Landschaftsprunk statt Sozialschmiere

  07 Mai 2020    Gelesen: 750
Landschaftsprunk statt Sozialschmiere

In "The Mole - wem kannst du trauen?" soll eine Gruppe Menschen herausfinden, wer von ihnen ein manipulierender Saboteur ist. Das könnte spannend sein - nur leider ist die Show allzu poliert.

In den vergangenen Wochen kam man als Trash-TV-Freund gelegentlich in Rechtfertigungsnöte: Das menschlich völlig aus dem Ruder gelaufene "Promis unter Palmen" überzog das ganze Genre mit hartnäckig pappigem Schmuddel, der es schwer vermittelbar machte, dass man in derlei Formaten tatsächlich etwas über soziales Miteinander lernen kann. Nun bieten RTL und Sat.1 wie zur Stützung dieser These ein parallel abgehaltenes, vulgärsoziologisches Proseminar an: In zwei gerade gestarteten, neuen Formaten kann man, wenn dieses Mal alle die Nerven behalten, tatsächlich wunderbar Menschen beim Menscheln beobachten.

Bei "Are you the one?" (RTL) müssen sich 20 Kandidatinnen und Kandidaten zu im Vorhinein von Experten festgelegten Idealpaaren zusammensherlocken – interessant sind dabei weniger die tatsächlichen Auflösungen sondern vielmehr die Ideen, nach denen Menschen ihre Partner wählen.

In "The Mole – wem kannst du trauen?" (Sat.1) geht es um Vertrauen und Ausgrenzung: Zehn Menschen können in diversen Denk- und Actionspielen Geld erspielen, wenn sie zusammenarbeiten. Der titelgebende Maulwurf versucht dabei heimlich, diese Bemühungen zu sabotieren. Wer ihn enttarnt, gewinnt am Ende das gemeinsam erspielte Geld. Auf dem Weg zu Lösung gilt es immer wieder Vertrauen und Verdacht schlau zu dosieren, ständig abzuwägen, ob etwa eine Aufgabe aus Kalkül oder aus Unvermögen nicht geschafft wird.

Die deutsche Variante "Der Maulwurf" lief 2000
Die Idee hinter "The Mole" ist nicht neu, bereits 1998 wurde das Format in Belgien unter dem Titel "De Mol" ausgestrahlt, die deutsche Variante "Der Maulwurf" lief im Sommer 2000 bei ProSieben – moderiert bizarrerweise von Michael Stich, und vor diesem Hintergrund wirkt es fast zu plausibel, dass die Neuauflage nun von Alec Völkel und Sascha Vollmer, den Mitgliedern der Band The BossHoss, moderiert wird.

In ihrem traditionellen Partnerlook stehen die beiden zu Beginn der ersten Folge als Ledervariante der Alice-im-Wunderland-Zwillinge Dideldei und Dideldum in der argentinischen Pampa vor den Gräbern der Kandidaten – die liegen in Särgen, bedeckt von ein paar Zentimetern Erde, und müssen sich ihren Weg ans Licht durch typische Escaperoom-Kniffelspiele erarbeiten, indem sie verschiedene Codes ermitteln – und etwa aus den Fotos diverser Prominenter diejenigen richtig aussortieren, die noch am Leben sind.

Gemächlich ausgekosteter Landschaftsprunk
Das kann man mäßig geschmackvoll finden, es sieht jedoch wunderbar aus. "The Mole" ist, zumal für ein solches Format,  außergewöhnlich wertig gefilmt, mit cineastischem, gemächlich ausgekosteten Landschaftsprunk und ambitionierten Bildschnitten, die auf Dauer allerdings fast schon enervierend episch wirken. Lange, sehr lange dauert hier alles, zwischendurch sieht man die Bosshossen grundlos bei Lassoübungen, dazu wird die bedeutungsschwere Off-Stimmen-Fragerei, wer denn nun der Mole sei, bis über die Grenze des unfreiwillig Komischen ausgereizt.

Gesucht wird nämlich nicht "the mole", sondern "der Mole": Indem man den Namen erst anglifiziert, dann wieder eindeutscht, klingt er nicht mehr fancy international, sondern stampfig bieder. Der Mohl könnte auch eine regionale Sagengestalt sein, vor der man unartige Kinder warnt: Sei jetzt brav, sonst holt dich der Mohl! (Mauli, was sprach denn eigentlich gegen Mauli?)Nach der Befreiung aus den Särgen müssen die Kandidaten Lamas mit dem Lasso fangen, auch das liefert natürlich besondere Bilder, die einem noch besser gefielen, wenn dabei nicht ängstliche Fluchttiere belästigt würden. Anschließend baumeln alle an Seilen unter einer Brücke, aufgeknüpft entsprechend des Vertrauens, das sie in der Gruppe genießen.

Etwas zu bildvernarrt werden die einzelnen Spiele in die Länge gezogen, das plattiert die Spannungskurve dann doch empfindlich. Leider wird dafür die Sozialschmiere vernachlässigt, denn auch die Kandidaten wirken zu drapiert, ihre Interviewschnipsel arrangiert. Der Zuschauer fremdelt mit ihnen, weil sie vage wie Soapcharaktere bleiben: Es gibt den Kraftfahrer, die Zirkusartistin, den Rentner, die Erzieherin, doch weil man sie nicht wirklich kennen lernt, fällt es schwer, sich in die Frage hineinzudenken, wer von ihnen der Manipuliermohl sein könnte.

Den Kandidaten scheint es ähnlich zu gehen, zumindest die Auftaktfolge ist vor allem wildes Spekulieren in alle Richtungen und mit teils hanebüchenen Begründungen: "Es ist mir aufgefallen, dass eine Person sehr viel gelb trägt", sagt Udo und meint damit Aaron (der auch als Kandidat im aktuellen schwulen Datingformat "Prince Charming" mitwirkt und dort ebenfalls seiner Dotterpassion frönt).

Zumindest in der Auftaktfolge erliegt "The Mole" der Versuchung der dramaturgisch überspannten Inszenierung, die sich kulissenhaft vor die tatsächlich menschlichen Sätze, Handlungen und Gedanken schiebt.

spiegel


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