Vor der Landtagswahl am 13. März reist Klöckner mit einem Bus durch alle Wahlkreise in Rheinland-Pfalz. Wo sie hält, trägt sie unterschiedliche Bausteine der immer gleichen Wahlkampfrede vor. An diesem Tag macht sie das insgesamt viermal. Überall sind die Räume und Säle voll. Abends in Kröv in der Nacktarschhalle sagt sie nach dem Hochdeutsch-Witz: "Das hat auch schon in Frankenthal geklappt." Die Botschaft funktioniert: Ich bin authentisch, ich spiele mit offenen Karten.
Vor sechs Jahren holte die rheinland-pfälzische CDU die damals 37-jährige Klöckner, um bei den Landtagswahlen gegen Ministerpräsident Kurt Beck von der SPD anzutreten. Es war wie so oft, wenn Frauen in der Politik auf einflussreiche Positionen kommen: Es gab keinen Mann mehr, der den Job machen wollte - zu zerstritten war der Landesverband. Klöckner übernahm nicht nur die Spitzenkandidatur, sondern auch den Landesvorsitz, das war ihre Bedingung. Seit 2002 hatte sie im Bundestag gesessen, seit 2009 war sie Staatssekretärin. Dennoch fehlte in keinem Porträt der Hinweis, dass sie 1995 zur deutschen Weinkönigin gekürt worden war. Klöckner galt als gut vernetzt und ambitioniert, zugleich als etwas provinziell. Ihre Attacken gegen Kurt Beck folgten dem Muster: junge Frau mit frechen Sprüchen gegen behäbigen alten Herrn.
Zwischen Merkel und Seehofer
In Frankenthal sagt Klöckner zur Begrüßung: "Ich darf Sie ganz lieb grüßen von Angela Merkel, ich war eben noch in Kontakt." Moment - hat Klöckner sich nicht mit einem "Plan A2" und mit einem offenen Brief von Merkels Flüchtlingspolitik distanziert? Sie bestreitet das. "Warum soll es immer ein Entweder-Oder, ein `Für die Person X` und ein `Gegen die Person Y` geben?", sagt sie im Interview mit n-tv.de. Merkel müsse Europa zusammenhalten und werde dabei von CSU-Chef Horst Seehofer unterstützt, sie selbst habe das "aus der Sichtweise der Kommunen" mit ihrem A2-Vorschlag ergänzt. Wer nur über die von der CSU geforderte und von Merkel abgelehnte Obergrenze rede, "unterfordert uns intellektuell". Im Interview distanziert sie sich nicht von Seehofer, weist aber darauf hin, dass ihr eigenes Konzept mit einer Obergrenze nichts zu tun habe.
Am Vorabend war Klöckner in Ludwigshafen mit Seehofer aufgetreten. Einen Widerspruch kann sie darin nicht erkennen. "Zu 99 Prozent sind sich CDU und CSU einig", sagt sie. Für Besucher aus dem fernen Berlin mag das mäßig überzeugend klingen. Immerhin hat Seehofer offen gelassen, ob seine CSU Merkel noch einmal als Kanzlerkandidatin unterstützen wird. Mit Blick auf Merkels Flüchtlingspolitik sprach er von einer "Herrschaft des Unrechts". Aber ihr Publikum findet Klöckners Darstellung völlig plausibel. "Man kann die Leut` ja nicht an den Grenzzäunen stehen lassen", sagt eine Dame beim Lady`s Lunch auf eine Frage des Journalisten. "Oder haben Sie eine bessere Lösung? Sehen Sie."
In Lambsheim legt Klöckner einen Zwischenstopp an einem Gasthaus ein, das bei besserem Wetter als Beach Bar firmiert. Sie schüttelt Hände, strahlt die Leute an, und die strahlen zurück. Nur sehr wenige wenden sich genervt ab. Die meisten drängeln auf die Terrasse, um besser sehen und hören zu können.
Die Wahl 2011 gewann Klöckner nicht, was nur zum Teil an Fukushima lag. Sie war eine ehemalige Weinkönigin, keine künftige Ministerpräsidentin. Zwar legte die CDU leicht zu und die SPD verlor stark. Doch mit den Grünen konnten die Sozialdemokraten weiterregieren. Nachdem Kurt Beck sein Amt zwei Jahre nach der Wahl abgegeben hatte, dachten viele, nun werde Klöckner ein Problem haben: Gegen eine Frau wie Malu Dreyer würden freche Sprüche nicht mehr reichen.
Doch Klöckner veränderte ihren Stil, sie wurde ruhiger. Mit Erfolg: Noch im November 2015 lag die CDU in Umfragen um bis zu elf Punkte vor der SPD. Seither hat die Union verloren und die SPD leicht zugelegt. Das sicher geglaubte Ende der 25-jährigen SPD-Herrschaft in Rheinland-Pfalz ist ins Wanken geraten.
Standardsicherung mit der "Gretchenfrage der Integration"
Bei ihren Auftritten spricht Klöckner immer über Flüchtlingspolitik, aber niemals ausschließlich. Wenn sie es tut, transportiert sie mehrere Botschaften gleichzeitig. Mit der ersten ist sie schnell fertig: Politisch Verfolgte hätten natürlich ein Recht auf Asyl, aber die Zahl der Flüchtlinge müsse reduziert werden. Dann spricht sie darüber, dass es in Deutschland kein Chaos gebe und die Integration in den allermeisten Fällen gelinge.
Über die Minderheit, wo dies nicht klappt, spricht sie recht lange. Eine ihrer zentralen Forderungen im Wahlkampf ist ein Integrationspflichtgesetz. Sie hat eine Anekdote, mit der sie diesen Punkt untermauert, "Sie kennen die Geschichte vielleicht schon". Bei einem Besuch in einer Erstaufnahmeeinrichtung habe ein Imam ihr einmal ausrichten lassen, dass er ihr nicht die Hand geben könne. Sie habe das Gespräch daraufhin abgesagt. "Wenn er mir ausrichten lässt, ich wär` eine Frau und er könnt` mir die Hand nicht geben, dann ist er wohl im falschen Land", sagt sie in Landstuhl. Für solche Sätze bekommt Klöckner zuverlässig Beifall.
Klöckner spricht auch darüber, dass die Landesregierung empfehle, muslimische Mädchen sollten eine "Schwimm-Burka" tragen dürfen, oder dass es die Empfehlung gebe, eine Klassenlehrerin könne sich beim Elternsprechtag von einem männlichen Kollegen vertreten lassen, wenn muslimische Väter kämen. "Wenn Männer nicht bereit sind, Frauen als Chefinnen zu akzeptieren, dann ist heute schon klar, dass ihre Integration in den Arbeitsmarkt nicht gelingen wird." Applaus gibt es auch, wenn Klöckner die AfD kritisiert - und betont, dass man, anders als Dreyer, dennoch mit ihr reden müsse. Eine Partei, die Homosexuelle zählen wolle und auf einen Schießbefehl setze, "die brauchen wir nicht".
Die Frauenfrage nennt Klöckner "die Gretchenfrage der Integration". Nie vergisst sie, darauf hinzuweisen, dass die Gleichberechtigung von Frauen auch in Deutschland keine Selbstverständlichkeit ist. Im Bus, auf der Fahrt zwischen zwei Wahlkampfauftritten, nennt Klöckner das Standardsicherung. In ihren Wahlkampfreden sagt sie: "Was wir erreicht haben, sollten wir nicht aufgeben aus falsch verstandener Toleranz." Man kann davon ausgehen, dass es ihr Spaß macht, solche Sätze nicht nur beim Lady`s Lunch, sondern auch vor überwiegend männlichem Publikum fallen zu lassen. Als Klöckner den Männern mit Blick auf die Gleichberechtigung dankt, "dass ihr das geschafft habt", erntet sie die erwarteten Lacher. Ohne Pointe geht es auch bei diesem Thema nicht.
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