Kritik an Polizeieinsatz in Kassel

  21 März 2021    Gelesen: 500
Kritik an Polizeieinsatz in Kassel

In Kassel protestieren Tausende Menschen gegen die Corona-Auflagen. Dabei tragen viele Demonstranten keine Masken und ignorieren die Abstandsregeln. Teilweise kommt es zu Zusammenstößen. Die Polizei hält sich trotzdem weitgehend zurück - und erntet dafür Kritik.

Nach den Ausschreitungen bei einer Demonstration gegen die Corona-Maßnahmen am Samstag in Kassel wird Kritik am Einsatzkonzept der Polizei laut. Der Parlamentarische Geschäftsführer der hessischen SPD-Landtagsfraktion, Günter Rudolph, sagte laut einer Mitteilung, es sei "ein absolut unverständliches Zurückweichen des Staates", dass Tausende von Corona-Leugnern ohne Masken und ohne Abstand durch die Innenstadt von Kassel ziehen konnten. Das Einsatzkonzept der Polizei sei offenkundig gescheitert.

Für Empörung in den sozialen Medien sorgte zudem ein Video, auf dem zu sehen war, wie Polizisten eine Fahrradsperre von Gegendemonstranten abräumten. Die Polizei äußerte sich dazu nicht. Am Abend teilte sie per Twitter mit, ohne konkreter zu werden: "Im Netz kursieren Bilder und Videos, welche das Einschreiten von Einsatzkräften kritisch darstellen und die Polizei bei vermeintlichen Solidaritätsbekundungen zeigen. Wir nehmen das sehr ernst und werden die Sachverhalte intensiv aufarbeiten."

Mehr als 20.000 Menschen waren nach Polizeischätzung am Samstag in Kassel gegen die Corona-Eindämmungsmaßnahmen auf die Straße gegangen. Dabei wurden massiv die gerichtlich bestätigten Auflagen der Stadt missachtet, die eigentlich nur 6000 Teilnehmer auf einem Doppelplatz in der Peripherie zugelassen hatte. Viele Teilnehmer hielten sich nicht an die Auflage, Mund- und Nasenschutz zu tragen.

Bischöfin Hofmann kritisiert Verhalten der Demonstranten

Während eines illegalen Demonstrationszuges durch die Innenstadt kam es am Mittag auch zu gewalttätigen Auseinandersetzungen mit Gegendemonstranten und mit der Polizei. Die Polizei war mit einem Großaufgebot präsent, an einigen Orten mit Wasserwerfern. Selten versuchte sie die Regeln durchzusetzen, bei den nicht genehmigten Umzügen um den Stadtkern hielt sie sich zurück, bevor am Nachmittag dann viele Demonstranten abwanderten.

Am Abend verteidigte die Polizei ihr Vorgehen: "Eine konsequente Verhinderung des Entstehens von Ansammlungen oder ein konsequentes Auflösen verbotener Versammlungen hätte nach Einschätzung der Polizei zur Anwendung von Zwangsmitteln und damit einhergehend zu einer nicht unerheblichen Anzahl an Verletzten auf allen Seiten geführt", teilte die Polizei mit.

Die Polizeiführung habe mit verschiedenen Beratern über die Möglichkeiten und Konsequenzen des Einschreitens diskutiert - und die Entscheidung so gefällt, "dass die polizeilichen Maßnahmen und der temporäre Verzicht auf Zwangs- und Verfolgungsmaßnahmen in der Rechtsgüterabwägung notwendig und angemessen waren." Die Teilnehmer seien augenscheinlich überwiegend aus dem bürgerlichen Lager gekommen und hätten insgesamt eher keine erkennbare Tendenz zu gewalttätigen Aktionen gezeigt. "Einzelne gezeigte Symboliken, wie gelbe Sterne, wurden dokumentiert, Verstöße im weiteren Verlauf geprüft."

Nach Angaben eines Polizeisprechers seien mehrere Beamte angegriffen worden. Auch Journalisten wurden angegangen und beschimpft. Die Polizisten setzten den Angaben zufolge Schlagstöcke und Pfefferspray ebenso ein wie den Wasserwerfer. Es habe rund ein Dutzend Festnahmen wegen Straftaten gegeben; überwiegend wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte und Landfriedensbruchs.

Die Bischöfin der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck, Beate Hofmann, verurteilte die Ausschreitungen. "Freie Meinungsäußerung ist ein hohes Gut, für dessen Wahrung wir uns einsetzen. Aber ein Verhalten auf einer Demo, das Corona-Regeln nicht beachtet und mutwillig Ansteckungsrisiken in Kauf nimmt, ist kein sinnvoller Ausdruck der freien Meinungsäußerung, sondern höchst fahrlässig und verantwortungslos", kritisierte die Bischöfin.

Stadt hatte die Versammlungen zunächst verboten

Die Polizei schätzte die Zahl der Teilnehmer auf rund 20.000 im gesamten Innenstadtbereich. An dem vom Hessischen Verwaltungsgerichtshof genehmigten Kundgebungsort fanden sich zunächst nur wenige Menschen ein. Später waren aber auch dort in etwa die zugelassenen 6000 Teilnehmer vor Ort, um gegen die Corona-Politik zu demonstrieren.

Die hessischen Polizisten erhielten Unterstützung aus Nordrhein-Westfalen, Thüringen und Rheinland-Pfalz. Auch die Bundespolizei und ein Hubschrauber waren im Einsatz. Zu der Demonstration hatten Veranstalter unter dem Motto "Freie Bürger Kassel - Grundrechte und Demokratie" aufgerufen und bis zu 17.500 Teilnehmer angekündigt.

Demonstriert werden durfte laut Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs (VGH) vom Freitag nur auf dem Messegelände Schwanenwiese mit bis zu 5000 Teilnehmern und dem angrenzenden Platz der Deutschen Einheit mit maximal 1000 Menschen. Es galten weitere Auflagen wie das Tragen einer medizinischen Maske als auch ein Mindestabstand von 1,5 Metern zwischen den einzelnen Teilnehmern.

Die nordhessische Stadt hatte die Versammlungen wegen der zuletzt steigenden Zahl von Corona-Infektionen zunächst verboten. Es sei außerdem davon auszugehen, dass vor allem Mitglieder der sogenannten Querdenker-Szene kämen, weshalb nach Erfahrungen in Kassel und anderswo nicht auszuschließen sei, dass coronabedingte Auflagen missachtet würden, hatte die Stadt argumentiert.

Quelle: ntv.de, jpe/dpa


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