Debatte über bundesweite Notbremse hält an

  14 April 2021    Gelesen: 511
Debatte über bundesweite Notbremse hält an

Führende SPD-Politiker warnen davor, die geplanten Änderungen des Infektionsschutzgesetzes zu zerreden. Vizekanzler Scholz betonte, es müssten jetzt wirksame Maßnahmen beschlossen werden, um die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger zu schützen. Hingegen pochen die ersten Länderchefs auf Nachbesserungen.

Vizekanzler Scholz sagte der „Saarbrücker Zeitung“, es sei nicht die Zeit, um erst eine lange wissenschaftliche Debatte darüber führen, was man alles auch anders machen könne, ohne zu handeln. Auch Einwände gegen die geplanten Ausgangsbeschränkungen ab einem Inzidenzwert von 100 wies Scholz zurück. Der SPD-Experte Lauterbach plädierte im Deutschlandfunk dafür, die Maßnahmen eher noch zu verschärfen. Wie Scholz verteidigte er die umstrittene geplante Ausgangssperre zwischen 21 und 5 Uhr. Es gehe dabei nicht nur darum, die abendlichen Drinnen-Kontakte zu reduzieren. Auch draußen könne man sich sehr wohl infizieren. Gegenteilige Äußerungen von Aerosolforschern seien nicht wissenschaftlich belegt, sondern nur die Meinungsposition der Beteiligten.

Der Aerosol-Forscher Gerhard Scheuch hatte die Politik davor gewarnt, zur Eindämmung der Corona-Pandemie Ausgangssperren zu verhängen. Aus Sicht des Infektionsschutzes sei das kontraproduktiv, sagte der frühere Präsident der internationalen Gesellschaft für Aerosolforschung im WDR-Hörfunk. Denn man suggeriere den Menschen, dass es draußen gefährlich sei, und verleite sie zu Treffen in Innenräumen. Dort sei das Infektionsrisiko aber sehr viel höher, betonte Scheuch. Führende Aerosol-Forscher hatten deshalb bereits in einem Offenen Brief an Bund und Länder einen Kurswechsel gefordert.

Ministerpräsidenten dringen auf Nachbesserungen

Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Dreyer betonte gegenüber den Zeitungen der Funke Mediengruppe, eine Veränderung des Infektionsschutzgesetzes dürfe nicht davon ablenken, dass jetzt gehandelt werden müsse. Gleichzeitig sprach sie sich für Nachbesserungen bei der Gesetzesänderung aus. Es gebe „Fragen bezüglich der Rechtsfolgen und auch der Verhältnismäßigkeit“. Auch die FDP-Bundestagfraktion rechnet mit zahlreichen Klagen gegen die geplante nächtliche Ausgangssperre zur Eindämmung der Corona-Pandemie. Ihr parlamentarischer Geschäftsführer Buschmann sagte in Berlin, die Ausgangssperrre werde eine Flut von Verfassungsklagen auslösen, denen er beträchtliche Erfolgschancen zumesse.

Berlins Regierender Bürgermeister Müller kritisierte den Beschluss des Bundeskabinetts zur bundesweiten Corona-Notbremse als zu hart. „Wir müssen doch sehen, dass wir ein Stück Normalität zurückgewinnen“, sagte Müller im RBB. Es gebe Erfahrungen, wie mehr Freiheiten in Gastronomie und Kultur möglich seien. Müller äußerte die Hoffnung, dass diese Erfahrungen in den Beratungen des Bundestags noch berücksichtigt würden. Trotzdem befürwortete Müller einen bundeseinheitlichen Rechtsrahmen. Dieser würde „auch ein Stück mehr juristische Sicherheit“ geben, sagte Müller.

Sachsen-Anhalts Regierungschef Haseloff kritisierte, dass der Bundesrat nicht in die Entscheidung eingebunden werde. Im MDR sagte der CDU-Politiker: „Die Möglichkeit, die wir gemeinsam gehabt hätten, das Gesetz besser zu machen, wurde verschenkt.“. Der Entwurf des Bundes sei teilweise unklar formuliert, er enthalte außerdem keine neuen Instrumente. Die Länder versuchten nun, über die Bundestagsabgeordneten und über die Lesungen im Bundestag Einfluss auf die Beratungen zu nehmen.

Marbuger Bund fordert schnelleres Inkrafttreten der Notbremse

Der Ärzteverband Marburger Bund dringt auf eine schnellere Verabschiedung der bundesweit einheitlichen Notbremse für Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie. Sie appelliere dringend an die Koalitionsfraktionen, die Opposition und die Länder, die Neuregelung des Infektionsschutzgesetzes noch in dieser Woche zu beschließen, sagte die Verbandsvorsitzende Johna den Zeitungen des Redaktionsnetzwerk Deutschland. „Wenn wir jetzt nicht sofort auf die Bremse treten, dann läuft die Entwicklung endgültig aus dem Ruder und die Ärzte müssen entscheiden, welche Patienten sie noch aufnehmen und welche nicht“, sagte Johna.

Das Bundeskabinett hatte gestern den Gesetzentwurf zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes beschlossen, der eine „Notbremse“ ab einem Inzidenzwert von 100 bundeinheitlich festschreiben soll. Der Bundestag will am Mittwoch kommender Woche darüber entscheiden. Hier finden Sie die geplanten Regelungen im Überblick.


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