Derartige Vorkommnisse machen inzwischen ein Drittel aller Fälle aus, die der Antidiskriminierungsstelle des Bundes mitgeteilt werden, wie deren kommissarischer Leiter Bernhard Franke am Dienstag in Berlin sagte. Die Zahl der Beratungsanfragen zu Diskriminierungen aufgrund der ethnischen Herkunft oder rassistischer Zuschreibungen stieg 2019 um knapp zehn Prozent auf 1176 Fälle oder 33 Prozent aller Anfragen.
2016 hatte der Anteil bei nur 25 Prozent gelegen. Franke sagte bei der Vorstellung des Jahresberichts seiner Stelle, es gehe nicht immer um gewalttätige Vorfälle wie die Anschläge von Halle oder Hanau. Er sprach von einem "Grundrauschen der Ausgrenzung. Menschen würden aufgrund angenommener Merkmale "aussortiert".
"Deutschland hat ein anhaltendes Problem mit rassistischer Diskriminierung und unterstützt Betroffene nicht konsequent genug bei der Rechtsdurchsetzung", sagte Franke. "Das Gefühl, mit einer Ungerechtigkeit alleine gelassen zu werden, hat auf Dauer fatale Folgen, die auch den gesellschaftlichen Zusammenhalt gefährden. Diskriminierung zermürbt."
Insgesamt hat die Stelle im vergangenen Jahr in 3580 Fällen rechtliche Auskunft erteilt, Stellungnahmen eingeholt oder gütliche Einigungen vermittelt. Die Gesamtzahl der Beratungsanfragen ist damit im Vergleich zum Vorjahr um 3,6 Prozent gestiegen.
Zu Benachteiligungen aufgrund des Geschlechts gingen 29 Prozent der Beschwerden ein. Es folgen Diskriminierungen aufgrund einer Behinderung mit 26 Prozent, des Lebensalters (zwölf Prozent), der Religion (sieben Prozent), der sexuellen Identität (vier Prozent) und der Weltanschauung (zwei Prozent).
Der größte Anteil der berichteten Diskriminierungen trug sich im Arbeitsleben zu: 36 Prozent der Anfragen bezogen sich 2019 auf Benachteiligungen im Beruf oder bei der Jobsuche. Am zweithäufigsten ging es in 26 Prozent der Fälle um Diskriminierung bei Alltagsgeschäften, also bei der Wohnungssuche, beim Einkauf, in der Gastronomie oder bei Versicherungs- und Bankgeschäften.
Die Antidiskriminierungsstelle forderte Bund und Länder auf, die Rechtsstellung und die Hilfsangebote für Betroffene deutlich zu verbessern. Nötig sind längere Fristen zur Geltendmachung von Ansprüchen, ein Auskunfts- und Klagerecht der Antidiskriminierungsstelle und ein Verbandsklagerecht.
Auch der Schutz vor Diskriminierung bei staatlichem Handeln müsse eindeutiger gefasst werden, forderte Franke. Hier seien vor allem die Länder gefragt. Das kürzlich in Berlin verabschiedete Landesantidiskriminierungsgesetz, das erste seiner Art, sei dabei ein "wichtiger Schritt", der Betroffenen auch bei Diskriminierung durch Polizeibeamte oder im Bildungsbereich Beschwerdewege und Schadensersatz- und Entschädigungsansprüche eröffne.
Franke verteidigte das umstrittene Landesgesetz ausdrücklich. "Wir sehen nicht, dass die Polizei unter Generalverdacht gestellt wird", sagte er. Niemand könne aufgrund der Neuregelung den Beamten "ins Blaue hinein" Diskriminierung unterstellen, sondern müsse konkrete Hinweise haben. Franke sprach sich zudem für den Aufbau von Landes-Antidiskriminierungsstellen in allen Bundesländern aus. Bisher sei das nur in acht von 16 Ländern geschehen.
AFP.com
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