Hamburger SV verursacht den Totalschaden

  29 Juni 2020    Gelesen: 861
  Hamburger SV verursacht den Totalschaden

Schon wieder verpatzt der Hamburger SV den Aufstieg in die Fußball-Bundesliga. Dem Klub drohen verheerende Folgen: Die Zukunft von Trainer Dieter Hecking ist ungewiss, der Kader wird sich verändern und ein Teil der Einnahmen wird wegbrechen. Das Saison-Fazit ist ernüchternd.

Die Stimmung dürfte noch immer am Tiefpunkt sein, wenn Spieler und Trainer des Hamburger SV sich um 10 Uhr noch einmal am Volksparkstadion versammeln. "Wir werden gewisse Dinge noch einmal ansprechen, und dann wird es in den Urlaub gehen", sagt Trainer Dieter Hecking zur weiteren Planung nach der nächsten großen Pleite. Wieder scheitert der Klub am ersehnten Aufstieg in die Fußball-Bundesliga. Wie wird der Hamburger SV nach diesem Urlaub aussehen?

Vereinspräsident und Aufsichtsratschef Marcell Jansen kündigt an: "Wir werden in den kommenden Tagen in die Analyse gehen." Das Ergebnis dieser Analyse dürfte ernüchternd ausfallen. Es war der zweite Nicht-Aufstieg in Folge die Saison beendet der HSV auf dem enttäuschenden vierten Tabellenplatz. In vier der letzten neun Ligaspiele kassierte der HSV in der Nachspielzeit Gegentreffer. Dadurch wurden insgesamt sechs Punkte verspielt. Verrückt: Wären alle Spiele pünktlich nach 90 Minuten abgepfiffen worden, hätte der HSV bereits vor dem 34. Spieltag den Direktaufstieg sicher gehabt.

Die vielen Rückschläge haben Spuren hinterlassen. "Wir mussten von der mentalen Verfassung die Mannschaft immer wieder aufbauen", erklärt Hecking. "Das geht ein- oder zweimal gut. Aber wenn du das in jedem zweiten Spiel machen musst, dann kostet das wahnsinnig viel Kraft - vor allem für die Spieler. Man denkt natürlich, man hat Qualität. Aber das steckt man nicht so einfach weg."

"Wir sind gescheitert"

Die Folge war das desaströse 1:5 gegen den SV Sandhausen. Die Mannschaft war dem mentalen Druck offenbar nicht gewachsen, entwickelte im Spiel nach vorne keinerlei Kreativität und war zudem in der Verteidigung löchrig. "Wir sind als großes Ganzes gescheitert", so Hecking. Ob unter diesen Umständen eine weitere Zusammenarbeit möglich ist?

Der Vertrag des Trainers hätte sich nur im Falle des Aufstiegs automatisch verlängert und ist somit ausgelaufen. Hecking signalisierte bereits mehrfach seine Bereitschaft, auch in der 2. Liga beim HSV zu bleiben. Er weiß allerdings auch: "Man muss gucken, inwieweit wir das große ganze Gebilde wieder so aufstellen können, dass alle das Gefühl haben, dass es im nächsten Jahr klappen kann."

Jansen hält eine weitere Zusammenarbeit für möglich und sagte bei Sky: "Jonas Boldt (Sportvorstand, Anm.d.Red.) und Dieter Hecking haben sich dazu schon geäußert. Das Vertrauen von Jonas Boldt ist da. Dieter Hecking hat so viel Erfahrung." Doch wie würde die Mannschaft überhaupt aussehen, mit dem der Aufstieg im dritten Versuch gelingen soll?

Die Einnahmen sinken

Der Hamburger SV ist mit einem Spieleretat von rund 28 Millionen Euro in die zurückliegende Saison gegangen. Lediglich dem VfB Stuttgart stand mit geschätzten 40 Millionen Euro ein noch höheres Budget zur Verfügung - mit Erfolg: Die Schwaben spielen bald wieder im Oberhaus. Anders als der HSV, bei dem jedes weitere Jahr in der 2. Bundesliga die Einnahmen sinken lässt - vor allem die Fernseheinnahmen. Finanzvorstand Frank Wettstein sagte gegenüber dem NDR: "Natürlich werden wir im x-ten Zweitliga-Jahr nicht mehr den teuersten Kader haben können. Aber wir werden mit Sicherheit immer noch einen guten Kader präsentieren können, der um die oberen Plätze mitspielen kann - und das wahrscheinlich auch noch im fünften, achten oder zwölften Zweitliga-Jahr."

Ein weiteres Problem: Das Namensrecht an der Arena des Hamburger SV läuft am 30. Juni aus. Investor und Anteilseigner Klaus-Michael Kühne überweist dem HSV laut "Bild"-Zeitung jedes Jahr vier Millionen Euro, damit die Arena den Traditionsnamen Volksparkstadion behält. Eine eventuelle Vertragsverlängerung steht noch aus. Der verpatzte Aufstieg dürfte dabei nicht helfen. Hinzu kommt die allgemeine Ungewissheit, wann die Vereine in Zeiten von Corona wieder mit Zuschauereinnahmen rechnen können.

Mehrere Spieler verlassen Hamburg

Es dürfte für Boldt nicht einfach sein, in solchen Zeiten eine aufstiegsreife Mannschaft für die kommende Saison zusammenzustellen. "Wir werden schauen, an welchen Stellen wir unsere Mannschaft verstärken können und werden versuchen, hierfür die bestmöglichen Spieler zum HSV zu holen", kündigt er an.

Sicher scheint bislang nur, dass die Leihspieler zu ihren eigentlichen Vereinen zurückkehren. Gemeint sind Verteidiger Jordan Beyer (Borussia Mönchengladbach), die Mittelfeldspieler Adrian Fein (FC Bayern München) und Louis Schaub (1. FC Köln) sowie die Angreifer Martin Harnik (Werder Bremen) und Joel Pohjanpalo (Bayer Leverkusen). Vor allem der Abgang von Pohjanpalo wiegt schwer. Mit neun Treffern war er der Tor-Garant der Rückrunde. Und auch Fein ist im defensiven Mittelfeld zumindest in der Hinrunde ein Schlüsselspieler gewesen.

Boldt muss Ersatz beschaffen und zudem die zuletzt schwache Verteidigung (16 Gegentore in den vergangenen sieben Spielen) stärken. Zumal sich Innenverteidiger Rick van Drongelen im letzten Saisonspiel einen Kreuzbandriss zuzog und mindestens sechs Monate fehlen dürfte. Schlussendlich bräuchte der HSV auch neue Führungsspieler, die der Mannschaft in schwierigen Phasen Halt geben.

Der einzige feststehende Neuzugang ist bislang aber der 18-jährige Mittelfeldspieler Amadou Onana aus der A-Jugend der TSG Hoffenheim. Hinzu kommt nach heutigem Stand die Rückkehr von fünf Leihspielern: Stürmer Manuel Wintzheimer (VfL Bochum), Mittelfeldspieler Berkay Özcan (Istanbul Basaksehir), Linksaußen Aaron Opoku (Hansa Rostock) und die beiden Innenverteidiger David Bates (Sheffield Wednesday) sowie Jonas David (Würzburger Kickers). Lediglich Opoku und Wintzheimer haben während ihrer Ausleihe eine gute Entwicklung genommen - allerdings bei Vereinen mit geringeren Ansprüchen oder wie Opoku eine Liga tiefer.

Trainer, Team, Finanzen - es droht der Totalschaden. Die Vereinsführung des Hamburger SV muss viele wegweisende Entscheidungen treffen, wenn die Stimmung nach der kommenden Saison besser sein soll als um 10 Uhr am Volksparkstadion.

Quelle: ntv.de


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