Länder verstoßen gegen Impf-Priorisierung

  09 März 2021    Gelesen: 606
 Länder verstoßen gegen Impf-Priorisierung

Wer zuerst geimpft wird, entscheidet eine Impfverordnung. Gegen diese würden die Bundesländer aber "de facto" verstoßen, kritisiert der Chef der Stiko. Doch er hat auch eine gute Nachricht: Es gebe deutlich weniger Erkrankungen bei den über 80-Jährigen.

Der Vorsitzende der Ständigen Impfkommission (Stiko), Thomas Mertens, hat die Bundesländer dafür kritisiert, dass sie sich eigenmächtig über die Impfverordnung des Bundes hinwegsetzten. "De facto wird in den Ländern schon lange gegen die Priorisierung verstoßen", sagte der Ulmer Virologe. Es seien schon jetzt viele geimpft worden, die nach wissenschaftlichen Kriterien der Priorisierung noch nicht an der Reihe wären.

Wenn nun bereits Erzieher, Lehrkräfte oder Polizisten geimpft werden, rücken die Regierungen aus Sicht Mertens vom Ziel ab, die Schwächsten und Gefährdetsten für schwere Covid-19-Verläufe zuerst zu schützen. Ein Lockern der Priorisierung dürfe aber nicht dazu führen, dass diese benachteiligt werden.

Zugleich betonte er, dass die Impfreihenfolge bislang ihre gewünschte Wirkung zeige. "Die Priorisierung mit Blick auf den Individualschutz funktioniert", sagte Mertens. Die Daten etwa aus Mecklenburg-Vorpommern zeigten, dass es bereits deutlich weniger schwere Erkrankungen und Todesfälle in der Gruppe der über 80-Jährigen gebe. Sollte in Deutschland bald genügend Impfstoff zur Verfügung stehen, sollte es deshalb heißen: "Das eine tun, ohne das andere zu lassen", sagte Mertens. Durch die beginnenden Impfungen bei Hausärzten erwartet der Virologe eine weitere Aufweichung der Impfreihenfolge. Diese würden "eine Priorisierung möglicherweise schwieriger machen". Aber er traue den Hausärzten zu, sich möglichst bei ihren Patienten an die Empfehlungen der Stiko zu halten.

Nachimpfung "sollte" kein Problem sein

Zur zum Teil lautstarken Kritik am schleppenden Fortgang bei den Corona-Impfungen sagte Mertens, er könne beide Seiten verstehen. Die Länder müssten den Mangel an Impfstoff verwalten, zugleich möchten viele Menschen, die laut Priorisierung noch nicht an der Reihe sind, geimpft werden. "Die Priorisierung war und ist nicht das eigentliche Problem, sondern der Mangel an Impfstoff", so Mertens.

Auch die fehlenden Möglichkeiten zur Umsetzung der Impfreihenfolge seien ein Problem. Zu einer nachträglichen Impfung mit einem zweiten Corona-Vakzin sagte Mertens, zunächst sei es wichtig, dass die ersten beiden Impfungen mit demselben Impfstoff erfolgten, um eine vollständige Immunisierung zu erreichen. Aus immunologischer Sicht sollte es aber kein Problem sein, im Anschluss an eine Grundimmunisierung etwa mit einem Vektorimpfstoff wie Astrazeneca eine Impfung mit einem mRNA-Impfstoff wie etwa dem von Biontech zu erhalten. In Großbritannien gebe es erste Studien zu dieser Frage.

Mit Blick auf den weiteren Verlauf der Pandemie hält der Stiko-Vorsitzende es für möglich, dass künftig jedes Jahr, wie gegen die Grippe, eine Impfung gegen das Coronavirus nötig sein wird. Angesichts der steigenden Impfstofflieferungen sagte Mertens, er hoffe nicht, dass wir demnächst über eine zu geringe Impfbereitschaft diskutieren müssten. Aber auch deshalb bleibe der Schutz der Schwächsten so wichtig.

Quelle: ntv.de, mli/dpa


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