Erneut wird Indien von der Corona-Pandemie hart getroffen: Mit 261.500 neu registrierten Infektionsfällen verzeichnet das Land zum vierten Mal hintereinander einen Wert über der 200.000er-Schwelle. Zugleich ist dieser Wert der höchste Tageszuwachs seit Beginn der Pandemie. Den jüngsten Angaben des Gesundheitsministeriums zufolge liegt die Zahl der bisher nachgewiesenen Ansteckungen nun bei insgesamt mehr als 14,78 Millionen.
Das rund 1,3 Milliarden Einwohner zählende Land weist damit hinter den USA die weltweit zweithöchste Gesamtfallzahl an laborbestätigten Infektionen auf. Auch bei den Todesfällen verzeichnet Indien einen neuen Tageshöchstwert: Die Gesamtzahl der Todesfälle erhöhte sich den Behördenangaben zufolge um 1501 auf 177.150. Die Dunkelziffer dürfte laut Experten deutlich höher liegen.
Viele Kliniken berichten über zu wenig Patientenbetten und Engpässen bei der Sauerstoff-Versorgung. Laut Medizinern in den Bundesstaaten Maharashtra und Gujarat sowie der Region Delhi kommt es teils zu chaotischen Szenen, weil es keinen Platz mehr für neue Patienten gebe. "Die Situation ist schrecklich", heißt es in einer Klinik in Nagpur. Nach Angaben der Regierung läuft die Produktion von medizinischem Sauerstoff seit Tagen auf Hochtouren und sei auch noch ausgeweitet worden. Gegenwärtig sei das für die Versorgung ausreichend.
Auch Corona-Impfstoff ist knapp, obwohl Indien eigentlich selbst Impfstoffe in Massenproduktion herstellt. Nun wolle das Land erstmals Corona-Impfstoff importieren, berichteten indische Medien. Es handle sich dabei um das russische Mittel Sputnik V, das in Indien kürzlich zugelassen worden war.
In dem besonders betroffenen Bundesstaat Maharashtra mit der Finanzmetropole Mumbai gilt bis Monatsende eine Ausgangssperre. In fast allen Fabriken soll die Arbeit ruhen. Schon seit vergangener Woche sind Restaurants, Bars, Theater und nicht lebensnotwendige Geschäfte geschlossen. In der Hauptstadt Delhi gelten am Wochenende ähnliche Maßnahmen. Seit Wochen steigt die Zahl der erfassten Infektionen immer schneller, wohl auch wegen ansteckenderer Virusvarianten.
Gleichzeitig gibt es große religiöse Feste und Wahlkampfveranstaltungen und viele Leute sind ohne Masken und Abstand unterwegs. Nach Angaben der Polizei badeten vor wenigen Tagen Hunderttausende Menschen im Fluss Ganges im Rahmen eines religiösen Festes in der Stadt Haridwar im nördlichen Bundesstaat Uttarakhand. Die Regierung zog Mitarbeiter ab, die Teilnehmer auf Corona testen sollten. Man habe damit eine Art Massenpanik verhindern wollen, sagte ein Mitarbeiter des medizinischen Personals. Ein Beamter des Bundesstaats erklärte, es sei klar, dass sich das Virus von der vollgestopften Stadt aus sprunghaft verbreiten werde. Die Regierung hatte des Fest nicht verboten, offenbar aus Sorge vor dem Druck religiöser Anführer in der von Hindus dominierten Region.
USA soll "Rohstoffembargo" beenden
Derweil wandte sich der Chef des weltgrößten Impfstoffherstellers Serum Institute of India (SII) mit einem Appell direkt an US-Präsident Joe Biden. Die Vereinigten Staaten müssten ihr "Rohstoffembargo" beenden, schrieb SII-Chef Adar Poonawalla auf Twitter. Die Stoffe werden zur Produktion von Corona-Impfstoffen benötigt und wurden jüngst knapp. "Wenn wir uns wirklich vereinen wollen, um dieses Virus zu besiegen, bitte ich Sie, das Embargo für Rohstoffexporte aus den USA aufzuheben, damit die Impfstoffproduktion anlaufen kann", schrieb Poonawalla an Biden gewandt.
US-Restriktionen für den Rohstoffexport behinderten zuletzt die Produktion des SII. Poonawalla kritisierte in einer indischen Zeitung, dies sei "so gut wie ein Impfstoffverbot". In der vergangenen Woche hatte er außerdem finanzielle Hilfen von der indischen Regierung gefordert. Indien hatte seinerseits Exportgenehmigungen wegen der Lage im eigenen Land zurückgestellt. Das SII ist an der Produktion des Corona-Impfstoffs von AstraZeneca beteiligt und beliefert viele ärmere Länder.
Die internationale Covax-Initiative, an der unter anderem die Weltgesundheitsorganisation (WHO) beteiligt ist, soll aus Indien 200 Millionen Corona-Impfdosen erhalten. Das Covax-Programm wird jedoch immer wieder durch die Bevorratung von Impfstoffen in reicheren Nationen behindert. WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus kritisierte zuletzt die "schockierende und sich ausweitende Ungleichheit in der globalen Verteilung von Impfstoffen".
Quelle: ntv.de, chf/cri/dpa/rts
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