Die neue Linken-Chefin Susanne Hennig-Wellsow hat sich in einem Interview mit ihrer Kritik an den Kampfeinsätzen der Bundeswehr im Ausland vergaloppiert - und ist deshalb zum Opfer von reichlich Häme im Netz geworden. Auf Nachfrage von Journalist und Youtuber Tilo Jung in dem Format "Jung & Naiv", welche Kampfeinsätze der Bundeswehr sie beenden würde, konnte die ehemalige Landesvorsitzende der Linken in Thüringen keinen konkreten Einsatz benennen. "Da muss ich ehrlicherweise sagen: Die habe ich alle nicht einzeln im Blick", sagte Hennig-Wellsow.
Auch grundsätzliche Kenntnisse über die ungefähre Anzahl der laufenden Truppeneinsätze hat die Co-Parteivorsitzende nicht - derzeit sind es weltweit zwölf. Etwa 3000 Soldaten und Soldatinnen sind daran beteiligt; von Mali bis nach Syrien und den Irak. Peinlich finden das Kritiker vor allem deshalb, weil die Forderung nach dem Ende aller Kampfeinsätze der Bundeswehr im Ausland seit Jahren zum Kern des linken Parteiprogramms zählt. Jung will im Gespräch auch wissen, ob sie denn zumindest ein Land nennen könne, in dem die Bundeswehr derzeit aktiv ist. Hennig-Wellsow antwortet: "Der Afghanistan-Einsatz ... war ja mal beschlossen, dass er beendet wird. Ist offenbar auch wieder infrage gestellt."
Auch die Präsenz der Bundeswehr in Somalia sieht Hennig-Wellsow als überflüssig an, räumt aber nach dem erneuten Einhaken von Jung ein, dass es sich dabei nicht direkt um einen Kampfeinsatz handele. Tatsächlich beteiligt sich die Bundeswehr derzeit lediglich mit Einheiten der Deutschen Marine an einer Schutzmission vor der Küste des afrikanischen Landes. Als Jung fragt, ob sie noch einen weiteren Einsatz nennen könne, versucht es Hennig-Wellsow mit einem Trick. "Wo sind wir denn noch, Martin?", fragt sie ihren Referenten und scherzt, sie habe heute ihren Spickzettel dabei.
"Kann übrigens jeder googeln"
"Es tut sich ja mehr", erklärt Hennig-Wellsow schließlich. Man müsse zwar jeden Einzelfall prüfen, aber Standard bleibe, dass Bundeswehr-Soldaten nicht ins Ausland gehörten. Vier Stunden nach der Veröffentlichung des Interviews rechtfertigte sich die Politikerin noch einmal in einem Tweet: "Es gibt nur eine richtige Antwort auf die Frage, wie viele Kampfeinsätze der Bundeswehr es geben sollte: null." Da sei es egal, wie viele es gibt. "Kann übrigens jeder googeln, wie viele es wo sind derzeit."
Für die Wissenslücke erntete sie auf Twitter reichlich Kritik. Ein Nutzer zeigte sich erstaunt, "dass sich Hennig-Wellsow so schnell so deutlich bloßstellt". Andere verteidigten die Parteichefin. Als Politiker*in müsse man nicht alles wissen, argumentierte ein Nutzer. "Finde es gut, dass sie direkt sagt: Nein, keine Ahnung. Fair." Gemeinsam mit Janine Wissler war Hennig-Wellsow beim Parteitag der Linken vor knapp einer Woche zur Parteivorsitzenden gewählt worden. Zuvor hatte sie seit 2013 den Landesverband in Thüringen geführt, seit 2014 war sie zudem Fraktionsvorsitzende der Linken im Erfurter Landtag.
Auch Habeck machte keine gute Figur
Es ist nicht das erste Mal, dass ein Parteichef im Interview mit Jung ins Schwimmen kommt. Ähnliches passierte auch Grünen-Co-Chef Robert Habeck vor einigen Wochen, als er zum Fall Julian Assange befragt wurde. Erst nach mehrmaligen Nachfragen erklärte Habeck, dass er ein faires Verfahren und die Freilassung des Whistleblowers aus einem Gefängnis in Großbritannien fordert. Offiziell ist das schon länger die Linie seiner Partei. Kritiker warfen ihm vor, bei dem Thema zumindest unsouverän gewirkt zu haben. Zuvor hatte der Grünen-Politiker bereits Wissenslücken bei der Pendlerpauschale offenbart.
Quelle: ntv.de, jug
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