Der nächste Schritt

  18 Juni 2020    Gelesen: 908
Der nächste Schritt

Der FC Chelsea setzt große Erwartungen in Neuzugang Timo Werner - RB Leipzig verliert dagegen schon jetzt seinen Trumpf in der Champions League. Nutznießer des Wechsels nach England könnte Bundestrainer Löw sein.

Timo Werners Transfer zum FC Chelsea wurde auf den Social-Media-Kanälen von RB Leipzig derart enthusiastisch verkündet, dass es fast den Eindruck erweckte, der Nationalspieler sei soeben von London nach Sachsen gewechselt, nicht umgekehrt. Der 24-Jährige durfte in einem Interview in der Leipziger Arena den Chelsea-Fans seine Vorfreude auf das Engagement in London ausrichten, RB illustrierte dazu die Bestätigung des Deals mit der Zeile "One Step Beyond”, frei übersetzt: der nächste Schritt.

Das spielt clever auf den gleichnamigen Ska-Hit der Gruppe Madness an, der seit Urzeiten vor Spielen an der Stamford Bridge durch die Lautsprecher dudelt, kann aber auch als Eingeständnis gelesen werden. Für den Nationalspieler war es nach vier Jahren in Sachsen wohl auch aus Leipzigs Sicht an der Zeit, die Karriere auf höherem Niveau fortzusetzen. 

Leipzigs recht erstaunlich kulante Haltung zum Verlust des wichtigsten Spielers erklärt sich aus den äußeren Umständen. Da Werner im vergangenen Sommer einen neuen Vertrag mit einer relativ günstigen Ausstiegsklausel von knapp unter 50 Millionen Euro unterschrieben hatte, war man lange auf den Abgang eingestellt; zudem sprachen die Engländer nach Abschluss der Verhandlungen mit dem Spieler zeitnah und äußerst korrekt in Leipzig vor.

Abgang hatte sich längst angedeutet
Natürlich, Julian Nagelsmann hätte Werner noch allzu gerne noch in der Champions League im August eingesetzt, aber sein Klub war letztlich wegen der vertraglich fixierten Exit-Möglichkeit zum 1. Juli nicht in der Lage, ernsthaft über diese Möglichkeit mit Chelsea zu verhandeln. RB Sportdirektor Markus Krösche betonte am Donnerstagnachmittag mehrmals, dass der Verzicht auf die Auftritte in der Königsklasse die Entscheidung des Spielers gewesen sei, Werner wolle sich in Ruhe auf die neue Saison beim neuen Arbeitgeber vorbereiten.

Doch auch Chelsea hatte selbstverständlich kein Interesse, den bereits gekauften Spieler für zwei Monate an RB zurück zu verleihen. Kosten und Nutzen dieser Aktion, gerade was das Verletzungsrisiko und etwaige Haftfragen anging, standen für die Blauen in keinen vernünftigen Verhältnis.

Werner hatte in den vergangenen Monaten offen mit dem FC Liverpool geliebäugelt, doch an der Fulham Road war das Verlangen nach seinen Toren größer. Chelsea, derzeit mit satten 34 Punkten Rückstand auf Jürgen Klopps Elf Vierter in der Tabelle, will in der kommenden Saison wieder konkurrenzfähig sein und ist dank der Unterstützung von Abramowitsch in der Lage, die Mannschaft gezielt zu verstärken, während andere Teams wegen der noch unkalkulierbaren Verluste durch die Covid-19-Krise zögern.

Option Liverpool mit zu viel Unwägbarkeiten
Liverpool hatte durchaus Gefallen an der Personalie, konnte sich aber letztlich nicht dazu durchringen, einen Spieler zu kaufen, der zuzüglich aller Nebengeräusche deutlich mehr als die in Deutschland kolportierten 10 Millionen Euro im Jahr verdienen wird, aber an der Anfield Road keineswegs als Stammspieler gesetzt wäre.

Chelsea - in Person von Trainer Frank Lampard - konnte Werner in einem persönlichen Gespräch dagegen eine führende Rolle in der Offensive garantieren. Der gebürtige Schwabe kann leicht versetzt hinter dem mithin noch etwas wackeligen Zielstürmer Tammy Abraham (22) auflaufen, oder in einem System mit drei Angreifern neben technisch gewandten Mitspielern wie Callum Hudson-Odoi, Mason Mount, dem Ex-Dortmunder Christian Pulisic oder 40-Millionen-Euro-Neuverpflichtung Hakim Ziyech von Ajax Amsterdam jede Position besetzen.

Seine Schnelligkeit macht ihn in schweren Auswärtsspielen auch als alleinigen Konterstürmer einsatzfähig. Dass Werner Im Trikot der Blauen "One Step Beyond” macht, wird nicht zuletzt auch Joachim Löw hoffen. Dem Bundestrainer käme ein Premier-League-Härte-erfahrener Stürmer im kommenden Jahr, wenn die ausgefallene Europameisterschaft nachgeholt werden soll, sehr zu pass.

spiegel


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