In der Formel 1 gehören Unfälle dazu. Es ist ein Teil dieses gefährlichen Sports. In Bahrain kam es jedoch zum dramatischsten Crash seit vielen Jahren – seit dem Unglück von Jules Bianchi im Oktober 2014 in Suzuka, das letztlich tödlich endete. Trotz besorgniserregender Bilder ging der Unfall von Romain Grosjean verhältnismäßig glimpflich aus. Der Franzose krachte ausgangs der dritten Kurve nach einer Kollision mit Daniil Kwyat frontal in eine Leitplanke, sein Haas wurde in zwei Teile gerissen und explodierte in einem riesigen Feuerball. Im Krankenhaus diagnostizierten die Ärzte Verbrennungen zweiten Grades an den Händen. Der Verdacht auf einen Rippenbruch und Brüche an zwei Zehen bestätigten sich nicht. Grosjean bleibt über Nacht im Krankenhaus, aus dem er sich in den sozialen Medien an seine Fans wandte:
Wer die Bilder von dem Unfall gesehen hat, fragt sich, wie sich Grosjean mit solch geringen Verletzungen aus seinem Rennwagen retten konnte. Die Sicherheitsmaßnahmen in der Formel 1 wurden in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten sukzessive verbessert. Davon hat der 34-Jährige, der sich als Vizepräsident der Fahrergewerkschaft GPDA für die Sicherheit in der Formel 1 einsetzt, profitiert.
An erster Stelle ist da die ursprünglich umstrittene Einführung des Halo-Systems nach dem Bianchi-Unfall zu nennen: Der vor allem aus ästhetischen Gründen kritisierte Kopfschutz rettete Grosjean, als sich das Vorderteil des Autos durch die sich öffnende Leitplanke schob. Sky-Experte Ralf Schumacher sagte dazu: »Danke an Halo. Ohne Halo wäre der Fahrer hier wohl geköpft worden.« Der französische TV-Kommentator Julien Febreau soll während des Rennens eine Mitteilung von Bianchis Mutter erhalten haben: »Was damals durch den Tod meines Sohnes angestoßen wurde, hat heute seinen Freund Romain gerettet.«
RTL-Experte Christian Danner wies noch auf andere Punkte hin: Die immer stabileren Überrollbügel und vor allem die extrem steifen Monocoque-Zellen. Dabei handelt es sich um das aus Kohlefaser- und Aluminium-Waben gebaute Fahrgestell, das bei Kollisionen die hohen Kräfte absorbiert. Im Fall des Haas-Piloten wurde das Auto durch die ungeschützte Leitplanke zwar in zwei Teile geteilt – die eigentliche Überlebenszelle hielt dem Aufprall jedoch stand.
Ungewöhnlich war die starke Feuerentwicklung. »Dadurch, dass der gesamte hintere Teil abgetrennt wurde, lag die Tankblase völlig frei«, erklärte der ehemalige F1-Konstrukteur und heutige TV-Experte Gary Anderson. »Dazu kommt, dass sich in dieser Region des Autos auch noch die unter Hochspannung stehenden Batterien befinden – das ist natürlich eine kritische Mischung.«
Dass das Feuer keine katastrophalen Folgen hatte, obwohl Grosjean insgesamt 27 Sekunden den Flammen ausgesetzt war, ehe er sich selbst aus dem Auto befreien und über die Leitplanke in Sicherheit bringen konnte, hat ebenfalls Gründe: Die Anforderungen an die Overalls wurden im Laufe der Zeit immer weiter erhöht, zuletzt noch einmal vor Beginn dieser Saison, als eine zusätzliche Schicht feuerfesten Materials obligatorisch wurde.
Die Streckenposten mit Feuerlöschern und der Rennarzt Ian Roberts, im von Ex-Rennfahrer Alan van der Merwe gesteuerten Medical Car, waren sehr schnell zur Stelle. Haas-Teamchef Günther Steiner lobte die Helfer: »Wenn man so was sieht, hofft man einfach nur, dass er Glück gehabt hat. Du hast Angst, wenn du nicht siehst, ob er aus dem Auto raus ist. Die Fia und die Marshalls haben einen tollen Job gemacht.«
Van der Merve war im ersten Moment geschockt über die Szene vor seinen Augen: »Das war auch für uns eine sehr große Überraschung«, sagte der Südafrikaner. »In zwölf Formel-1-Jahren habe ich kein so großes Feuer und einen Unfall wie diesen gesehen. Es dauerte einen Moment, um zu begreifen, was los war. Ich bin mir sicher, dass es nur eine Sekunde oder so war, aber es fühlte sich wie eine Ewigkeit an. Und dann hat Romain sich selbst befreit, was ziemlich unglaublich ist nach einem solchen Unfall.« Van der Merwe betonte: »Wir waren erleichtert, als wir zurückkamen und sahen, dass er weitgehend okay ist. Es zeigt, dass alle Sicherheitssysteme, die entwickelt wurden, funktioniert haben – der Halo, die Sicherheitsgurte – alles funktionierte, wie es sollte. Ohne eines dieser Dinge hätte es auch ganz anders ausgehen können.«
Grosjean konnte sich selbst befreien
Es kamen sehr viele glückliche Umstände zusammen. Der Unfall hätte trotz der funktionierenden Sicherheitssysteme tödlich enden können, wenn Grosjean das Bewusstsein verloren hätte. So konnte er sich selbst befreien und keiner der Streckenposten musste den Gurt öffnen und Grosjean aus dem Feuer zerren. Das hätte vermutlich viel länger gedauert. Was dabei auch eine Rolle spielt: Die Anforderung des Weltverbands Fia, dass die Fahrer – trotz Halo – immer in der Lage sein müssen, innerhalb von sieben Sekunden aus dem Auto zu kommen. Was regelmäßig geübt und auch überprüft wird.
Zwei Fragen werden sich die Formel 1 und die Fia allerdings stellen müssen: Warum stand an dieser Stelle eine ungeschützte Leitplanke in diesem Winkel zur Strecke? Warum gab es da keinen Schutz durch Reifenstapel oder die speziell für solche Zwecke entwickelten Kunststoff-Elemente, die sogenannten TecPro-Barrieren?
Eine Diskussion, ob das Rennen überhaupt neu gestartet werden würde, gab es nicht: Trotz der dramatischen Bilder: Grosjean kam mit nicht allzu schweren Verletzungen davon, die Sicherheit der Strecke war wieder hergestellt, vielleicht sogar leicht verbessert, als die zerstörte Leitplanke durch Betonelemente ersetzt wurde. Und auch wenn die Fahrer während der über einstündigen Unterbrechung immer wieder mit einer Mischung aus Entsetzen über den Crash und Erleichterung über den glimpflichen Ausgang auf die Fernsehbilder starrten: Auch für sie war das Weitermachen normal. »Wenn ich ins Auto steige, dann weiß ich, dass ich Risiken eingehe«, sagte Weltmeister Lewis Hamilton. »Aber ich hoffe, das ist ein Weckruf für alle, dass dieser Sport immer noch sehr gefährlich ist. Es hätte auch viel schlimmer ausgehen können.«
spiegel
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