Ein historischer Tag im US-Sport

  27 Auqust 2020    Gelesen: 486
Ein historischer Tag im US-Sport

Die Basketballstars gaben das Signal, zahlreiche Profis aus anderen Ligen schlossen sich an: Mit dem Bestreiken des Spielbetriebs haben die Proteste im US-Sport gegen Polizeigewalt einen neuen Höhepunkt erreicht.

Dieser 26. August 2020 wird in Nordamerikas Sportgeschichte eingehen. Als Tag, an dem Athletinnen und Athleten aus vier verschiedenen Ligen landesweit ein deutliches Zeichen gesetzt haben. An dem Sportlerinnen und Sportler der Basketball-Liga NBA, der Frauen-Liga WNBA, der Major League Baseball und der Major League Soccer unterstützt von ihren Vereinen klar gemacht haben, dass Worte nicht mehr ausreichen, um Dinge zu verändern, die dringend verändert werden müssen. Doch dieser 26. August 2020 ist auch der Tag, an dem es die Eishockey-Liga NHL verpasst hat, die Zeichen der Zeit zu erkennen und sich klar gegen Rassismus zu positionieren.

Den Anfang machten die Milwaukee Bucks. Während sich Gegner Orlando Magic in der Halle in Lake Buena Vista (Florida) auf das sechste Spiel der Playoff-Serie gegen die Bucks vorbereitete, blieb das Team um Superstar Giannis Antetokounmpo einfach in der Kabine. Aus dem Gerücht, das beste Team der NBA-Vorrunde werde das Spiel boykottieren, wurde bald Gewissheit. Geschlossen traten die Bucks vor die Kamera und erklärten, dass "der Fokus heute nicht auf Basketball liegen” könne.

Die Schüsse von Polizisten auf den Jacob Blake in ihrem Bundesstaat Wisconsin sowie die Unruhen in den vergangenen Tagen haben die Spieler tief bewegt. Der Ort der Tat, die Stadt Kenosha, liegt 45 Autominuten südlich von Milwaukee. "Wenn wir auf den Platz gehen und Milwaukee sowie Wisconsin repräsentieren”, heißt es in der Mitteilung, "wird von uns erwartet, das Maximum zu geben und rechenschaftspflichtig zu sein.” Und genau dies verlange man nun auch vom Gesetzgeber und der Polizei.

Die Wucht der Worte von LeBron James
Knapp 20 Minuten später meldete sich LeBron James zu Wort. "Scheiß’ drauf, man. Wir wollen Veränderung. Ich habe es satt”, twitterte der Superstar der Los Angeles Lakers. Worte, so wuchtig, wie seine Slamdunks. Die beiden weiteren NBA-Spiele des Tages, Houston gegen Oklahoma und Portland gegen die Lakers, fanden ebenfalls nicht statt. Alle drei Partien würden neu angesetzt werden, teilte die NBA mit. Doch wann, ist noch unklar. Am Abend trafen sich Spieler und Trainer, um das weitere Vorgehen zu beraten. Die Gespräche sollen heute fortgesetzt werden. Selbst ein Abbruch der Saison scheint nicht ausgeschlossen.

Knapp 160 Kilometer südwestlich, in Bradenton, ließen die Spielerinnen der WNBA ebenfalls die Basketbälle liegen. Die drei geplanten Begegnungen des Abends wurden verschoben. "Wir wissen, dass es für unsere Spielerinnen eine sehr emotionale Zeit ist. Sie sind jung und versuchen, ihre Stimmen zu finden”, sagte Liga-Commissioner Cathy Engelbert bei ESPN. Sie stand in der Halle und unterhielt sich mit den Spielerinnen. Engelbert hörte interessiert zu, gab aber auch Ratschläge. "Ich habe ihnen gesagt, dass Basketball ein Teil ihrer Plattform sei. Dass sie spielen und zugleich protestieren können. Aber sie haben entschieden, nicht zu spielen. Wir unterstützen die Entscheidung uneingeschränkt”, so Engelbert.

"Aktionen sind lauter als Worte"
Auch in der Baseball-Profiliga MLB schlossen sich sechs Teams dem Boykott der Basketballer an. Als die Spieler der Milwaukee Brewers drei Stunden vor ihrer Heimpartie gegen die Cincinnati Reds von der Aktion der Bucks im fernen Florida hörten, hätten sie sich "inspiriert und motiviert gefühlt”, sagte First Baseman Ryan Braun. Es folgte eine Mannschafts-Sitzung und die Entscheidung, nicht zu spielen. "Ab einem bestimmten Punkt sind Aktionen lauter als Worte”, so Braun. Unterstützung bekam er von oberster Vereinsseite. Man müsse eine Pause einlegen und die Ereignisse reflektieren, die in der lokalen Gemeinschaft und dem Land so viel Schmerz und Not verursachen würden, twitterte der Klub. In der MLS fielen fünf der sechs Mittwoch-Spiele wegen des Boykotts aus.

Die NHL hingegen ging, wie so oft, ihren eigenen, bequemen Weg. Dabei hätte sie die Chance gehabt, die Abendspiele Boston gegen Tampa Bay und Colorado gegen Dallas zu verschieben. Stattdessen begnügte sich die Liga mit dem Verlesen eines Statements. "Die NHL möchte diesen Augenblick nutzen, um Jacob Blake und seiner Familie alles Gute zu wünschen”, hieß es unter anderem. Des weiteren rief die NHL ihre Fans auf, "für soziale Gerechtigkeit und das Bemühen aufzustehen, Rassismus ein Ende zu setzen.” In Toronto dauerte diese Botschaft vor dem Spiel Boston gegen Tampa Bay 27 Sekunden. Dann hieß es: "back to business.”

In den sozialen Netzwerken gab es dafür reichlich Kritik. Und auch der langjährige NHL-Torwart und jetzige Fernseh-Experte Kelly Hrudey war verärgert. "Wir sollten  einfach mehr für Black Lives Matter tun. Die NHL verpasst hier etwas. Dies wäre ein wichtiger Abend für viele Familien, um über dieses Thema zu diskutieren.”

Der Protest im US-Sport gegen Rassismus hat mit diesem 26. August dennoch einen neuen Höhepunkt erreicht. Angefangen hatte es vor vier Jahren, als sich NFL-Star Colin Kaepernick dem Aufstehen bei der Nationalhymne verweigerte, auf der Bank sitzenblieb und damit erstmals öffentlich für Aufsehen sorgte. Das war am 26. August.

spiegel


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