Die schonungslose Analyse fiel erst einmal aus. Noch lange nach dem glücklichen Ende einer "Katastrophen-Saison" (Trainer Florian Kohfeldt) stand Marco Bode mit einem Bier in der Hand auf der Tribüne der Heidenheimer Arena. Nicht nur dem Aufsichtsratschef von Werder Bremen war eine Mischung aus Erleichterung und Erschöpfung aus dem Gesicht abzulesen.
"Wir wurden totgesagt, unser Charakter infrage gestellt - das können wir alles ad acta legen. Scheiß Saison, gutes Ende - und alles andere besprechen wir jetzt", sagte Kohfeldt bei DAZN. Wenige Stunden der Freude über den Last-Minute-Verbleib in der Fußball-Bundesliga wollen die Bremer sich noch gönnen. "Dann kommt der analytische Teil", kündigte der sichtlich platte Kohfeldt nach dem 2:2 im Relegations-Rückspiel beim 1. FC Heidenheim an. "Der wird kommen - und der ist unglaublich wichtig für die Zukunft für Werder Bremen." Etliche Fragen drängen sich schon jetzt auf.
Die wohl wichtigste: Wie geht es mit Kohfeldt weiter? Der 37-Jährige selbst ließ seine Zukunft zunächst offen. "Wir werden nichts am Zeitplan ändern. Wir werden uns die nächsten Tage zusammensetzen und besprechen, was das Beste für Werder ist." Bis zum Ende dieser Woche wollen Geschäftsführung und Aufsichtsrat mit Kohfeldt darüber beraten, ob man die Zusammenarbeit fortsetzt oder beendet. Deutlich länger dürfte die Ursachenforschung dauern. Dass auch Kohfeldt selbst auf dem Prüfstand steht, ist ihm klar. "Für mich war das ziemlich lange Freefall und nicht Achterbahn. Wir haben zu wenig Punkte geholt. Jede Kritik ist berechtigt, was das Fußballerische angeht. Wir dürfen mit diesem Kader nie in diese Situation kommen. Das ist auch meine Verantwortung", sagte der Trainer.
Zumindest von Seiten des Arbeitgebers geht die Tendenz recht eindeutig in Richtung: Weiter mit Kohfeldt: "Wir haben Florian immer das Vertrauen ausgesprochen und das auch in schwierigen Phasen öffentlich dokumentiert. Fast alle haben uns gesagt: Wir werden das so nicht schaffen, wir brauchen einen neuen Impuls, einen neuen Trainer", sagte Baumann. "Aber Florian hat gezeigt, dass er auch solche Situationen meistern kann. Für mich gibt es da deshalb keine Frage, ich bin weiterhin voll von Florian Kohfeldt überzeugt."
Klassenerhalt wird teuer
Aber wie konnte es überhaupt zu dieser desolaten Spielzeit kommen? Warum gab es zu Beginn so viele Verletzte? Wieso wirkte die Mannschaft alles andere als fit? Und weshalb hinkten fast alle Neuzugänge den Ansprüchen hinterher? Es wird mit Blick auf die kommende Saison nicht nur wegen der Corona-Krise kaum Geld vorhanden sein, um die Fehler in der Kaderplanung umfassend zu korrigieren.
Durch den Klassenverbleib greifen die millionenschweren Kaufverpflichtungen für Ömer Toprak, Davie Selke oder Leonardo Bittencourt. Vor allem Selke, der entgegen aller Hoffnungen sportlich nahezu keine Rolle spielte, dürfte Werder weh noch tun. Für den Stürmer, dem im Werder-Dress in dieser Saison kein Tor gelang, wird nach der kommenden Saison eine Ablösesumme von mindestens zehn Millionen Euro fällig - wenn Werder dann noch einmal die Klasse hält. Im Rückspiel gegen Heidenheim stand Selke nicht im Kader. Für Toprak werden vier Millionen Euro an Borussia Dortmund fällig, für Bittencourt darf sich die TSG Hoffenheim sogar über sieben Millionen Euro freuen.
Erst mal wollen die Werder-Verantwortlichen aber durchatmen. Dass 31 Punkte über den Umweg Relegation überhaupt zum Klassenerhalt gereicht haben, sorgte bei Mittelfeldspieler Davy Klaassen und seinen Mannschaftskollegen für "eine große Erleichterung". Ähnlich ging es auch Kohfeldt, der nach der späten Erlösung vorausblickte. "Es kann kein 'Weiter so' geben und es wird kein 'Weiter so" geben, das ist vollkommen klar', sagte der Coach. "Aber heute darf gefeiert werden."
Quelle: ntv.de, ter/dpa
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