Seinen Job als Fußballprofi übt Martin Hinteregger wirklich sehr gerne aus. Wenn er könnte, würde er sich indes gerne in eine andere Zeit beamen. Die 80er- oder 90er-Jahre, das wären seine. Eine Zeit ohne Handys, ohne die ständige Sorge irgendwo gefilmt zu werden. Einfach der Typ sein, der man ist. Und Hinteregger, der ist nun alles andere als der Typ angepasste Fußballprofi. Das hat er an diesem Wochenende einmal mehr bewiesen.
Mit eigenartigen Interview-Aussagen zu Fanvorkommnissen am Rande der Bundesligapartie seiner Frankfurter Eintracht bei Bayer Leverkusen (1:3) hat er für reichlich Wirbel gesorgt. Der Österreicher verteidigte die Anhänger beider Teams, die am Samstagabend vor dem Stadion nur durch berittene Polizei gestoppt werden konnten. "Die haben sich wahrscheinlich ausgeredet und ein bisschen gekloppt. Wenn es beide gewollt haben, ist es ja okay", sagte er und fügte hinzu: "Passiert ja öfter, gehört auch irgendwie zum Fußball, oder? Ihr könnt wieder über was berichten, die haben Spaß beim Kämpfen, wir müssen Interviews dazu beantworten und jeder hat etwas davon. Ist ja nichts Schlimmes."
Dass die Polizei letztendlich größere Ausschreitungen und eine gefährliche Eskalation der Lage verhindert hatte, war zu dem Zeitpunkt noch nicht bekannt. Das ZDF verzichtete im "Sportstudio" zunächst auf die Ausstrahlung des Interviews, das am Sonntag dennoch im Internet kursierte und für zahlreiche Reaktionen sorgte. Es war derweil nicht das erste Mal, dass Hinteregger auf Aufregung gesorgt hatte. Immer wieder fällt der harte Abwehrspieler abseits des Platzes negativ auf. Zum Beispiel Mitte September 2019 beim Nationalteam.
Abgang aus Augsburg vehement provoziert
Nach dem 6:0 der Österreicher gegen Lettland hatte Hinteregger seinen 27. Geburtstag bis in den frühen Morgen im Skiort Flachau gefeiert und den von Trainer Franco Foda verhängten Zapfenstreich (21.30 Uhr) ignoriert. Beim Spiel folgenden Spiel in Polen (0:0) wurde er auf die Bank verbannt. Die Disziplinlosigkeit war nicht der erste Ausfall dieser Art. Im Sommer, damals noch in Diensten des FC Augsburg, torkelte Hinteregger betrunken über ein Dorffest in Österreich und wurde gefilmt. Überhaupt soll es während seiner Zeit beim FCA mehrere Vorfälle mit Alkohol gegeben haben. Zudem war er dort nach öffentlicher Trainer-Kritik zwischenzeitlich suspendiert, seinen Abgang nach Frankfurt provozierte er gezielt.
Nach einer erfolgreichen Leihe in der Rückrunde der Saison 2018/19 wollten die Hessen den Abwehrspieler im Sommer 2019 kaufen. Die Gespräche mit dem FCA wurden aber zu einer langen Hängepartie, es ging um die Ablöse. Hinteregger sorgte dabei mit zwei Aufregern für ungute Nebengeräuschen. So kursierte ein Foto, wie er mit einem Frankfurt-Rucksack zum Training der Augsburger kam. Außerdem verpasste er ein Mannschafts-Foto.
"Cleverer, manchmal wie ein Politiker zu sprechen"
Weil er ist, wie er ist, hat er sich bei vielen Fans den Ruf als besonders authentischer Profi erarbeitet. Ein Song über die "Hinti-Army", seine persönliche Fangemeinde, wurde ihm gewidmet. Und auch dass er nach seinem verschossenen Elfmeter im Europa-League-Halbfinale beim FC Chelsea Trost in den Armen der Kurve suchte, brachte ihm Sympathien ein. Hinteregger fällt aus dem typischen Raster moderner Fußballprofi heraus. Die sozialen Netzwerke meidet er, lief dafür bis zuletzt mit einem uralten Klapphandy umher. Im Interview mit dem "Sportbuzzer" klagte er nach dem Dorffest-Vorfall und noch vor der Disziplinlosigkeit beim Nationalteam: Früher "musstest du als Profi nicht so sehr aufpassen, was du machst oder was du sagst. Da schwebt heute eine gewisse Unsicherheit oder sogar Angst mit." Er selbst sei offen und zugänglich - er sieht darin aber häufig auch ein Hindernis. Er erzähle gerne, was er denkt, "obwohl es sicher cleverer wäre, manchmal wie ein Politiker zu sprechen".
Anders als Hinteregger hatte Eintracht-Präsident Peter Fischer die Vorfälle als Studiogast im "Sportstudio" übrigens vehement verurteilt. "Ich verstehe im Moment die Fußball-Anhänger aus tiefstem Herzen, denen die Leidenschaft dieses Sports und die Begeisterung fehlt, weil es keine Stadionbesuche mehr gibt", sagte der 65-Jährige. "Ich kann auch verstehen, wenn Fans vor ein Stadion gehen. Aber was absolut überhaupt nicht geht, ist Gewalt. Da gibt es eine ganz klare Kante."
Quelle: ntv.de, tno
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