US-Notenbank könnte Zinsentscheidung allein von Corona-Ausbreitung abhängig machen

  06 März 2020    Gelesen: 733
US-Notenbank könnte Zinsentscheidung allein von Corona-Ausbreitung abhängig machen

Die US-Notenbank Fed greift für ihre Geldpolitik normalerweise auf wirtschaftliche Konjunkturdaten zurück. Nun könnte erstmals die reine Ausbreitung des Coronavirus ausschlaggebend sein.

Die US-Notenbank richtet gewöhnlich ihre Geldpolitik allein nach der wirtschaftlichen Lage aus, sie analysiert dazu Daten zur Konjunktur, zur Inflation und zur Arbeitslosigkeit. Nun aber will die Federal Reserve ihre Zinspolitik offenbar abhängig machen von der Zahl der Neuinfektionen mit dem Coronavirus. "Die sonst herangezogenen Wirtschaftsdaten sind nicht sonderlich nützlich angesichts der sich schnell ändernden Lage", sagte Fed-Notenbanker Robert Kaplan dem Sender Bloomberg TV. Die Anzahl neuer Verdachtsfälle werde ein "zentraler Faktor" bei seiner künftigen Beurteilung der Lage sein. Eine bemerkenswerte Aussage, schließlich haben sich Notenbanker bisher rein auf wirtschaftliche Daten verlassen.

Außerdem lässt sie vermuten, dass die Notenbank sich bereits am Dienstag überwiegend auf Zahlen zur Ausbreitung des Coronavirus gestützt hatte. Da hatte die Fed den Leitzins überraschend um einen halben Prozentpunkt gesenkt - obwohl die US-Wirtschaft noch floriert. Es war die größte Zinssenkung seit 2008 und die erste, die seit der Finanzkrise zwischen regulären Sitzungen beschlossen wurde. Kurzfristig beruhigte das die Finanzmärkte, die Kurse kletterten zwischenzeitlich nach oben, bevor sie erneut abstürzten.

Ökonomen kritisieren Fed
Volkswirte dämpften die Erwartungen an eine mögliche Krisenintervention. "Anders als in der globalen Finanzkrise werden die Zentralbanken bei der Bekämpfung des wirtschaftlichen Schadens durch das Coronavirus nur wenig helfen können", sagte der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher. Das größte wirtschaftliche Problem sei ein Zusammenbrechen globaler Wertschöpfungsketten und fehlendes Konsumentenvertrauen.

Stattdessen fordert Fratzscher von der Bundesregierung ein Konjunkturprogramm. "Vertrauen wiederherzustellen, erfordert starke Signale. Dazu gehört ein langfristiges Investitionsprogramm", sagte Fratzscher dem RedaktionsNetzwerk Deutschland. "Unternehmen und Verbraucher müssen wissen: In den nächsten Monaten wird es hart, aber langfristig können wir uns darauf verlassen, dass ein Schub kommt." Kurzfristig wäre wichtig, Konsumenten zu entlasten, etwa über eine niedrigere Mehrwertsteuer. "Es ist jetzt Zeit für ein Konjunkturprogramm. Wir sollten besser früh handeln als zu spät."

Die Zinssenkung stößt auch die Debatte erneut an, wie weit sich die Fed von der Politik und von den Märkten treiben lässt. Notenbanker Kaplan sagte, dass sich die Fed nicht um die Märkte per se sorge, sondern um die Auswirkungen des Coronavirus auf die Realwirtschaft.

Die Lehren aus der Finanzkrise zeigen, dass die Fed nicht zu lange warten und nicht zu zögerlich handeln soll. Andererseits will die Notenbank nicht zu früh ihr Pulver verschießen. Fed-Chef Jerome Powell hatte die Zinsen im vergangenen Jahr mehrmals gesenkt, nachdem US-Präsident Donald Trump immer wieder Druck auf die Notenbank ausgeübt hatte.

Fraglich ist, ob die Fed die Zinssenkungen als kurzfristigen Zwischenschritt ansieht und die Zinsen wieder anhebt, wenn das Virus abebbt und die Wirtschaft sich stabilisiert. Der nächste reguläre Zinsentscheid der Fed ist für den 18. und 19. März angesetzt.

spiegel


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