Klinsmann rechnet knallhart mit Hertha ab

  26 Februar 2020    Gelesen: 910
  Klinsmann rechnet knallhart mit Hertha ab

Im Klinsmann-Intermezzo beim Hertha BSC folgt nach dem skandalösen Rücktritt das nächste Beben. In einem seitenlangen Protokoll erhebt der Ex-Trainer schwere Vorwürfe gegen den Fußball-Bundesligisten. Präsident Gegenbauer spricht von "schäbigen Anschuldigungen".

Keine 15 Tage ist es her, dass Jürgen Klinsmann Hertha BSC via Facebook-Post überraschend verlässt. Keine 13 Tage ist es her, dass sich die Geschäftsführung des Fußball-Bundesligisten und Investor Lars Windhorst bei einer Pressekonferenz geschlossen gegen den Ex-Coach positionieren und den Rücktritt scharf verurteilen. Jetzt taucht eine Art Tagebuch auf, in dem Klinsmann mit dem Klub knallhart abrechnet: In einem 22 Seiten langen Protokoll, das die "Sport Bild" veröffentlicht, dokumentiert Klinsmann unter der Überschrift "Zehn Wochen Hertha BSC" seine Zeit als Berater und Trainer.

Darin enthüllt Klinsmann pikante Details und teilt vor allem gegen Herthas Führungsspitze aus. In einem chronologischen Ablauf - unklar, ob er tatsächlich schon in seiner Amtszeit protokolliert oder das später aufschreibt - schildert er, welche angeblichen Fehlleistungen sich die Verantwortlichen in der kurzen Klinsmann-Ära leisteten. Die Aufzeichnungen beginnen, als er Anfang November seine Funktion im Aufsichtsrat bei der Hertha einnimmt. "Der Klub unter Schock, es gibt keinerlei Willkommenskultur", steht im Protokoll. Sogar eine "Einladung zum Closing Dinner im China Club nimmt die komplette Vereinsführung nicht wahr. Begründung: Das Bundesligaspiel gegen RB Leipzig am nächsten Tag."

Als Klinsmann "spürt, dass der Verein komplett am Boden ist", hektisch und nervös sei, versucht er, nach Ante Covics Aus Ex-Leipzig-Trainer Ralf Rangnick für Hertha zu gewinnen. Rangnick erteilt ihm eine Absage, indem er "unmissverständlich mitteilte, dass er das Projekt Berlin spannend findet, in einer Konstellation mit Michael Preetz als sein Vorgesetzter jedoch niemals kommen würde." Letztendlich übernimmt Klinsmann selbst den Posten des neuen Cheftrainers und hilft dem Verein in 76 Tagen von Platz 16 auf 13 in der Tabelle hoch - bis zu seinem plötzlichen Aus.

"Gibt eine Lügenkultur"

Auch Präsident Werner Gegenbauer kritisiert er: Er soll verboten haben, dass Lars Windhorst nach dem Spiel gegen Dortmund Ende November in die "Kabine kommen kann, um der Mannschaft HALLO zu sagen". Außerdem habe er sich Klinsmann gegenüber rücksichtslos verhalten, als der ihn bittet, sein Sohn Jonathan Klinsmann solle als dritter Torwarte nach Berlin zurückkehren, "weil der zweite Torwart Thomas Kraft ständig krank ist und der dritte Torwart Dennis Smarsch kein Bundesliga-Niveau hat". Gegenbauer "erklärt unmissverständlich, das käme nicht in Frage, er wolle kein Vater-Sohn-Verhältnis mehr im Klub nach dem Jahren mit Dardai, Covic und Köpke. Und dies in einer absolut respektlosen und unverschämten Art und Weise", hält Klinsmann fest. Überhaupt sei er ein "völlig übel gelaunter Präsident".

In einer Bestandaufnahme hält er fest, die "Mannschaft sei in einem katastrophalen körperlichen wie mentalen Zustand", "der Kader ist von der Altersstruktur her völlig falsch zusammengesetzt" und "viel zu groß". Als Klinsmann über Weihnachten sechs Wochen nach Kalifornien fliegt, habe er "erste Gedanken, ob eine Rückkehr nach Berlin überhaupt Sinn macht". Vorerst bleibt er Trainer, nach dem Rückrundenauftakt gegen den FC Bayern hält Klinsmann fest: "Es gibt keinerlei Lobbyarbeit des Vereins bei den Schiedsrichtern, nur niveaulose Beleidigungen während des Spieles von der Bank von Michael Preetz."

Zum Schluss zieht Klinsmann eine vernichtende Bilanz: "Die Planung der Vorbereitung auf die Rückrunde, für die Michael Preetz verantwortlich ist, ist eine Katastrophe". Außerdem wirft er dem Manager vor, "jahrelange katastrophale Versäumnisse in allen Bereichen, die mit Leistungssport zusammenhängen." Es gebe zudem eine "Lügenkultur, die auch das Vertrauensverhältnis der Spieler mit Preetz zerstört hat". Seiner Meinung nach müsse "die Geschäftsleitung sofort komplett ausgetauscht werden."

Gegenbauer: "Schäbige Anschuldigungen"

Aus Klinsmanns Umfeld hieß es bei der dpa, dass es sich um ein internes Papier für Klinsmann und einen Partner handele. Diese interne Bestandsaufnahme und Analyse sei geleakt worden. Auf Anfrage von ntv.de will sich Hertha nicht zu dem Protokoll äußern und verweist auf die Pressekonferenz am Nachmittag, bei der Sportmanager Michael Preetz Fragen beantworten will. Ob es zu einer Stellungnahme kommen wird, ist jedoch fraglich. In einem Brief an die Fans, äußert sich Präsident Gegenbauer vorab, "für uns sind weder der Inhalt des Schreibens, noch die Art und Weise des Vorgehens seitens Jürgen Klinsmann und seiner Berater André Gross und Roland Eitel nachvollziehbar."

Schon der Rücktritt Klinsmann via Facebook-Post und das Live-Video einen Tag später bedürfe keines weiteren Kommentars ihrerseits, schreibt Gegenbauer. "Nun dürfen wir Zeuge sein, wie unser ehemaliger Trainer mit diesem Schreiben, welches an die Tennor Holding und damit an Lars Windhorst gerichtet war, abermals versucht, mit absurden Behauptungen seinen Rücktritt zu rechtfertigen. Wir haben uns dazu entschlossen, nicht auf die einzelnen Vorwürfe zu reagieren, da sie entweder falsch oder einfach nur unsinnig sind."

Eines müsse allerdings deutlich angemerkt werden: "Die schäbigen Anschuldigungen gegen die Mitarbeiter der Abteilung Medizin und Medien weisen wir entschieden zurück." Zum Schluss heißt es: "Wir bedauern, dass wir uns derart in Jürgen Klinsmann getäuscht haben, denn wir hätten mit Jürgen Klinsmann gerne gemeinsam eine positive Geschichte für die Hertha BSC geschrieben."

Quelle: ntv.de


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