Corona bei „Maischberger“ - Kurz als Primus, Söder fehlt und ein paar Flops

  24 April 2020    Gelesen: 689
Corona bei „Maischberger“ - Kurz als Primus, Söder fehlt und ein paar Flops

Selten erlebt man in einer TV-Talkshow, die eigentlich zu den Top-Produkten des Ersten Deutschen Fernsehens gehört, eine solche Anhäufung von Flops. Die versierte Star-Moderatorin Sandra Maischberger wird den Abend wohl noch lange in ihrer Erinnerung behalten.

Zunächst fing die Sendung „Maischberger. Die Woche“ am späten Mittwochabend mit einer fast 30-minütigen Verspätung, also gegen halb zwölf an, womit das Programm sicherlich zigtausende von potentiellen Zuschauern eingebüßt hat. Dann gab es beim Interview mit dem Hauptgast, Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz, eine rund halbminütige Störung. Und der andere angekündigte Top-Teilnehmer, Bayerns Regierungschef Markus Söder, glänzte durch seine Abwesenheit.

In dem Schaltgespräch, das etwa zehn Minuten dauerte, wirkte Sebastian Kurz - mit der österreichischen und der EU-Flagge hinter dem Rücken – gewohnt wie ein Klassenprimus, der an die Tafel gerufen wurde: bescheiden, adrett, souverän. Sicherlich darf (und will) er sich als „Schulbester der Pandemie“ in Europa präsentieren (Obwohl Tschechien, Finnland, Norwegen oder Dänemark mittlerweile wohl nicht geringere Erfolge erzielt und ihre Regierungen genauso gut „beste Noten“ verdient haben – aber die dortigen Top-Politiker dürften wohl nicht so PR-hungrig sein wie das junge Talent aus Wien.)

Der Kanzler würdigte das resolute Handeln seiner Regierung in Phase Eins und beschrieb es als "rasch und restriktiv“. Das Virus konnte „ausgehungert“ werden, die Zahl der Neuinfektionen liege seit geraumer Zeit unter 100 pro Tag. Dadurch sei der Übergang zu Phase Zwei – das behutsame Öffnen des Landes nach dem Lockdown – möglich geworden. „Schön behutsam, schön vorsichtig“ soll die Phase Zwei umgesetzt werden, für die ein Zwei-Wochen-Takt für die Öffnung von größeren Geschäften, Schulen und Wirtshäusern vorgesehen sei.

Blame Game: Ischgl gegen München
Das kritische Moment des Interviews kam, als die Moderatorin den Kanzler nach Ischgl fragte – dem Ski-Ort in Österreich, „wo sich Tausende von Deutschen infiziert haben“. „Ging dort die Gier über die Gesundheit?“ lautete Maischbergers Frage. Der redegewandte Kanzler erwiderte: „Ich tue mir ein bisschen schwer mit diesem Blame Game.“ Und fügte hinzu: „Es gibt jetzt Studien, dass sich das Virus in Europa von München aus ausgebreitet haben soll. Ich weiß nicht, ob es stimmt und ich mache niemandem einen Vorwurf – es ist eine weltweite Pandemie.“

Die weitere Sequenz, in der die Moderatorin nachzustoßen und den Kanzler in Verlegenheit zu bringen versuchte, wurde bei der Übertragung leider zum Opfer einer Störung und ließ sich erst später per ARD-Mediathek „kompensieren“. Die Sequenz in verkürzter Wiedergabe – Maischberger:

„Haben Sie sich in dem Fall etwas vorzuwerfen, dass Sie zu spät reagiert haben?“ Kurz: „Wie gesagt, wenn es dazu gekommen ist, dass jemand etwas vertuscht hat, so wird es selbstverständlich in Österreich bestraft werden, wie dies in Deutschland auch der Fall wäre. Wenn es um die Frage geht ‚Haben wir rechtzeitig reagiert?‘, dann kann ich nur für uns beanspruchen, dass wir deutlich früher reagiert haben als die meisten anderen europäischen Länder.“

Ist Solidarität „nicht unbedingt das Markenzeichen der EU in dieser Krise?“ fragte am Schluss die Moderatorin den Kanzler im Hinblick auf den EU-Gipfel am Donnerstag, bei dem Italien und Spanien eine stärkere finanzielle Unterstützung fordern werden. Kurz erwiderte, Österreich und Deutschland treten durchaus solidarisch auf, indem sie Patienten aus EU-Ländern aufnehmen und medizinische Materialien verschicken. „Aber was ich ablehne, ist eine Vergemeinschaftung von Schulden in Europa unabhängig von der Corona-Krise“, so der Kanzler. In diesem Punkt sei er sich mit Angela Merkel einig.

Die lachsfarbene Jacke: die neue ARD-Uniform?
Da sich der Koalitionsausschuss, an dem Markus Söder am Mittwochabend teilnahm, in die Länge zog, fiel seine Teilnahme an Maischbergers Talkshow aus. So musste die Sendezeit mit der Journalistenrunde verquatscht werden, die „bei Maischberger üblicherweise das Vorgeplänkel, die Halbzeitpause und die Nachbesprechung mit Meinungsaustausch auffüllt“, so der „Spiegel“.

Vertrieben wurde die Zeit unter anderem mit dem Vergleich von Kurz und Söder, bei dem etwa der Publizist und Autor Wolfram Weimer die Ähnlichkeit der beiden „im politischen Habitus“ hervorhob. „Beide haben die Tonalität der seriösen Verantwortlichkeit“ gefunden, womit die beiden auch bei den Umfragen stark punkten konnten.

Nebenbei behandelten Weimer, der „Welt“-Vizechefredakteur Robin Alexander und ARD-Morgenmagazin-Moderatorin Anna Planken noch US-Präsident Donald Trump (Die sinngemäße einheitliche Meinung: Gut, dass Trump nicht Bundeskanzler sei), China (übereinstimmende Meinung: Das Regime in Peking werde nie preisgeben, wo das Virus herkam) und Merkels Bonmot „Lockerungsdiskussionsorgie“ (alle waren sich da einig: Damit hat sich die Kanzlerin einen Schnitzer erlaubt).

Was noch aufgefallen ist: Sandra Maischberger trug fast die gleiche lachsfarbene Jacke wie Anne Will bei ihrer Talkshow drei Tage zuvor. Ist dies nun eine vom Sender vorgeschriebene Uniform der Moderatorinnen? Oder auch ein weiterer, zugegeben, kleiner Flop?

sputniknews


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