Die Pandemie-Daten sprechen eine klare Sprache: Nach Monaten immer neuer Rekorde bei der Gesamtzahl der weltweit erfassten Coronavirus-Infektionen zeichnen sich bemerkenswerte Veränderungen ab. Das Tempo, mit dem sich der Erreger der potenziell tödlichen Covid-19-Erkrankung über alle Kontinente hinweg ausbreitet, scheint sich nach der Phase des rapiden Anstiegs nahezu über alle Weltregionen hinweg zu verlangsamen.
Noch ist es viel zu früh, um von einer sicheren Trendwende zu sprechen. Doch die Hinweise auf eine veränderte Dynamik sind in vielen Ländern nicht mehr zu übersehen. In den Vereinigten Staaten zum Beispiel geht die Zahl der landesweit erfassten Neuinfektionen bereits seit Wochen deutlich zurück. Der vorläufige Höhepunkt war dort Mitte Juli erreicht, als nach Zählung der "New York Times" in der Spitze mehr als 76.000 Neuinfektionen hinzukamen.
Die Schwerpunkte des Infektionsgeschehens verlagern sich seitdem immer tiefer hinein in die dünner besiedelten Regionen des Mittleren Westen. Bevölkerungsreiche Bundesstaaten wie Kalifornien, Texas oder Florida verzeichnen seit Juli ebenfalls rückläufige Trends bei der Anzahl neu entdeckter Fälle. Und im Großraum New York City - dem wichtigsten Brennpunkt aus der Frühphase der Covid-19-Pandemie in den USA - verharren die Fallzahlen vergleichsweise stabil auf niedrigem Niveau.
Bekommt die Menschheit die globale Virus-Krise in den Griff? Bisher liefern die Daten lediglich Anzeichen für eine neuerliche Abschwächung. Eine Garantie für eine Wende zum Besseren ist das noch nicht. In den USA zum Beispiel mündete der Rückgang nach den ersten großen Ausbrüchen im April in eine mehrere Wochen anhaltende Plateauphase - nur um dann mit viel größerer Wucht weitere Bevölkerungsschichten zu erfassen. Neu ist diesmal jedoch, dass weltweit mehrere große Pandemieregionen gleichzeitig weniger neue Fälle hervorbringen.
Niveau bei Testungen ist unterschiedlich
Im weltweit bislang am zweitschwersten getroffenen Land Brasilien steigt die Zahl der täglich gemeldeten Neuinfektionen schon seit Ende Juli nicht mehr weiter an. Im Schnitt melden die Behörden dort derzeit noch etwa 37.000 neue Coronavirus-Fälle pro Tag. Das sind fast 10.000 Infizierte pro Tag weniger als während der Hochphase der ersten brasilianischen Ansteckungswelle Ende Juli. In der Spitze kamen damals in der amtlichen Covid-19-Statistik Brasiliens knapp 70.000 Patienten binnen eines Tages hinzu.
Sicher: Die Meldedaten einzelner Länder alleine bieten natürlich keine belastbare Grundlage, um daraus auf eine weltweite Veränderung des Pandemiegeschehens zu schließen. Gerade abseits der Industrienationen ist in den Schwellen- und Entwicklungsländern das Risiko hoch, dass die Masse der Infektionen von einem lückenhaften oder unzureichend ausgestatteten Gesundheitssystem überhaupt nicht erkannt werden. Und längst nicht jedes Land testet die Bevölkerung in einem Umfang, der nach Maßgabe der Virologen erforderlich wäre, um ein weitgehend vollständiges Bild von der Lage zu erhalten.
Doch in der Summe der weltweit gemeldeten Coronavirus-Infektionen entstehen zur Einschätzung der globalen Lage zumindest Anhaltspunkte auf vergleichbarer Basis. Und hier stimmen die Zahlen der Weltgesundheitsorganisation WHO, der US-Seuchenkontrollzentren CDC und der europäischen Pandemie-Abwehr ECDC mit den Angaben privater Datenanbieter wie der Johns-Hopkins-Universität klar überein: Insgesamt nimmt die Zahl der neu entdeckten Infektionsfälle derzeit zumindest nicht mehr zu.
Damit einher geht: Auch die Pandemie-Dynamik mit immer kürzeren Abständen beim Überschreiten neuer Millionenwerte bei den Gesamtfallzahlen stabilisiert sich oder scheint sich gar leicht abzuschwächen, nachdem zuletzt nur noch 19 Tage zwischen dem Anstieg von 15 auf 20 Millionen bestätigte Fälle weltweit gelegen hatten.
Steuert die Welt damit auf eine neue Pandemie-Phase zu? Es gibt mehrere gute Gründe anzunehmen, dass sich die Lage im Vergleich zum Frühjahr tatsächlich fundamental verändert haben könnte. Da wäre zum einen der erzwungene Lernerfolg der Menschheit: Nahezu alle Staaten haben zum Schutz der Bevölkerung Corona-Auflagen erlassen und diese Vorgaben nach einer Phase des strikten Lockdowns bereits wieder vorsichtig gelockert. Fallbeispiele für gutes Pandemie-Management - und katastrophal schlechte Politik - gibt es mittlerweile reichlich. Einzelne Rückschläge, wie zuletzt in Spanien oder Frankreich, könnten sich - womöglich - nur als vorübergehendes Aufflackern erweisen.
Hoffnungsschimmer: Anteil der positiven Virus-Nachweise geht zurück
Dazu kommt, dass die Erfahrungen von Ärzten und Pflegekräften im Umgang mit Covid-19-Patienten von Tag zu Tag wächst. Weltweit stehen Virologen, Mediziner und Experten der öffentlichen Gesundheitsversorgung in einem intensiven Austausch. Teststrategien werden verfeinert, Kapazitäten ausgebaut, Maßnahmen nachjustiert. Wirtschaft und Öffentlichkeit richten sich notgedrungen immer besser in der "neuen Normalität" ein. Und zugleich liefert sich die Spitzenforschung ein globales Wettrennen um erste Erfolge bei der Entwicklung eines Anti-Corona-Medikaments und eines verlässlichen Impfstoffs.
Hinweise auf solide Erfolge bei der Eindämmung des Erregers sind auch in Deutschland erkennbar. In mehreren Bundesländern schwächt sich das Fallaufkommen bereits wieder ab. Im bundesweiten Trend der Neuinfektionen steigt der siebentägige Durchschnitt nicht mehr ungebrochen an. Sogar die Zahl der Regionen in Deutschland, in denen die Sieben-Tage-Inzidenz auf null fällt, klettert nach ihrem jüngsten Tiefpunkt wieder nach oben.
Am deutlichsten erkennbar wird der Hoffnungsschimmer jedoch in der Auswertungen der nationalen Testergebnisse. Seit Anfang August gehen bei den Laboren sehr viel mehr Proben ein als in den Wochen zuvor. Die Zahl der Coronavirus-Tests schwoll von weniger als 600.000 pro Woche auf zuletzt gut 980.000 an.
Mit der Ausweitung der Teststrategie - etwa auf heimkehrende Urlauber aus Risikogebieten - werden in absoluten Zahlen zwar insgesamt mehr Infizierte entdeckt. Der Anteil der positiven Virus-Nachweise geht zugleich aber erkennbar zurück. In der zurückliegenden Woche wurden nach Angaben des Robert-Koch-Instituts (RKI) nur noch in 0,88 Prozent aller getesteten Proben Spuren des Erregers nachgewiesen. Anfang August waren es noch genau 1,00 Prozent. Das heißt: Obwohl sehr viel mehr getestet wird, werden anteilig weniger neue Fälle nachgewiesen. Wenige Wochen vor Beginn der kühleren Jahreszeit - in der sich das Leben gezwungenermaßen wieder stärker in die Innenräume verlagert und die Fenster geschlossen werden müssen - ist das ein beachtlicher Zwischenerfolg. Besiegt ist das Virus damit aber noch lange nicht.
Quelle: ntv.de
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