Auch im Entwurf des Gipfelbeschlusses ist von einer Zahlung von sechs Milliarden Euro die Rede. Außerdem ist die EU offen für die Aufnahme syrischer Flüchtlinge direkt aus der Türkei, wie aus dem Entwurf hervorgeht. Das Dokument enthält den Vorschlag, dass die Türkei alle illegal Eingereisten von den griechischen Inseln zurücknehmen soll, auch solche aus Syrien. Die EU soll im Gegenzug für jeden von den Inseln in die Türkei abgeschobenen Syrer einen Syrer direkt aus der Türkei aufnehmen. Außerdem soll die EU die Visa-Pflicht für Türken im Schengenraum bis Ende Juni und damit früher als geplant lockern.
Aus den Reihen der EU-Staaten kamen sofort Bedenken an den neuen Forderungen. Die EU hatte bereits im vergangenen November drei Milliarden Euro zur besseren Versorgung syrischer Bürgerkriegsflüchtlinge in der Türkei zugesagt. Die EU-Staaten stritten aber lange intern über die Lastenteilung. Erst Monate später gab es eine konkrete Abmachung. Schulz sagte, das frische Geld werde von Ankara ebenfalls für die Flüchtlinge im Land gefordert. Nach Schätzungen gibt es dort 2,7 Millionen Flüchtlinge.
Laut Schulz muss sich die EU erneut an die Arbeit machen, das Geld zusammenzubekommen. Das Europaparlament, das beim EU-Haushalt ein Mitspracherecht hat, sei dazu bereit. Der österreichische Finanzminister Hans Jörg Schelling sagte am Rande der Eurogruppe, die EU habe eine Zusage für eine Finanzierung der drei Milliarden Euro gegeben. "Ich bin nicht bereit, darüber hinaus Mittel zur Verfügung zu stellen, so lang nicht die Belastungen, die Länder wie Deutschland, Schweden, Österreich tragen, auch abgegolten werden", sagte der Wiener Minister.
Erdogan fordert Geld
EU-Ratschef Donald Tusk hatte das Programm des Gipfels zuvor wegen der neuen türkischen Vorschläge umgestellt. Es solle ein Abendessen mit dem türkischen Ministerpräsidenten Ahmet Davutoglu geben, berichten Diplomaten in Brüssel, um dessen "neuen und ehrgeizigen Ideen" zu diskutieren. Gleichzeitig hieß es, dass die Türkei auch mehr Entgegenkommen fordere.
Laut dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan wartet das Land weiterhin vergeblich auf die von der EU im November zugesagte Finanzhilfe. "Sie haben gesagt, wir geben Euch drei Milliarden Euro Unterstützung", sagte Erdogan in Ankara. "Vier Monate sind vergangen, sie haben sie uns immer noch nicht gegeben." Erdogan fügte mit Blick auf die Teilnahme von Ministerpräsident Ahmet Davutoglu am EU-Gipfel hinzu: "Der geehrte Ministerpräsident ist gerade in Brüssel. Ich hoffe, er kommt mit dem Geld zurück."
Bereits zuvor war innerhalb der EU ein offener Streit ausgebrochen. Bundeskanzlerin Angela Merkel wehrte sich gegen die Forderung, die Balkanroute zu schließen. "Es kann nicht sein, dass irgendetwas geschlossen wird", sagte sie in Brüssel. Merkel wandte sich damit gegen eine Formulierung in der vorbereiteten Gipfel-Erklärung, wonach die Flüchtlingsroute über den westlichen Balkan nun "geschlossen" sei. Dem widersprach der österreichische Bundeskanzler Werner Faymann: "Ich bin sehr dafür, mit klarer Sprache allen zu sagen: Wir werden alle Routen schließen, die Balkanroute auch." Er fügte hinzu: "Die Schlepper sollen keine Chance haben."
"Schulter an Schulter"
Der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoglu sagte in Brüssel, er wolle "Schulter an Schulter" mit den EU-Vertretern "für die Zukunft unseres Kontinents" arbeiten. Er hoffe, dass der Gipfel "eine Erfolgsgeschichte" werde. Dazu dürfe dieser sich aber nicht nur mit der Flüchtlingsfrage befassen, sondern auch mit dem Prozess für den EU-Beitritt der Türkei.
Die EU hatte bereits Ende November mit der Türkei einen Aktionsplan in der Flüchtlingskrise vereinbart. Ankara verpflichtet sich dabei zu einem verstärkten Grenz- und Küstenschutz sowie zu einem entschlossenen Kampf gegen Schlepper, um die ungeregelte Einwanderung nach Europa zu stoppen. Die Maßnahmen hatten bisher aber wenig Erfolg, was für Kritik innerhalb der EU sorgte.
Im Gegenzug wurden Ankara drei Milliarden Euro für in der Türkei lebende Flüchtlinge zugesagt. Darüber hinaus eröffnete die EU ein weiteres Kapitel in den lange auf Eis gelegten Beitrittsverhandlungen und stellte die Eröffnung weiterer Verhandlungsbereiche in Aussicht. Bis zum Herbst soll zudem der Visa-Zwang für türkische Bürger in der EU fallen. Voraussetzung ist jedoch, dass Ankara ein bestehendes Rücknahmeabkommen für Flüchtlinge mit der EU im Juni vollständig in Kraft setzt.
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