Joe Biden hat Geldsorgen

  04 April 2020    Gelesen: 929
Joe Biden hat Geldsorgen

Die Coronakrise trifft in den USA fast alle Lebensbereiche - auch die Wahlkampagne von Joe Biden leidet. Der Demokrat sitzt zu Hause fest. Schon wird über einen möglichen parteiinternen Konkurrenten spekuliert.

Bei Prognosen über den Ausgang von US-Präsidentschaftswahlen lautet eine Faustregel: Eine gute Wirtschaftslage nützt dem Amtsinhaber beziehungsweise der Partei, die ihn stellt, eine schlechte schadet ihnen.

Eine Rezession trug 1992 sehr wahrscheinlich dazu bei, dass George H.W. Bush das Weiße Haus an den Demokraten Bill Clinton verlor. Barack Obama setzte sich 2008 deutlich gegen den Republikaner John McCain durch - wohl auch deshalb, weil die Wähler die Regierung des damaligen republikanischen Präsidenten George W. Bush für die Finanzkrise im selben Jahr verantwortlich machten.

Wo sollen die Spenden herkommen?
Doch die Wirtschaftskrise, die mit der Corona-Pandemie einhergeht, ist anders als frühere Rezessionen. Zumindest was Wahlkampfspenden anbelangt, trifft sie den wahrscheinlichen Herausforderer derzeit härter als den Amtsinhaber: Joe Biden, der im Vorwahlkampf der Demokraten fast uneinholbar führt, hat Geldsorgen.

Ende Februar hatten Biden und das Democratic National Committee - Schulden eingerechnet - gemeinsam rund 20 Millionen Dollar "cash on hand", sprich: für den Wahlkampf zur Verfügung. Donald Trump und die Republikaner kamen auf das mehr als Achtfache: rund 170 Millionen Dollar.

Biden war zu diesem Zeitpunkt nur einer von vielen Bewerbern, die um die demokratische Nominierung und deshalb auch um Geld für den Wahlkampf wetteiferten. Unter normalen Umständen wäre für den früheren Vize-Präsidenten jetzt, da er sich im parteiinternen Wettbewerb freigeschwommen hat, der Zeitpunkt, um in großem Stil Spenden einzuwerben. Doch die Coronakrise erschwert ihm das ganz

Die Kontaktsperren zur Eindämmung des Virus machen das traditionelle Fundraising unmöglich, bei dem Kandidaten mit finanziell gut gestellten Unterstützern auf Tuchfühlung gehen. Das aber scheint im Moment fast das geringste Problem.

Die viel wichtigere Frage ist, wo das Geld inmitten der wirtschaftlichen Verwerfungen überhaupt herkommen soll. Die Krise trifft potenzielle Großspender hart: Die Wall Street durchlebte im März ihren schlimmsten Monat seit 2008. Auch Philanthropen könnten auf absehbare Zeit anderweitig gebunden sein. Denn Corona könnte einige Kultur- und Forschungseinrichtungen an den Rand des Ruins bringen.

Die Probleme potenzieller Kleinspender sind angesichts des jüngsten Rekordanstiegs der Arbeitslosigkeit noch größer. Zuwendungen von 200 Dollar oder weniger machten in den vergangenen Monaten immerhin knapp 40 Prozent der von Biden gesammelten Summe aus.

Bidens Wahlkampfteam machte zuletzt keine Angaben dazu, wie viel Geld man seit dem Beginn der Coronakrise im Land Mitte März eingeworben habe. Die "New York Times" berichtet aber, dass die Zuwendungen zuletzt zurückgegangen seien. Man gehe zwar dazu über, Spendenveranstaltungen per Videoanruf abzuhalten. Einige seiner treusten Unterstützer ruft der frühere Vizepräsident demnach auch an. Im Allgemeinen sei man aber zurückhaltend; in der aktuellen Lage sei es taktlos, um Geld für den Wahlkampf zu bitten.

Dem Bericht zufolge sind Bidens Unterstützer aber dennoch zuversichtlich. "Es kommen immer noch Spender zu uns", zitiert die Zeitung Michèle Taylor vom Super-Pac "Unite the Country". Die Aktionsplattform unterstützt Biden, ist aber formell von dessen Kampagne unabhängig. Den Spendern, so Taylor, sei die Dringlichkeit der Lage bewusst: Man müsse Trump loswerden.

Zu Bidens Gunsten lässt sich auch auf den Vorwahlkampf der Demokraten verweisen. Der frühere Vizepräsident ist heute der wahrscheinliche Sieger - obwohl fünf Mitbewerber mehr Geld ausgaben als er.

Cuomo for President?
Eine größere Sorge für Biden könnte sein, dass er derzeit zu Hause sitzt und kämpfen muss, um gehört zu werden. Trump hingegen ist bei den Pressebriefings zur Coronakrise regelmäßig sichtbar, was sich derzeit auch in den Zustimmungswerten des Präsidenten niederschlägt.

Dies führte jüngst zu Spekulationen über eine Präsidentschaftskandidatur von Andrew Cuomo, dem demokratischen Gouverneur des Bundesstaats New York. Der Großraum New York City ist aktuell Hochrisikogebiet; Cuomo macht als oberster Krisenbekämpfer in den Augen vieler Amerikaner eine gute Figur. Seine regelmäßigen Ansprachen sind zu einer Art Therapiestunde für die verunsicherte Bevölkerung geworden.

Dass Cuomo sich in das Rennen um die Präsidentschaft einschaltet, ist trotzdem unwahrscheinlich. Er selbst verneinte zuletzt mehrfach jede Ambition, unter anderem in einem Interview mit seinem Bruder, dem CNN-Moderator Chris Cuomo.

Selbst wenn der Gouverneur von New York es sich anders überlegen sollte, müsste er Hunderte Biden-Delegierte davon überzeugen, zu ihm überzulaufen. Biden wiederum bleibt bis zum Nominierungsparteitag im August Zeit, sich ihrer Loyalität zu vergewissern, notfalls per Videoanruf.

spiegel


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