New York City wird zum Epizentrum der Coronakrise

  26 März 2020    Gelesen: 1009
New York City wird zum Epizentrum der Coronakrise

New York erstarrt in Angst, in den überlasteten Krankenhäusern herrscht Chaos. Und das Schlimmste dürfte noch bevorstehen. Bürgermeister de Blasio sagt: "Die Welt, die wir kannten, ist verloren."

Die Todesfälle rücken immer näher. Broadway-Legende Terrence McNally, der das Buch des Musicals "Kiss of the Spider Woman" schrieb, war 81. Nashom Wooden, Nighlife-Ikone und vielen New Yorkern als Drag Queen Mona Foot bekannt, war 50. Dez-Ann Romain, Direktorin der Brooklyn Democracy Academy, war 36.

Knapp 200 New Yorker sind schon an den Folgen des Coronavirus gestorben: Alte und Junge, Prominente und Unbekannte. Selbst das New York Police Department meldete mehr als 3200 kranke Cops, knapp ein Zehntel der gesamten Truppe.

Fast jede dritte neue Corona-Infektion in den USA findet sich mittlerweile in New York City, bis Mittwochabend zählten sie insgesamt mehr als 17.000. Gouverneur Andrew Cuomo spricht von "astronomischen Zahlen", und sie wachsen täglich. Die sonst so lebendige 8,6-Millionen-Metropole, seit dieser Woche unter einer Ausgangssperre, ist in Angst erstarrt.

"New York ist das Epizentrum dieser Krise", sagt Bürgermeister Bill de Blasio. "Kein Ort leidet mehr Schmerzen. Kein Ort braucht dringender Hilfe." De Blasio, kein Mann der Übertreibung, rechnet damit, dass am Ende mehr als die Hälfte der New Yorker infiziert sein werden. Die meisten würden nur "milde" Symptome haben, aber "wir werden einige Leute verlieren". Der April werde hart. Der Mai härter.
"Die Welt, die wir kannten, ist verloren", sagt de Blasio. "Das ist die schonungslose Wahrheit." Aber: "Ich weiß, dass die New Yorker die Wahrheit verkraften können."

Cuomo hat eine Warnung für seine US-Landsleute: "Wir sind eure Zukunft."

Die Lage hat sich so schnell verschlimmert, dass die US-Regierung alle, die noch aus New York fliehen können, in zweiwöchige Quarantäne zwingt. Die anderen bleiben zurück, gefangen in ihren Wohnungen und den oft verbunkerten, vernagelten Straßenzügen. Das Magazin "Vanity Fair", dessen Redakteure ins Homeoffice umgezogen sind, fühlt sich an den Londoner "Blitz" erinnert.

Wer trotzdem herumstreift, mit Abstand natürlich, bemerkt zuerst die Ruhe. Die Lärmkulisse ist verstummt. Kein Geschrei, kein Hupen, kaum Sirenen. Ein Flugzeug donnert über die Dächer, er ist wahrscheinlich leer, der Luftverkehr soll auch bald eingestellt werden.

Wie schlimm die Lage bereits ist, das zeigt sich in den New Yorker Krankenhäusern, die zu Barometern der Krise geworden sind. Fast 3000 Corona-Patienten werden derzeit betreut, stündlich werden es mehr. Alle mehr als 1800 Intensivbetten dürften nach Medienberichten bis Freitag ausgereizt sein. Das größte US-Kliniknetz steht vor dem Kollaps.

Im Elmhurst Hospital Center, einem Lehrkrankenhaus in Queens, das viele Immigranten betreut, starben in 24 Stunden 13 Corona-Opfer. "Elmhurst steht im Zentrum der Krise", erklärt die zentrale Klinikverwaltung. Die Elmhurst-Ärztin Ashley Bray formuliert es schärfer: "Es ist apokalptisch", sagt sie der "New York Times".

Es mangelt an allem: Ausrüstung, Geräte, Betten. Das Javits Center, Manhattans gläsernes Kongresszentrum, wird in ein Feldlazarett mit 1000 Betten umgewandelt. Doch hundertmal so viele werden benötigt. Das Hospitalschiff "USNS Comfort" der US-Marine, das auf dem Weg nach New York ist, hat ebenfalls nur 1000 Betten und kommt erst in Wochen an.

"Dieses Gesundheitssystem ist völlig unvorbereitet auf dieses Desaster", sagt Judy Sheridan-Gonzalez, die Chefin des New Yorker Pflegerverbands NYSNA, am Abend im TV-Sender CNN.

Den meisten Krankenhäusern sind längst Beatmungsgeräte und Schutzmasken ausgegangen, trotz einer Lieferung von 2,2 Millionen Masken am Montag. Die US-Seuchenbehörde CDC empfiehlt den Ärzten inzwischen, sich als Ersatz Halstücher umzubinden. "Im Ernst?" empört sich ein New Yorker Notarzt. "Im reichsten Land der Welt?" Für die Betreuung eines Covid-19-Patienten seien fünf Personen nötig: "Das sind fünf Masken, fünf Kittel, fünf Gesichtsschirme und zehn Handschuhe."

Craig Spencer, medizinischer Direktor am Columbia University Medical Center, hält die Außenwelt über seinen Twitter-Feed auf dem Laufenden. "Fast jeder, den wir sehen, ist im gleichen Zustand", berichtet der Epidemiologe, der Ebola überlebte. "Wir gehen davon aus, dass alle an Covid-19 erkrankt sind. Wir tragen für jede Begegnung Kittel, Schutzbrillen und Masken. Den ganzen Tag."

Im Mount Sinai West Hospital, wo rund 40 Corona-Kranke liegen und mindestens ein Angestellter an Covid-19 starb, posieren Schwestern in schwarzen Mülltüten, die sie als Behelfskittel bekommen hätten. Draußen sind für den Ansturm Metallbarrikaden errichtet.

Vor dem Bellevue Hospital haben sie aus Kühllastern eine provisorische Leichenhalle gebaut. Die Belegschaft der Notaufnahme sammelt auf der Spenden-Website GoFundMe Gelder für ihre Ausrüstung, bisher kamen mehr 110.000 Dollar zusammen. Das Luxushotel Four Seasons stellt seine leeren Suiten für erschöpfte Medinizer und Krankenpfeger zur Verfügung.

Während in den Kliniken "Krieg" herrscht, so ein Pfleger, liegt der Rest der Stadt brach. Die Straßen sind leer, die Wolkenkratzer dunkel, die U-Bahn-Stationen verwaist. Die Passagierzahlen des US-größten U-Bahn-Netzes sind um 87 Prozent eingebrochen, die Verkehrsgesellschaft MTA braucht nach eigenen Angaben vier Milliarden Dollar Stütze, um nicht Pleite zu gehen.

Im Mount Sinai West Hospital, wo rund 40 Corona-Kranke liegen und mindestens ein Angestellter an Covid-19 starb, posieren Schwestern in schwarzen Mülltüten, die sie als Behelfskittel bekommen hätten. Draußen sind für den Ansturm Metallbarrikaden errichtet.

Vor dem Bellevue Hospital haben sie aus Kühllastern eine provisorische Leichenhalle gebaut. Die Belegschaft der Notaufnahme sammelt auf der Spenden-Website GoFundMe Gelder für ihre Ausrüstung, bisher kamen mehr 110.000 Dollar zusammen. Das Luxushotel Four Seasons stellt seine leeren Suiten für erschöpfte Medinizer und Krankenpfeger zur Verfügung.

Während in den Kliniken "Krieg" herrscht, so ein Pfleger, liegt der Rest der Stadt brach. Die Straßen sind leer, die Wolkenkratzer dunkel, die U-Bahn-Stationen verwaist. Die Passagierzahlen des US-größten U-Bahn-Netzes sind um 87 Prozent eingebrochen, die Verkehrsgesellschaft MTA braucht nach eigenen Angaben vier Milliarden Dollar Stütze, um nicht Pleite zu gehen.

spiegel


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