Von Aufschwung bis Chaos - drei Szenarien für Trump

  07 Mai 2020    Gelesen: 595
Von Aufschwung bis Chaos - drei Szenarien für Trump

Der US-Präsident kämpft in der Coronakrise um seine politische Zukunft. Die Zahl der Toten könnte zu einem entscheidenden Faktor für die Wahl werden. Kann Trump noch gewinnen?

Wenigstens auf eine Sache ist in diesen Zeiten Verlass: Donald Trump bleibt ganz der Alte. Der US-Präsident sagt seinen triumphalen Sieg bei der Präsidentenwahl im November voraus, trotz Coronakrise. "Ich werde sie alle schlagen."

Die Prognose könnte sich als gewagt erweisen.

Was spricht derzeit für einen Wahlsieg von Trump? Was dagegen? Hier sind drei mögliche Szenarien, wie sich Lage für den Präsidenten in den verbleibenden Monaten bis zur Wahl entwickeln könnte.

Szenario eins - Trumps Triumph
In den USA gibt es aktuell mehr als 1,2 Millionen bestätigte Corona-Infektionen, gut 74.000 Menschen sind gestorben. Trumps Zickzackkurs in der Coronakrise und seine bizarren Pressebriefings verstärken den Eindruck, dass sich der Präsident im Ansehen der öffentlichen Meinung auf der abschüssigen Bahn befindet. Nach einem kurzen Hoch zu Beginn der Krise signalisieren Umfragen der letzten Wochen, dass eine wachsende Zahl von US-Amerikanern mit Trump unzufrieden ist.

Es gibt allerdings einen Umfrage-Ausreißer.

Die jüngste Umfrage des angesehenen Gallup-Instituts sieht Trump wieder im Aufwind. 49 Prozent der Befragten sind mit dem Präsidenten zufrieden, 47 Prozent sind unzufrieden. Zur vorherigen Umfrage von Mitte April ist das eine Verbesserung um sechs Prozentpunkte.

Ein Trump-Triumph bei der Wahl ist also durchaus noch möglich. Er weiß, dass er für einen Sieg im November vor allem die unschlüssigen Wähler in der Mitte für sich gewinnen muss. Die Gesamtzahl der Infektionen und Toten mag hoch sein, aber die Chance liegt für ihn darin, dass die Zahl der neuen Infizierten und neuen Toten pro Tag in den kommenden Monaten graduell abnehmen könnte, weil die Massnahmen zur Eindämmung der Pandemie Wirkung zeigen.

Wenn die Kurven dauerhaft nach unten zeigen sollten, würde Trump dies bei der Wahl zweifellos als sein Verdienst verkaufen, ganz gleich, wie viel Anteil er daran wirklich hat. Schon jetzt nennt sein Schwiegersohn Jared Kushner das Krisenmanagement der Regierung Trump eine "Erfolgsgeschichte" und setzt damit den Ton für die Wahlschlacht.

Eine ähnliche Dynamik könnte Trump bei der wirtschaftlichen Entwicklung helfen. Wenn die nun geplanten Lockerungsmaßnahmen in einigen Bundesstaaten bis zum November zu einer leichten Verbesserung am Arbeitsmarkt führen, könnte Trump für sich in Anspruch nehmen, dass er es war, der den "Turnaround" geschafft hat. Sein wichtigstes Argument für die Wiederwahl wäre dann, dass nur unter seiner Führung eine weitere wirtschaftliche Genesung möglich sei. Am Ende könnte eine überraschend deutliche Mehrheit der Amerikaner so tatsächlich für ihn stimmen.

Szenario zwei - Chaos total
Dies ist das Albtraum-Szenario, für Trump genauso wie für Joe Biden, seinen möglichen demokratischen Herausforderer. Es geht so: Zwar sinkt die Zahl der Infizierten an Hotspots wie New York oder New Jersey, doch die USA erleben in den kommenden Monaten immer wieder neue lokale Ausbrüche der Corona-Epidemie. Es gibt keinen klaren Rückgang bei der Zahl der Infizierten und Toten. Auch eine deutliche Erholung der Wirtschaft ist in diesem Szenario nicht zu erkennen. Ein Impfstoff oder ein wirksames Medikament lassen auf sich warten. Örtlich käme es immer wieder zu neuen Lockdowns.

Die Folgen im Land wären noch mehr Frust, noch mehr Wut, noch mehr politische Polarisierung. Trump würde sein gesamtes populistisches Talent einsetzen, um von den Problemen abzulenken und andere zu attackieren. Alle wären an der Krise schuld, China, die Immigranten, die Gouverneure, nur nicht er.

Joe Biden und die Demokraten wiederum könnten Trump als Hauptverantwortlichen für die Krise brandmarken. So mobilisieren beide Seiten ihre Anhängerschaft maximal. In den Staaten, die besonders umkämpft sind wie Florida oder Wisconsin, könnte der Wahlausgang extrem knapp werden. Am Ende wäre womöglich sogar umstritten, wer die Wahl eigentlich gewonnen hat – Trump oder Biden.

Es wäre eine Bewährungsprobe für die amerikanische Demokratie: Beide Seiten könnten Fälle von Wahlbetrug oder Manipulation geltend machen. Selbst vereinzelte gewaltsame Proteste wären nicht ausgeschlossen. Wie bei der Wahl 2000 zwischen Al Gore und George W. Bush könnte am Ende eine Nachzählung von Stimmen und/oder der Supreme Court über den Sieger entscheiden. Das Land wäre mehr gespalten denn je.

Szenario drei – Trumps Untergang
Auch viele Demokraten wissen, dass sie in Joe Biden auf den ersten Blick nicht unbedingt den stärksten Kandidaten haben, um gegen Trump zu gewinnen. Biden ist bereits 77 Jahre alt, er wirkt oft fahrig und nun sorgen auch noch Vorwürfe, er habe eine Mitarbeiterin sexuell attackiert, für Schlagzeilen. Dennoch ist ein Erdrutschsieg des Polit-Seniors bei der Wahl durchaus möglich.

Biden genießt vor allem bei älteren Wählern ein hohes Ansehen und die Sehnsucht nach einem Ende der Trump-Präsidentschaft ist bei vielen Wählern groß. Die Coronakrise legt Trumps Schwächen offen, er schafft es nicht, das Land zu einen. Sein Krisenmanagement wirkt auf viele Wähler erratisch und unausgegoren.

Die Wahl von Biden ist für etliche Wähler die einzige Chance, Trump loszuwerden. Selbst wenn sich die Coronakrise in den kommenden Monaten entspannen sollte, könnte Biden Trump im Wahlkampf schwere Fehler beim Krisenmanagement vorhalten. Die Demokraten dürften Trump mehr oder weniger direkt für die hohe Zahl von Toten verantwortlich machen, die nach Prognosen im Sommer auf mehr als 100.000 steigen soll. Schon jetzt senden die Demokraten Werbespots, in denen Trump gezeigt wird, wie er das Virus zu Beginn der Krise verharmlost. Immer wieder verweisen sie darauf, dass durch die Coronakrise schon mehr Amerikaner gestorben sind als im Vietnamkrieg.

Trump hat zudem das Problem, dass er wegen der Krise seine geliebten Großkundgebungen wohl noch für Monate nicht abhalten kann. Sie nutzt er üblicherweise vor Wahlen, um seine Anhänger in Schwingung zu versetzen. Das ist gut für Biden: Wenn Teile der Trump-Basis bei der Wahl unmotiviert sind und zu Hause bleiben, erhöht das die Chancen für seinen Sieg zusätzlich. Gelingt Biden am 3. November dann ein klarer Sieg in einer deutlichen Mehrheit der Bundesstaaten, werden Trump weder Zetern noch Klagen helfen. Er müsste sich geschlagen geben.

spiegel


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