Medizinhistoriker Volker Hess hatte mit seinem Team drei Jahre lang umfangreiche Unterlagen von der Stasi, diversen DDR-Kliniken und Pharmafirmen ausgewertet. In einem Zwischenbericht hatte es bereits 2014 geheißen, dass allein in den zehn Jahren vor der Wiedervereinigung 1990 rund 300 Medikamentenstudien im Auftrag westlicher Firmen erstellt worden seien. Kontrolliert worden sei die Arzneimittelforschung auch von der Staatssicherheit.
Das zentralistische Gesundheitssystem in der DDR sei für die Unternehmen "ein Geschenk des Himmels" gewesen, fasst Hess in seinem Bericht zusammen. Aufträge kamen aber nicht nur aus Westdeutschland - etwa von Bayer, Hoechst, Schering - sondern auch aus der Schweiz, Frankreich, den USA und Großbritannien. Insgesamt fand das Forschungsteam Aufträge von 75 Unternehmen aus 16 Ländern.
Keine systematischen Verstöße nachweisbar
Die Vergabe, Organisation und Durchführung von Studien sei einfach schneller gegangen als anderswo. "Der Gewinn liegt eigentlich in der Verkürzung der klinischen Testphase, die es erlaubt, ein Präparat schneller auf den Markt zu bringen - als wenn man im Westen mit 30 eigensinnigen Chefärzten verhandeln muss", zitiert RBB-online aus dem Bericht.
Die DDR habe ihr Gesundheitssystem zur Verfügung gestellt, um begehrte Devisen zu erwirtschaften. Systematische Verstöße gegen damals geltende Regeln seien bei den Tests aber nicht festgestellt worden. Der anfängliche Verdacht, "dass im Osten etwas Irreguläres stattgefunden hat, kann man nicht halten", resümierte Hesss.
Ob DDR-Patienten in jedem Fall informiert wurden, habe sich nicht vollständig klären lassen. Das umfangreiche Projekt wurde unter anderem vom Bund und der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur gefördert.
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