Trumps Gegenspieler in der Corona-Krise

  23 März 2020    Gelesen: 465
Trumps Gegenspieler in der Corona-Krise

Der Präsident muss sich im Kampf gegen das Virus neu erfinden. Doch die Krise scheint eine Nummer zu groß für ihn zu sein. Das wird umso klarer, als der Gouverneur von New York täglich zeigt, wie Krisenmanagement ohne Trump-Faktor aussieht.

In dem auf den Kopf gestellten Leben der Amerikaner sind schon ein paar neue Gewohnheiten entstanden. Einen festen Bestandteil im Tagesablauf haben nun die „Corona-Briefings“ im Fernsehen. Seitdem auch Präsident Donald Trump Wochen nach dem Ausbruch der Pandemie nicht länger die Augen vor der Gefahr verschließen konnte, erscheint er nahezu täglich im Presseraum des Weißen Hauses. Dort verkündet er neue Maßnahmen zur Bekämpfung des „unsichtbaren Feindes“, verspricht schnelle medizinische Fortschritte und erläutert Programme zur Linderung der drohenden Wirtschaftskrise.

Der Präsident versucht das Unmögliche. Angesichts einer präzedenzlosen Herausforderung muss er sich neu erfinden: inhaltlich und persönlich. Schon am Montag sollte im Kongress ein bis zu zwei Billionen Dollar umfassendes Hilfspaket verabschiedet werden. Bei einem ersten Votum stimmten die Demokraten allerdings gegen die Maßnahme, was den ehrgeizigen Zeitplan in Gefahr bringen könnte.

Das Paket soll neben Unterstützung für einzelne Branchen auch unmittelbare Finanzhilfen für Bürger und eine Regelung für die Lohnfortzahlung für Angestellte geschlossener Betriebe enthalten – sozialstaatliche Maßnahmen also, für welche die Republikaner Barack Obama früher verflucht hätten. Trump sagt dazu, diese Krise sei nun einmal anders, da der Staat vom Bürger verlange, dass er nicht arbeite und nicht auf die Straße gehe, um Geld auszugeben.

Viele Fragen sind nicht mit Ja und Nein zu beantworten
Der Präsident versucht, sich bei diesen Auftritten als ebenso zupackender wie mitfühlender Krisenmanager zu geben. Mit dieser Rolle tut er sich schwer. Die Krise ist komplex, Fachleute können seine Fragen oft nicht mit ja oder nein beantworten. Und mit einem Deal sind die Probleme auch nicht zu lösen. In seiner Ungeduld verliert er mitunter die Nerven, attackiert Journalisten, denen er unterstellt, sie hofften, eine Rezession bedeute das Ende seiner Präsidentschaft. In diesen Momenten scheint die Krise eine Nummer zu groß für ihn zu sein.

Das wird umso klarer, als es täglich noch ein zweites „Corona-Briefing“ gibt, das aus Albany live übertragen wird. In der Hauptstadt des Bundesstaates New York, dem Brennpunkt der Krise, zeigt Gouverneur Andrew Cuomo, wie Krisenmanagement ohne Trump-Faktor aussieht. Eine Stunde bevor die Nachrichtenkanäle das Briefing aus dem Weißen Haus übertragen, schalten die Sender in der Regel ins Kapitol am Hudson River. Der 62 Jahre alte Demokrat sitzt dann im Kreise seiner Mitarbeiter.

Am Samstag geht es etwa um die Zahl der Krankenhausbetten, die für den erwarteten Höhepunkt der intensivmedizinisch zu versorgenden Patienten hinten und vorne nicht reichen werden. Am Sonntag gab es in dem Bundesstaat, der mit 20 Millionen Einwohnern etwa sechs Prozent der amerikanischen Bevölkerung ausmacht, mehr als 15.000 registrierte Infektionsfälle, einen Großteil davon in New York City. Der Bundesstaat zählt zu jenen, in denen inzwischen eine Ausgangssperre gilt – eine Maßnahme, die Cuomo eigentlich vermeiden wollte.

New York ist gleichsam Sitz des Widerstandes gegen Trump

Der Gouverneur ist stets sehr konkret: Er berichtet, dass man bislang 6000 Beatmungsgeräte erworben habe, aber insgesamt wohl 30.000 zusätzliche benötige. Er teilt mit, dass das Javits Center, ein Kongresszentrum in Manhattan, umfunktioniert 2000 Patienten Platz böte – und dass man Fema, die Katastrophenschutzbehörde des Bundes, bitte, im Inneren Krankenhäuser zu errichten.

Stets lobt Cuomo die Kooperation mit Washington. Trumps Team kümmere sich, sagt er, der Präsident tue das Richtige. Und: „Wir sind keine Demokraten. Wir sind keine Republikaner. Wir sind Amerikaner.“ New York brauche die Hilfe des Bundes. Cuomos Verhältnis zu Trump war vor der Krise alles andere als gut. Ähnlich wie Kalifornien ist New York gleichsam Sitz des Widerstandes gegen Trump. Zuletzt stritten Cuomo und der Präsident über irreguläre Migranten. All das spielt derzeit keine Rolle. Die Krise überlagert alles.

Cuomo und Trump kennen einander seit Jahrzehnten. Vater Mario war in den achtziger Jahren Gouverneur, als Trump in Manhattan als Immobilieninvestor durchstartete. Andrew war später dann Bill Clintons Minister für Wohnungsbau und Städteplanung. Seit 2011 regiert er in Albany. Im Herbst vergangenen Jahres gab er bekannt, nicht ins Rennen um die Präsidentschaftskandidatur der Demokraten einzusteigen. Obwohl alle Gouverneure derzeit mit der Krise zu kämpfen haben, wird er medial zum Gegenspieler Trumps aufgebaut.

Die Verhandlungen mit Nancy Pelosi und Chuck Schumer überlässt der Präsident seinem Finanzminister Steve Mnuchin und Mitch McConnell, dem Mehrheitsführer im Senat. Mit Cuomo hingegen telefoniert er häufig. In Ermangelung eines Parteipräsidiums nach deutschem Muster, das Joe Biden ein Forum geben könnte, ist der designierte Trump-Herausforderer zurzeit außen vor.

Cuomo will auf Parteipolitik verzichten

Cuomo achtet darauf, sich in dieser Krisenlage nicht gegen Trump ausspielen zu lassen. Während Bill de Blasio, der linke Bürgermeister New York Citys, Trump kürzlich im Streit um die Lieferung von medizinischem Gerät frontal anging, verzichtet der moderate Cuomo auf öffentliche Posen. Am Sonntag forderte aber auch er, Washington müsse den Herstellern medizinischer Produkte Anweisungen erteilen. Ansonsten handelt er nach der Devise: In der Krise ist der Verzicht auf Parteipolitik die beste Parteipolitik. Trump versucht das auch. Auch er spricht jetzt viel von „einer Nation“, „einer Familie“ und parteipolitischer Zusammenarbeit.

Doch während Cuomo zu Protokoll gibt, er wolle in zehn Jahren rückblickend sagen können, er habe alles versucht, prahlt Trump: Kein Präsident vor ihm habe Ähnliches geleistet. Und: Vorgängerregierungen hätten ihm ein marodes System hinterlassen. Da die Fragen, warum er die Pandemie so lange kleingeredet habe, nicht enden wollten, begann er von einem „chinesischen Virus“ zu sprechen.

Unterschiedliche Berater zerren an Trump: Die einen wollen ihn mit Blick auf den Wahlkampf als fürsorgenden Macher inszenieren. Die anderen setzen auf das Freund-Feind-Schema: Amerika gegen die chinesische Gefahr. Beide Rollen – Kümmerer und Angstmacher – passen nicht zusammen. Deshalb flimmert Trump gleichsam, wenn er auf dem Bildschirm erscheint. Cuomo sagt derweil: „Eine Krise zeigt dir die Seele einer Person.“

faz.net


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