Die gute Nachricht vorab: Das Viertelfinale des DFB-Pokals zwischen dem FC Schalke 04 und dem FC Bayern am Dienstagabend musste nicht abgebrochen werden. Die Gelsenkirchener Verantwortlichen hatten sich zwar Tage vor dem Aufeinandertreffen dazu durchgerungen, der vom DFB vorgeschlagenen Deeskalationsstrategie in drei Stufen eine Absage zu erteilen. Die Akteure in Blau und Weiß waren dazu aufgefordert worden, das Spielfeld zu verlassen, sollten in den Fankurven erneut provokante und beleidigende Banner gezeigt werden. Die Ultras beider Lager aber hielten sich zurück und entschieden sich, zumindest für den einen Abend einen Burgfrieden mit dem ungeliebten Verband zu schließen.
Aus Sicht des Traditionsvereins aus dem Ruhrgebiet war es dann auch die einzig richtig gute Nachricht, dass der Spielabbruch vor 62.271 Augenzeugen in der ausverkauften Schalker Arena ausblieb. Am Ende der 90 Pokalminuten unterlagen die Gastgeber einem drückend überlegenen Gegner mit 0:1 (0:1) und verpassten damit nicht nur die Qualifikation für das Halbfinale, sondern auch die nicht zu verachtende Prämie von mehr als fünf Millionen Euro, die mit dem Einzug in die Vorschlussrunde verbunden gewesen wäre.
Doch so ganz konnte die berüchtigte Nordkurve ihre Emotionen nicht unterdrücken. Vor Spielbeginn zeigten die Ultras ein Plakat, auf dem sie ironisierend fragten: "Wenn wir jetzt ein Hurensohn-Plakat zeigen, hört ihr dann auf zu spielen und wir schaffen es ins Elfmeterschießen?" Sie zeigten das so angekündigte Plakat allerdings nicht und die Begegnung ging - auch ohne Elfmeterschießen - geordnet über die Bühne, auch wenn das brisante Thema damit längst nicht ad acta gelegt ist.
Wagner baut kolossal um
Beinahe untergegangen war dadurch eine andere, ebenfalls sehr emotionale Geschichte auf Schalke: Im Tor stand nämlich nicht ganz unerwartet Markus Schubert für den zuletzt schwer fehlerbehafteten Alexander Nübel. Der 23-Jährige, der deswegen und wegen seines Wechsels zu den Bayern im kommenden Sommer bei den Fans in Ungnade gefallen war, fand sich auf der Reservebank wieder, während sein Ersatz makellos den Angriffswellen der Münchener trotzte. "Alex hat zuletzt Fehler gemacht und ich hatte nicht das Gefühl, dass er angesichts seines Wirbels um den Vereinswechsel derzeit sein Potenzial auf den Platz bringen kann", so Trainer David Wagner in der Begründung. "Schubi hingegen hat heute absolut fehlerlos gespielt, alles gehalten, was er halten musste - und mehr."
Geholfen hatte es am Ende nicht, dem FC Bayern beizukommen. Dabei hatte Wagner sein Team auch über die Torwartposition hinaus ordentlich durcheinandergewirbelt. Einerseits, weil mit Suat Serdar, Omar Mascarell, Daniel Caligiuri, Ozan Kabak, Juan Miranda, Salif Sane und Benjamin Stambouli sieben Spieler verletzungsbedingt nicht zur Verfügung standen. Andererseits aber auch, weil er mit Benito Raman und Michael Gregoritsch (zunächst) und mit dem zuletzt formschwachen Amine Harit weitere Stammkräfte auf die Bank beorderte. "Wir wollten angesichts unserer Situation etwas Neues ausprobieren", so Schalkes Stürmer Guido Burgstaller, der sich zum ersten Mal seit Monaten in der Startelf wiederfand. "Es ging darum, ein dreckiges Spiel zu machen und kämpferisch dagegenzuhalten."
"Immerhin mal wieder Chancen"
Das taten die Schalker, die seit Wochen auf der Suche nach der verlorenen Form sind, dann zunächst auch. Die Hausherren stellten sich extrem defensiv auf und beorderten gleich fünf Spieler in eine Abwehrreihe. Das arg gerupfte Kollektiv trat mutig und couragiert mehrfach die Flucht nach vorn an und hatte sogar die ersten Chancen der Partie. Alessandro Schöpf fand in der fünften Minute in Manuel Neuer seinen Meister, Burgstaller traf in der zwölften Minute nur die Latte. Und erneut war es der Österreicher, dessen Treffer in der 20. Minute auf Geheiß des Videoassistenten zu Recht wegen Abseitsstellung nicht anerkannt wurde. Das war es aber auch. "Immerhin haben wir in diesem Match mal wieder Chancen gehabt. Das war zuletzt ja nicht mehr der Fall", so Schöpf. "Aber im Abschluss fehlte heute das Glück."
Die Münchener machten es da besser, wenn auch nur geringfügig. Der Führungstreffer von Joshua Kimmich nach 40 Minuten war Ausdruck großer Dominanz der Gäste, die sich aber damit am Ende zufrieden geben mussten, ihren Gegner lange leben ließen und dennoch verdient eine Runde weiterkamen. Die Zahlen untermauern derweil die Überlegenheit: Mit einem Ballbesitz von irren 81 Prozent und einem Eckenverhältnis von 14:1 war das ein wenig so, als ließen die Großen den kleinen Nachbarjungen gar nicht erst mitspielen.
"Heute Abend absolut einverstanden"
Ganz so war es natürlich nicht, doch auch ohne den verletzten Robert Lewandowski bleiben die Bayern weiter auf Erfolgskurs - in der Meisterschaft, in der Champions League und nun auch weiterhin im Pokal. Das freute am Ende auch den Trainer. "Gut zu sehen, dass man als Mannschaft enger zusammenrückt, wenn einen Mitspieler eine solche Verletzung trifft", so Hansi Flick. "Die letzten Wochen war schon tough. Insofern mache ich meiner Mannschaft ein dickes Kompliment, so konzentriert über 90 Minuten aufgetreten zu sein."
Für die Schalker, die wieder einmal ohne Torerfolg blieben, dürften die Zeiten nun rauer werden. Gut möglich, dass sie am Ende dieser Saison auf die Februar- und März-Spiele zurückblicken werden mit dem Fazit, dass sie in wenigen Wochen alles verzockten, was sie sich in einer begeisternden Hinrunde als Vorlage erspielt hatten. Sechs Bundesligaspiele in Serie ohne Dreier und nun auch noch das Pokal-Aus: So sieht eine veritable Krise aus.
Angesichts der langen Ausfallliste ist das zwar erklärlich, zeigt aber auch, dass der Kader der Blau-Weißen in der Breite nicht ausreicht, um ein gutes Gesamtniveau über eine gesamte Saison halten zu können. Angesichts einiger Langzeitverletzter werden sie sich auf Schalke noch lange Zeit mit diesem Umstand herumplagen müssen, denn Besserung ist nur in Einzelfällen in Sicht. "Dennoch bin ich trotz der Niederlage mit der Leistung heute Abend absolut einverstanden", so Wagner. "Das sollte uns den Ansatz geben für die nächsten schweren Wochen, die wir vor uns haben." Nach dem Heimspiel gegen die TSG Hoffenheim steht das prestigeträchtige Revierderby in Dortmund an.
Quelle: ntv.de
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