyse sei nicht falsch, aber der Zeitpunkt des Vorstoßes schon. Es gibt tatsächlich Grummeln in verschiedenen Parteien über Minister - nur trifft dies ausgerechnet auch zwei CSU-Politiker: Verkehrsminister Andreas Scheuer und Innenminister Horst Seehofer, auf den auch Söders Bemerkung mit einer “Verjüngung” gemünzt zu sein schien.

Unter den vielen Spekulationen über Söders Vorstoß gilt eine als besonders fintenreich: Indem Söder ausgerechnet die beiden Themenbereiche Wirtschaft und Innovation nannte, die von CDU-Ministern besetzt sind, habe er die Debatte angestoßen, um von den Problemen der CSU-Minister abzulenken. Denn so zielt er vor allem auf Wirtschaftsminister Peter Altmaier und Wissenschaftsministerin Anja Karliczek, beide CDU. Allerdings springen ihm diesmal nur CSU-Politiker bei, der ansonsten so angriffslustige Wirtschaftsflügel der Union schweigt. Niemand habe derzeit Interesse an Personaldebatten, heißt es zur Begründung.

Zudem scheint sich Altmaier wieder gefangen zu haben. Nach der Vorstellung seiner Industriestrategie war die geballte Kritik auch der Wirtschaftsverbände auf den Saarländer eingeprasselt. Seit er aber auch ein Mittelstandskonzept vorgelegt hat, ist die Kritik von dieser Seite verstummt. Am Wochenende dementierte er, dass er aus Ärger über Söders Vorstoß einen Termin in München abgesagt habe - die Absage sei schon viel früher erfolgt, twitterte der CDU-Politiker. Als Wackelkandidatin gilt eher Karliczek, der auch parteiintern vorgeworfen wird, sie mache zu wenig aus den “Zukunftsthemen” Bildung und Forschung.

DENNOCH KÖNNTE EINE KABINETTSUMBILDUNG KOMMEN

Für Verblüffung sorgte aber in Berlin auch, dass ausgerechnet einer der drei Parteichefs einen Personalwechsel vorschlug: Denn im Koalitionsvertrag ist festgehalten, dass die Parteien selbst über ihre Minister entscheiden: Söder könnte also die CSU-Minister auswechseln - und nur diese. Allerdings müsste er sich mit Kanzlerin Angela Merkel absprechen, was nach Informationen aus Koalitionskreisen bislang nicht geschehen ist. Vielmehr sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag lakonisch: “Die Bundeskanzlerin arbeitet mit allen Ministern und Ministerinnen gut und gerne zusammen.” Auch sie wolle zwar an manchen Stellen “mehr Tempo” - macht dies aber offenbar nicht am Personal fest.

Dennoch scheint es nicht unwahrscheinlich, dass sich 2020 personelle Veränderungen im Kabinett ergeben könnten und Söder am Ende dann “vor der Welle” liegen würde. Denn auch in der CDU war schon überlegt worden, ob man nicht mit einem “Wahlkampfkabinett” in die nächste Bundestagswahl ziehen sollte, also mit einem jüngeren, nach vorne gewandten Team. Merkel, die 2021 aufhört, könnte dies egal sein - Söder und der CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer mit ihren Ambitionen auf die Kanzlerkandidatur aber nicht. Bezeichnenderweise argumentierte der CSU-Chef am Montag in Seeon genau so: “Wir müssen uns auch für 2021 neu aufstellen. Was die Regierung ist, ist auch die Zukunftsmannschaft für danach.”


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