Barnier will Entscheidung bis Mittwoch

  08 Dezember 2020    Gelesen: 494
  Barnier will Entscheidung bis Mittwoch

Die Zeit für einen Brexit-Deal wird knapp: EU-Kommissionschefin von der Leyen spricht mit dem britischen Premier Johnson über ein Handelsabkommen. Laut EU-Unterhändler Barnier bleiben nur noch wenige Tage.

Noch gut drei Wochen, dann ist das Jahr vorbei – und die Brexit-Übergangsfrist endet. Wie werden die Beziehungen zwischen Großbritannien und der Europäischen Union danach aussehen? Eine Einigung sollte es längst geben, doch noch immer gibt es gravierende Differenzen, noch immer diskutieren beide Seiten über ein Handelsabkommen für die Zeit nach dem Brexit. Michel Barnier, der Vertreter der europäischen Seite, will vor dem letzten regulären EU-Gipfel des Jahres am Donnerstag und Freitag eine Entscheidung herbeiführen.

In einer Unterrichtung für Europaabgeordnete sagte er nach Teilnehmerangaben, noch bis diesen Mittwoch könne verhandelt werden. Das berichteten unter anderem die Nachrichtenagentur dpa und der irische Sender RTE. Barnier verhandelt nach einer kurzen Gesprächspause seit Sonntag wieder in Brüssel mit seinem britischen Kollegen David Frost. Bei den Verhandlungen gibt es noch immer drei zentrale Streitthemen:

faire Wettbewerbsbedingungen
Kontrolle eines künftigen Abkommens
Fangrechte für EU-Fischer in britischen Gewässern
London schließt Verhandlungen bis ins nächste Jahr aus
Die britische Seite schwankt zwischen Gesprächsbereitschaft und Fristdrohungen. »Wir sind bereit, solange zu verhandeln, wie die Zeit reicht, wenn wir denken, ein Abkommen ist noch möglich«, sagte ein Sprecher von Premierminister Boris Johnson. Mit Blick auf eine Verlängerung der Gespräche ins nächste Jahr hinein betonte er aber: »Ich kann das ausschließen.« Sollte die EU in den strittigen Punkten nicht nachgeben, sei es aus Johnsons Sicht »nicht möglich, ein Abkommen zu erreichen«, sagte der Sprecher.

Großbritannien habe bereits mehrfach deutlich gemacht, dass es eine Verlängerung der Übergangsperiode nach dem Brexit ablehne, sagte der Sprecher. Auf Nachfrage schloss er auch die Fortsetzung der Verhandlungen im neuen Jahr auf Grundlage einer provisorischen Vereinbarung mit der EU aus, um einen harten Bruch zwischen den beiden Seiten zu vermeiden.

Brexit-Gegner hatten gehofft, dass im Falle eines Scheiterns der aktuellen Gespräche mit einer solchen Lösung ein No-Deal-Brexit verhindert werden könnte.

Großbritannien war zum 1. Februar aus der EU ausgetreten. Bis Jahresende bleibt es aber noch im EU-Binnenmarkt und in der Zollunion. Diese Übergangsphase wollten beide Seiten eigentlich nutzen, um ein Handelsabkommen auszuhandeln. Die Gespräche kommen aber seit Monaten kaum voran. Inzwischen ist die Zeit für eine rechtzeitige Ratifizierung eines möglichen Abkommens bis zum 1. Januar schon äußerst knapp.

Angesichts der verfahrenen Lage wollten EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Johnson am Montagnachmittag erneut über die Aussichten weiterer Verhandlungen beraten.

EU-Parlament: Linken-Fraktionschef sieht große »No-Deal-Wahrscheinlichkeit«
Wegen des enormen Zeitdrucks äußern sich Brexit-Experten im Europaparlament zunehmend ungehalten. »Dass das Parlament die Katze im Sack kaufen muss, ist völlig inakzeptabel«, sagte Linken-Fraktionschef Martin Schirdewan der Nachrichtenagentur dpa. Es gebe Forderungen, einen Bruch ohne Vertrag zum Jahreswechsel zu akzeptieren und danach die Verhandlungen ohne Zeitdruck neu anzusetzen, sagte Schirdewan. »Ich halte das nicht für den schlechtesten Weg, wenn man sieht, dass bisher nur ein schlechtes Abkommen möglich scheint.«

Schirdewan gehört zur Brexit-Koordinationsgruppe im EU-Parlament und wurde am Montag vom EU-Unterhändler Barnier über den Stand der Verhandlungen informiert. »Die No-Deal-Wahrscheinlichkeit ist größer als die Deal-Wahrscheinlichkeit«, konstatiert Schirdewan. Selbst bei einem sofortigen Verhandlungserfolg könnte ein Vertrag in einer offiziellen Fassung erst am 23. Dezember ins Parlament eingebracht werden. Dauert es noch einige Tage, wäre der erste Termin der 27. Dezember. Das lasse keine gründliche Prüfung zu. »Ich halte das für sehr problematisch«, sagte Schirdewan.

spiegel


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