Knapp vorbei ist auch daneben

  04 Juni 2020    Gelesen: 415
 Knapp vorbei ist auch daneben

Das 130 Milliarden Euro schwere Konjunkturpaket offenbart ein heilloses Durcheinander nach einem parteipolitischen Tauziehen. Das Programm erinnert an einen Schrotschuss: Ein paar Kugeln treffen ins Schwarze - aber viele gehen am Ziel vorbei.

Mit Vollgas aus der Krise? Hoffentlich! Aber einen schnellen und gewaltigen Schub für die Konjunktur entfaltet das von den Spitzen von Union und SPD ausgehandelte Rettungspaket wohl nicht. Dafür sind die verschiedenen Maßnahmen, die sich auf einen Rekordwert von 130 Milliarden Euro addieren, kaum geeignet. Sicher: Für jeden der Punkte lässt sich eine passende Begründung finden. In der Summe aber entpuppen sich die Hilfen als das Sammelsurium eines parteipolitischen Tauziehens. Eine wirkungsvolle Gesamtstrategie fehlt.

Das Problem ist bekannt: Weil die Menschen, wenn überhaupt, deutlich weniger konsumieren als vor dem Lockdown, leiden Unternehmen wie selten. Gastronomen und Hoteliers klagen über ausbleibende Gäste. Und Industrieunternehmen bekommen deutlich weniger Waren als vor dem Corona-Ausbruch verkauft. Anders als nach der Finanzkrise im Jahr 2009, als schon mal ein milliardenschweres Konjunkturprogramm die Wende zum Besseren brachte, gibt es dieses Mal keinen Kreditstau, der die Firmen am Investieren hindert. Deutschland leidet unter einer Konsumflaute - und wie!

Ob da die auf sechs Monate begrenzte Senkung der Mehrwertsteuer die Verbraucher in Shoppinglaune versetzt? Zweifel sind berechtigt. Die Auswirkungen auf die Preise bewegen sich in homöopathischen Dosen - wenn die Steuerreduzierungen überhaupt an die Kunden weitergegeben werden. Viele Einzelhändler werden sich die Mühe vermutlich gar nicht machen, die Preisschilder zu ändern. Und selbst wenn: Dumpingangebote wird es auf breiter Front kaum geben. Dafür gehen die Steuersenkungen nicht weit genug.

Und durch die Entlastungen beim Strompreis haben die Verbraucher auch nicht wirklich mehr Geld auf dem Konto. Die EEG-Umlage wird ab dem kommenden Jahr zwar etwas gesenkt - was die Menschen aber nur vor weiter steigenden Ausgaben für Strom bewahrt.

Der "Wumms" bleibt aus

Dass neue Technologien - zum Beispiel die Entwicklung von Batteriezellen, Wasserstofftechnologie oder Digitaltechnik - stärker als bislang gefördert werden, kann helfen, dass die wichtige Modernisierung der deutschen Wirtschaft forciert wird. Aber den erhofften Nachfrageschub bringen diese Maßnahmen nicht. Dass die Bahn und der öffentliche Nahverkehr mit Milliardensummen bedacht werden, wird ebenso wenig Wirkung entfalten wie weitere Infrastruktur-Investitionen. Wir wussten doch schon vor Corona: Deutschland ist ein digitales Entwicklungsland. Dass Verkehrswege modernisiert gehören, war ebenso bekannt.

Immerhin: Vermutlich wird der einmalige Bonus von 300 Euro pro Kind zumindest manche Familien dazu verleiten, das Geld für zusätzliche Einkäufe zu verwenden. Aber reicht das, um die Folgen des wochenlangen Lockdowns auszugleichen? Wohl kaum. Das verabschiedete Konjunkturprogramm ist gut für die Modernisierung der deutschen Wirtschaft - ohne Frage. Aber für den erwarteten "Wumms" sorgt es nicht.

Quelle: ntv.de


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