Böses Blut bei den Demokraten

  12 Februar 2020    Gelesen: 656
Böses Blut bei den Demokraten

Die Demokraten wollten aus der Wahl 2016 gelernt haben und gegen Trump an einem Strang ziehen. Viele aber mögen sich nicht hinter dem „Sozialisten“ Sanders oder dem Gelegenheitsrepublikaner Bloomberg einreihen.

Bevor der Vorwahlkampf der Demokraten begann, hatte das Bild monatelang so ausgesehen: Am linken Rand stahlen die beiden populären Senatoren Bernie Sanders und Elizabeth Warren einander die Schau und die Stimmen. Im Lager der „Moderaten“ dagegen schien kein Weg an dem früheren Vizepräsidenten Joe Biden vorbeizuführen. Nach den ersten beiden Abstimmungen in Iowa und nun in New Hampshire stellt sich die Lage umgekehrt dar.

Auf der Linken thront der erklärte Sozialist Sanders fast unangefochten; nicht einmal in Neuengland, gleichsam in Rufweite ihres Heimatstaats Massachusetts, konnte Elizabeth Warren punkten. Joe Biden dagegen wurde vom früheren Bürgermeister Pete Buttigieg und der Senatorin Amy Klobuchar deklassiert. Den beiden vermeintlichen Außenseitern aus dem Mittleren Westen trauen zwar viele im Establishment der Partei nach wie vor keinen Sieg über Donald Trump zu. Doch unter diesen Skeptikern schwenken viele Biden-Unterstützer jetzt auf den Milliardär Michael Bloomberg um. Der macht zwar erst von März an mit, wenn in einigen der größten Staaten abgestimmt wird. Er investiert aber schon Summen in Fernsehwerbung, von denen seine auf Spenden angewiesenen Rivalen nur träumen können.

Joe Biden erklärt Meldungen über seinen politischen Tod für verfrüht und verweist trotzig auf seine Zustimmungswerte unter Nicht-Weißen. Davon mag er kommende Woche in Nevada profitieren, wo viele Latinos leben, und vor allem am Ende des Monats in South Carolina, wo Afroamerikaner einen wesentlichen Teil der demokratischen Wählerschaft ausmachen. Tatsächlich haben Bidens Konkurrenten in dieser Gruppe einen schweren Stand: Vermont und Minnesota, die Heimatstaaten von Sanders und Klobuchar, sind nach wie vor sehr „weiß“. Beide Senatoren haben nur wenig belastbare Verbindungen in die afroamerikanische „Community“, in der kirchliche und andere zivilgesellschaftliche Netzwerke eine große Rolle spielen.

Für Buttigieg kommt noch zweierlei hinzu: Erstens stößt seine offene Homosexualität unter (religiösen) Afroamerikanern auf größere Vorbehalte als unter Weißen. Zweitens wurden während Buttigiegs Amtszeit als Bürgermeister von South Bend drastisch mehr Schwarze als Weiße wegen Marihuana-Besitzes festgenommen, was auf der nationalen Bühne nun breit besprochen wird. Auch Bloomberg hängen die harschen, von Kritikern als rassistisch empfundenen Polizeitaktiken während seiner Amtszeit als New Yorker Bürgermeister wie ein Mühlstein um den Hals.

Da hat es Joe Biden als Vizepräsident und „Freund“ des ersten schwarzen Präsidenten der Vereinigten Staaten leichter. Andererseits spricht es Bände, dass Barack Obama keine Wahlempfehlung ausgesprochen hat. Und die seit Monaten gemessene, überwältigende Unterstützung der Afroamerikaner galt zu einem großen Teil weniger Biden, dem Fürsprecher der Schwarzen, als Biden, der besten Chance gegen Donald Trump. Diesen Nimbus hat Biden jetzt verloren. Sein fünfter Platz in New Hampshire ist eine Schmach.

Stahlbad für den Kampf gegen Trump

Trump kostet seine komfortable Lage aus: Frisch freigesprochen im Impeachment-Verfahren und ohne Konkurrenz im eigenen Lager, reibt er den Demokraten in den Vorwahlstaaten unter die Nase, wie viele Leute er auf seine Kundgebungen locken kann. Hier der Triumphator, dort der Bruderkrieg – das mag ein schwer erträglicher Anblick für alle auf der Welt sein, die auf eine Abwahl Trumps hinfiebern.

Doch in dieser Phase ist diese Unwucht noch kein Beinbruch. Eine wichtige Funktion des brutalen Vorwahlkampfes ist es ja gerade, die Bewerber für die Auseinandersetzung im November zu stählen. Sollte ein betagter Sozialist wie Bernie Sanders, ein junger Kommunalpolitiker wie Pete Buttigieg oder ein Gelegenheitsrepublikaner wie Michael Bloomberg tatsächlich in der Lage sein, den Vorwahlkampf für sich zu entscheiden, dann wäre er per definitionem ein formidabler Gegner für Trump.

Das allerdings gilt nur, wenn die Demokraten dann in der Lage sind, die Verletzungen ihres internen Wahlkampfs zu vergessen und an einem Strang zu ziehen. Da sind Sorgen angebracht: Bernie Sanders gehört der Demokratischen Partei formal noch nicht einmal an, er vertritt seine scharf linken Thesen wider die amerikanische Spielart des Kapitalismus als Parteiloser im Senat. Würde sich die Partei wirklich hinter ihm versammeln? Würde sie sich mit Bloomberg identifizieren können, der ihre Partei 2001 aus taktischem Kalkül verließ, um als Republikaner Bürgermeister von New York werden zu können, und der sich als Multimilliardär das Recht herausnimmt, die traditionelle Ochsentour von Iowa, New Hampshire, Nevada und South Carolina einfach auszulassen?

Würden sich gerade die Afroamerikaner für einen Kandidaten engagieren, der sich vor allem dem Ziel verschrieben hat, weiße Wähler aus der Arbeiterklasse Trumps Griff zu entwinden? Der Präsident tut sein Möglichstes, um die Unzufriedenheit an der Demokraten-Basis anzufachen und Zweifel am Wahlverfahren zu nähren. Allzu schwer fällt ihm das bisher nicht.

Bevor der Vorwahlkampf der Demokraten begann, hatte das Bild monatelang so ausgesehen: Funktionäre und Freiwillige auf allen Ebenen versicherten, dass sie ihre Lektion aus der Schmach von 2016 gelernt hätten und dass ein jeder von ihnen jeden erdenklichen Vorwahlsieger aus vollem Herzen unterstützen würden. Nach den ersten beiden Abstimmungen in Iowa und nun in New Hampshire stellt sich die Lage ganz anders dar. Die Emotionen kochen über. Die Demokraten drohen, das eigentliche Ziel aus dem Blick zu verlieren.

faz.net


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