Die sinkenden Grenzwerte der Europäischen Union für den Ausstoß von Kohlendioxid (CO2) bringen die Autokonzerne zunehmend in Bedrängnis. Zehn Autoherstellern drohen einer Studie zufolge im kommenden Jahr EU-Strafen von zusammen 3,3 Milliarden Euro wegen zu hoher CO2-Werte. Kurzfristige Maßnahmen wie Rabatte für ihre elektrifizierten oder besonders sparsamen Autos könnten das kaum noch abfedern, warnen die Branchenexperten der Unternehmensberatung Deloitte. Die Namen der Autobauer gaben sie nicht bekannt.
Vergangenes Jahr stießen Neuwagen im EU-Schnitt 108 Gramm CO2 je Kilometer aus. Seit Januar schreibt die EU zum Klimaschutz einen Höchstwert von 95 Gramm vor. Große, schwere Autos dürfen etwas mehr ausstoßen. Dieses Jahr können die Hersteller die fünf Prozent ihrer Flotte mit den schlechtesten Werten bei der Berechnung noch außen vor lassen - aber 2021 wird es ernst. Für jedes Gramm über dem Grenzwert werden 95 Euro fällig - für jedes verkaufte Auto. Bis 2030 senkt die EU den Grenzwert schrittweise weiter auf 59 Gramm.
Nun ringen die traditionellen Autokonzerne darum, wie sie die neuen Grenzwerte erreichen können. Die noch schwache Nachfrage nach Elektroautos macht ihnen den Wandel schwer, den sie selbst durch ihr geringes Angebot zu spät begonnen haben.
"Wir arbeiten unter Hochdruck"
Nun schauen viele Manager traditioneller Hersteller auf den E-Autopionier Tesla, der in der Autobranche lange Zeit belächelt wurde. Volkswagen will die CO2-Grenzwerte vor allem mit rein batteriegetriebenen Autos schaffen und steigt beispielsweise aus der lange verfolgten Erdgasauto-Entwicklung aus. BMW gibt Plug-in-Hybriden eine wesentlich größere Bedeutung, die Verbrenner und E-Motor verbinden.
"Wir sollten uns von Teslas Erfolg inspirieren lassen", sagte Daimler-Chef Ola Källenius dem SPIEGEL. Der Stuttgarter Konzern fahre die E-Auto-Produktion steil nach oben. "Wir arbeiten unter Hochdruck an den technischen Voraussetzungen, um die Ziele zu schaffen", sagte Källenius.
Die Zahl der E-Autos werde in diesem Jahr auf einige Zehntausend und dann sehr schnell auf Hunderttausende steigern, so der Daimler-Chef. Den Anteil an Elektro- und Hybridfahrzeugen, zuletzt weltweit zwei Prozent des Konzernabsatzes, wolle Daimler dieses Jahr vervierfachen und 2021 noch einmal verdoppeln.
Für alle Hersteller wird es auch später ein schwieriges Unterfangen, die nötige E-Auto-Nachfrage zu erreichen. Um die Vorgaben einhalten zu können, müssten 2030 rund 40 Prozent aller in Europa verkauften Neuwagen elektrifiziert sein, gab BMW-Chef Oliver Zipse vor Kurzem zu Bedenken. "Innerhalb der nächsten zehn Jahre muss sich der Markt dafür mehr als verzehnfachen."
BMW werde die vorgegebenen EU-Ziele für den CO2-Ausstoß erreichen, gab sich Zipse zuversichtlich. Der Konzern werde den eigenen Kohlendioxid-Durchschnittswert um 20 Prozent senken. Zwei Drittel der CO2-Senkung soll durch Elektroautos erreicht werden, ein Drittel durch die Verbesserung konventioneller Verbrennungsmotoren.
Wahl zwischen Strafen oder niedrigen Margen
Die Konzerne hätten mit den CO2-Vorgaben noch Jahre zu kämpfen, sagt Deloitte-Branchenexperte Thomas Schiller. Damit einhergehende Profitabilitätseinbußen seien nur bedingt abwendbar. "Die Autohersteller haben heute die Wahl, ob sie hohe CO2-Strafen an die EU zahlen oder E-Autos zu Preisen verkaufen, bei denen sie wenig bis nichts verdienen. E-Autos werden noch in den nächsten Jahren ein Zuschussgeschäft sein", sagt Schiller. Das ändere sich erst, wenn sie auf hohe Stückzahlen kommen.
Der Anteil der Plug-in-Hybride und Elektro-Autos an den Neuzulassungen dürfte im laufenden Jahr auf elf Prozent steigen und bis 2026 auf 34 Prozent, heißt es in der Deloitte-Studie. Der Anteil der SUV-Fahrzeuge soll auf 41 Prozent zulegen - und 40 Prozent dieser Stadtgeländewagen seien dann mit Plug-in-Hybrid- oder E-Antrieb unterwegs, aber nur 32 Prozent der anderen Autos. "Die Gewinnmargen bei den großen SUV sind hoch", sagte . Mit elektrifizierten SUV könnten die Hersteller praktisch zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen.
spiegel
Tags: