»Maduro will mit der Wahl die Opposition endgültig eliminieren«

  06 Dezember 2020    Gelesen: 309
»Maduro will mit der Wahl die Opposition endgültig eliminieren«

Die Opposition entmachtet, die Wirtschaft im freien Fall: Nicolás Maduro regiert Venezuela weiter autoritär. Die Parlamentswahl wird daran nichts ändern - könnte aber eine erneute Massenflucht auslösen.

Es war einer dieser typischen Auftritte des Präsidenten: Vorlaut, provokativ, ein bisschen zu viel Pathos. Im dunkelroten Hemd und mit gefalteten Händen saß Nicolás Maduro am Dienstag bei einer Veranstaltung mit Jugendlichen.

Er werde seinen Job aufgeben, sollte die Opposition am Sonntag die Wahl zur Nationalversammlung von Venezuela ein weiteres Mal gewinnen, sagt Maduro. »Wenn wir siegen, geht es vorwärts, wenn die Opposition noch mal gewinnt, bleibe ich nicht. Dann verlasse ich den Präsidentenpalast«, behauptete er. Die jungen Zuhörer sprangen auf und applaudierten. 

»Das ist purer Zynismus«, kommentiert Alberto Barrera Tyzka diesen Auftritt. Maduro und seine Getreuen seien skrupellos, wenn es um den Erhalt ihrer Macht gehe, und würden diese niemals wieder hergeben, sagt der venezolanische Schriftsteller. Und das werde sich am Sonntag deutlich zeigen.

Die Neuwahl des Parlaments sei »eine Farce und Teil des venezolanischen Wahnsinns«. Es könne keine Überraschungen geben, denn es gäbe nichts zu wählen, schließlich seien die einzigen Widersacher auf den Wahllisten diejenigen, die von der Regierung eingesetzt wurden. »Maduro will mit der Wahl die Opposition endgültig eliminieren«, sagt Barrera Tyzka.

Tatsächlich spricht alles dafür, dass nach dem 6. Dezember mit dem Parlament die letzte frei gewählte Institution, die seit 2015 von der Opposition dominiert wird, gleichgeschaltet sein wird:

Die Anti-Maduro-Allianz um ihre Führungsfiguren Juan Guaidó und Henrique Capriles boykottiert die Abstimmung. Der Grund: Es gibt keine Garantien für freie und faire Wahlen.

Dieser Auffassung haben sich auch die Europäische Union und die USA angeschlossen.
Die EU wollte eine Verschiebung der Abstimmung erreichen, was die Regierung in Caracas mit dem Argument ablehnte, dass die Legislaturperiode nun mal Anfang Januar ablaufe.

Tatsächlich können Maduro und seine Gefolgsleute kaum erwarten, die letzte widerspenstige Bastion zu schleifen. Die vor fünf Jahren gewählte Nationalversammlung ist bis heute das letzte politische Gegengewicht zum autoritären Machtapparat Maduros.

Zwar wurden in den vergangenen Jahren die Kompetenzen des Parlaments durch Regierung und regimetreue Justiz nach und nach beschnitten, aber es blieb dennoch eine demokratische Institution, die auch als Ansprechpartner für weite Teile der internationalen Gemeinschaft diente. Als sich dann ihr frisch gewählter Vorsitzender Guaidó Anfang 2019 zum legitimen Staatschef Venezuelas erklärte und in der Folge versuchte, Maduro zu stürzen, schien ein Ende der Chavisten nach 20 Jahren an der Macht tatsächlich möglich.

spiegel


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