Bund will Länder bei Novemberhilfen in die Pflicht nehmen

  08 Dezember 2020    Gelesen: 358
Bund will Länder bei Novemberhilfen in die Pflicht nehmen

Die Bundesregierung will vom Lockdown betroffenen Unternehmen höhere Abschlagszahlungen von bis zu 100.000 Euro zukommen lassen – unter einer Bedingung: Die Finanzbehörden der Länder sollen nach Betrügern fahnden.

Für manche Restaurantbesitzer oder Hoteliers ist es ein wahrer Geldsegen, den der Staat für November und Dezember verteilen will: 75 Prozent des Monatsumsatzes, so haben Bundesfinanz- und Wirtschaftsminister versprochen, sollen sie für die Einnahmeausfälle bekommen, die sie durch die erzwungene Schließung ihrer Betriebe erleiden. Doch die Auszahlung der Hilfsgelder ist kompliziert, eine eigene Software musste programmiert werden, weshalb die im November beantragten Gelder auch im November noch nicht geflossen sind.

Deshalb gab es für die meisten Antragssteller als Schnellhilfe erste Abschlagszahlungen von 5000 bis 10.000 Euro. Doch das reicht vielen nicht. Die Interessenverbände laufen Sturm. Jetzt will der Bund weitere Abschlagszahlungen nachschießen. Nach SPIEGEL-Informationen könnten es bis zu 100.000 Euro sein, die das staatliche Datensystem möglichst noch in diesem Monat automatisch überweisen soll – pro Unternehmen. Doch vor allem im Bundeswirtschaftsministerium macht man sich Sorgen, dass Betrüger die kurzfristige Generösität des Staates ausnutzen könnten.

Deshalb hat Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) seinen Länderkollegen eine Auflage zur Bedingung gemacht: Sie sollen mehr als zehn Prozent aller sogenannter November- und Dezemberhilfen, die in der nächsten Zeit ausbezahlt werden, von Sachbearbeitern in ihren Finanzbehörden nachkontrollieren lassen. »Wir können es uns nicht erlauben, so wie der Finanzsenat in Berlin in die Schlagzeilen zu kommen, weil sich Betrüger die Hilfen im Frühjahr erschlichen haben«, heißt es aus Altmaiers Ressort zum SPIEGEL.

Der Bund hatte bei den Umsatz-Erstattungen den Ländern zugesagt, die Abwicklung zu übernehmen. Dafür musste innerhalb von wenigen Wochen eine eigene Software entwickelt werden. Doch die kann automatisch Abschlagszahlungen ausgeben, nicht aber die kompletten November- und Dezemberhilfen berechnen. Dafür sind Angaben aus den Finanzbehörden der Länder nötig, etwa die Umsatzsteuer der betreffenden Firma oder die gezahlten Kurzarbeitergelder, die wiederum von der bewilligten Summe abgerechnet werden. »Leider sind das in vielen Ländern eigene Computersysteme«, sagt ein mit dem Vorgang vertrauter Ministerialbeamter. Und er fügt an: »Wir müssen hier für die ganze Republik eine Software aufbauen, die die Länder in Jahren nicht eingerichtet haben.«

Die Folge ist ein Stau bei der Auszahlung der dringend benötigten Gelder. Ursächlich trägt dafür Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) die Verantwortung. Denn der hatte sich die neue Systematik der Umsatzerstattung ausgedacht und mit dem bisherigen Prinzip gebrochen, im Rahmen von Überbrückungshilfen die Fixkosten der Unternehmen zu übernehmen. Die verwaltungstechnische Arbeit bleibt allerdings bei den Kollegen aus dem Wirtschaftsministerium hängen, die sich jetzt mit den Finanzbehörden von 16 Bundesländern herumschlagen.

Die erhöhten Abschlagszahlungen müssen sie allerdings auf jeden Fall einrichten. Denn nach SPIEGEL-Informationen soll die erweiterte digitale Berechnung der Umsatzerstattung erst im neuen Jahr fertig sein. Ab 15. Januar könnten dann die kompletten Summen der November- und Dezemberhilfen ausgezahlt werden – wenn die Länder in der Lage sind, die nötigen Steuerinformationen für die Berechnung zu liefern. Auch in der Frage der Nachkontrolle sind die Verantwortlichen in den Ländern zögerlich. Sie fürchten den Aufwand der händischen Prüfung in ihren Finanzämtern. Bislang haben sie nur zugesagt, fünf Prozent aller bewilligten Anträge zu prüfen. Das ist dem Bund zu wenig.

Bis zum 1. Dezember lagen laut Finanzministerium 68.000 Anträge über rund 1,1 Milliarden Euro vor; inzwischen sind es mehr als 120.000 Anträge, bis zu diesem Dienstag sind laut Wirtschaftsministerium bereits mehr als 400 Millionen Euro an Abschlagszahlungen ausbezahlt worden. Insgesamt könnten die Hilfen dann mehr als 15 Milliarden Euro pro Monat kosten. Altmaier und Scholz sind sich einig, die Umsatzerstattung Ende Dezember zu beenden und dann wieder zu den Überbrückungshilfen zurückzukommen. Würden sie weitergezahlt werden, wenn sich der Lockdown verlängert, würde ein Nachtragshaushalt fällig. Wirtschaftswissenschaftler kritisieren, dass die Hilfen so ausgestaltet sind, dass sie für manche Unternehmen eine Überkompensation darstellen, andere aber extrem benachteiligt würden.

spiegel


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