Zika ist nicht für jeden harmlos

  01 März 2016    Gelesen: 833
Zika ist nicht für jeden harmlos
Das Nervenleiden Guillain-Barré tritt oft nach Virus-Infekten auf. Auch während der Zika-Epidemie häufen sich die Fälle. Eine Studie bestätigt den direkten Zusammenhang.
"Zika kann offiziell auf die Liste der Krankheiten gesetzt werden, die das Guillain-Barré-Syndrom auslösen", sagt Arnaud Fontanet. Um das so sagen zu können, haben der französische Epidemiologe von Institut Pasteur und sein Team das Blut von 42 Menschen aus Französisch-Polynesien untersucht, die an Guillain-Barré-Syndrom (GBS) erkrankt waren. Es stellte sich heraus: Sie alle hatten Zika-Antikörper im Blut. Sprich: Jeder von ihnen hatte eine Zika-Infektion durchgemacht (The Lancet: Cao-Lormeau et al., 2016).

Das Nervenleiden, das schwere Lähmungen zur Folge hat, trifft normalerweise nur ungefähr einen von 100.000 Menschen. Französisch-Polynesien hätte mit seinen etwa 270.000 Einwohnern also höchsten drei Erkrankte vorweisen dürfen. Nachdem Zika sich dort im Gepäck von Moskitos verbreitet hatte, waren es mehr als zehnmal so viele. Der Zusammenhang lag auf der Hand, denn dass GBS eine Folge von viralen und bakteriellen Infektionen ist, gilt als gesichert. Für Zika hatte das nur noch niemand untersucht – bis jetzt.

42 Fälle – für eine Studie wenig

42 Patienten. Das ist nicht viel, um gesicherte Erkenntnisse zu bekommen. Aber immerhin schließt die im Magazin The Lancet veröffentlichte Untersuchung alle bekannten Fälle in Französisch-Polynesien ein. "Mehr ist in diesem Fall gar nicht möglich gewesen", sagt Jonas Schmidt-Chanasit vom Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin in Hamburg, der nicht an der Studie beteiligt war. Außerdem sei der direkte Zusammenhang der beiden Krankheiten damit erstmals untersucht und bestätigt worden.

Das Ergebnis erklärt, warum GBS auch in Brasilien mit dem Ausbruch von Zika häufiger geworden ist. 2014 erkrankten noch 1.439 Menschen daran, 2015 waren es schon 1.708 – ein Anstieg von 19 Prozent. Auffällig waren vereinzelte besonders scher verlaufende Fälle. Drei Zika-Infizierte in Kolumbien sind vor wenigen Wochen an der Nervenerkrankung gestorben.

Gerechnet auf die große Anzahl der Menschen, die derzeit weltweit Zika haben – die meisten ohne Symptome – sei die Wahrscheinlichkeit, solche lebensbedrohlichen Lähmungen zu bekommen, trotz allem sehr gering, betont Fontanet.

Von Zika betroffene Länder
Epidemie, Zika-Virus, Verbreitung
Karibik: Jamaica, Barbados, Curaçao, Dominikanische Republik, Guadeloupe, Haiti, Jungferninseln, Martinique, Puerto Rico, Saint Martin; Zentralamerika: Aruba, Bonaire, Costa Rica, Nicaragua, El Salvador, Guatemala, Honduras, Panama; Südamerika: Französisch-Guayana, Guyana, Suriname; Pazifik (nicht auf der Karte): Samoa, Amerikanisch-Samoa, Tonga

"Mit den Zika-Fällen werden auch die GBS-Erkrankungen zunehmen. Die Verantwortlichen müssen sich trotzdem darauf vorbereiten", erklärt der Epidemiologe. Von denen, die das Nervenleiden tatsächlich erwischt, seien viele auf intensive Pflege angewiesen.
Das Syndrom zeigt sich zuerst durch Lähmungen in Armen und Beinen. Sie können auch die Lunge betreffen – schlimmstenfalls ersticken die Betroffenen. Etwa fünf Prozent der Patienten sterben, 20 Prozent bleiben langfristig gelähmt (New English Journal of Medicine: Yuki/Hartung, 2012 ).

1947 von Dengue-Forschern in Versuchsaffen entdeckt – in einem Wald namens Zika in Uganda – wurde das Virus fünf Jahre später im Menschen nachgewiesen. Die Mücken der Gattung Aedes übertragen es. Das geschieht zurzeit am häufigsten durch die GelbfiebermückeAedes aegypti.Diese ist in den Tropen und in den Subtropen verbreitet.

Es gibt zwei Linien des Virus: eine afrikanische und eine asiatische (Haddow et al., 2012 & Faye et al., 2014). Letztere löste bisherige Ausbrüche in Afrika, Amerika, Asien und der Pazifikregion aus (Enfissi et al., 2016). Sie alle waren überschaubar.

Aufmerksam auf den Erreger aus der Familie der Flaviviren wurden Virologen im Jahr 2007. Damals erkrankten mehr als 100 Menschen auf der Pazifikinsel Yap in Mikronesien. 2013 dann der nächste größere Ausbruch: In Französisch-Polynesien bekam rund ein Zehntel der Bevölkerung Zika. Zwei Jahre später trat das Virus in Brasilien auf und infizierte Millionen.

"Wenn man die aktuellen Entwicklungen der GBS-Erkrankungen in Südamerika beobachtet, kann man davon ausgehen, dass sich die Ergebnisse übertragen lassen", erklärt Fontanet. Es ist sicher: Die Viren dort und in Französisch-Polynesien gehören demselben asiatischen Stamm an. Geringfügig unterscheiden könnte sich der Erreger aus Lateinamerika trotzdem. Das sei noch nicht untersucht, sagt Schmidt-Chanasit.

Zika täuscht das Immunsystem. Nur wie?

Auch in einem weiteren Punkt sind die Forscher nicht weitergekommen: Sie wissen nicht, nach welchem Mechanismus das Zika-Virus GBS auslöst. Warum erkranken nicht alle Menschen, die den Infekt bekommen auch an dem Nervenleiden? Was unterscheidet die Betroffenen von den anderen?

Gängige Theorien zufolge müsste der Körper neben den Antikörpern gegen das Virus bestimmte Autoantikörper bildet, die fälschlicherweise Nervenzellen des eigenen Körpers angreifen, weil sie diese für Krankheitserreger halten. Genau die konnten die Forscher aber nur im Blut eines der 42 untersuchten Patienten finden. Womöglich verläuft die Krankheit als Folge des Zika-Virus also anders als man es bisher kennt. Genau das müssen die Forscher als nächstes klären.

Dass diese Studie genau jetzt herauskommt, da alle Welt über Zika spricht, war zumindest teilweise Zufall. Bereits im Dezember 2013 hatten die Forscher vom Institut Pasteur in Paris mit den sechs Monate dauernden Untersuchungen in Französisch-Polynesien begonnen. Mit der Auswertung dürften sie sich jetzt etwas beeilt haben.

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