Das Bundesverfassungsgericht hatte am Vormittag entschieden, dass das deutsche Klimaschutzgesetz zu kurz greift. Die Karlsruher Richter verpflichteten den Gesetzgeber, bis Ende kommenden Jahres die Reduktionsziele zu Treibhausgasemissionen für die Zeit nach 2030 näher zu regeln. Scholz sagte nun, das Klimaschutzgesetz solle so verändert werden, dass es den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts entspreche. Er erwarte, dass die Vorlage dann auch die Zustimmung der gesamten Bundesregierung bekomme. Der SPD-Politiker warf Bundeswirtschaftsminister Altmaier von der CDU vor, an vielen Stellen auf der Bremse zu stehen.
Altmaier: „Epochale Entscheidung“
Obwohl das Gerichturteil eine Rüge für die Regierung darstellt, sprach Altmaier selbst von einer „epochalen Entscheidung“ für den Klimaschutz und die Rechte der jungen Menschen. Der CDU-Politiker lobte, dass das Urteil zudem die Planungssicherheit in der Wirtschaft erhöhe. Umweltministerin Schulze sprach im Deutschlandfunk von einem „Ausrufezeichen für den Klimaschutz“. Das Umweltministerium sei bereit, noch in diesem Sommer die ersten Eckpunkte für die Klimaschutz-Maßnahmen ab 2030 festzulegen. FDP-Parlamentsgeschäftsführer Buschmann nannte den Beschluss ein „Plädoyer für Langfristigkeit und Generationengerechtigkeit in der Politik“.
Grüne: „Klatsche für die Regierung“
Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Krischer, betonte im Deutschlandfunk, das Urteil sei eine „Klatsche und ein Weckruf zugleich für die Bundesregierung, endlich mit ambitionierter Klimaschutzpolitik in Deutschland zu beginnen“. Es könne nicht sein, dass sich eine Bundesregierung einer solchen zentralen Zukunftsaufgabe in der Art und Weise verweigere und bislang keine konkrete Maßnahmen für den Klimaschutz vorgelegt habe. Die Klima-Aktivistin Neubauer, die zu den Klägerinnen gehört, sagte auf einer virtuellen Pressekonferenz, die junge Generation müsse sich nun nicht mehr als Bittstellerin an die Regierung wenden. Ihre zukünftigen Freiheiten und Rechte seien eben nicht weniger wichtig als die der Generation heute.
„Bahnbrechend und historisch“
Zustimmung zu dem Urteil kommt auch von der Wissenschaft: Die Energieexpertin des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Kemfert, nannte es bahnbrechend und historisch. Künftig müssten Entscheidungen auf allen Ebenen daraufhin abgeklopft werden, ob sie in Übereinstimmung mit den langfristigen Klimazielen stünden, sagte sie im Deutschlandfunk (Audio-Link). Das geschehe noch nicht in ausreichendem Maße.
Richter: Lasten für nachfolgende Generationen abmildern
Das Gericht erklärte, um die im Pariser Klimaabkommen festgelegte Begrenzung des Temperaturanstiegs zu erreichen, müssten die Ausstoß-Minderungen immer dringender und kurzfristiger erbracht werden. Davon sei praktisch jede Freiheit potenziell betroffen, weil fast alle Lebensbereiche mit der Emission von Treibhausgasen verbunden seien. Die Kläger würden daher in ihren Freiheitsrechten verletzt. „Der Gesetzgeber hätte daher zur Wahrung grundrechtlich gesicherter Freiheit Vorkehrungen treffen müssen, um diese hohen Lasten abzumildern“, urteilten die Richter. Die gesetzlichen Regelungen für die Einsparungen ab 2031 reichten nicht aus.
Bundestag und Bundesrat hatten Ende 2019 dem Klimapaket der Bundesregierung zugestimmt, nachdem Bund und Länder noch Kompromisse ausgehandelt hatten. Wesentlicher Punkt ist das Klimaschutzgesetz. Es sieht vor, dass bis 2030 der CO2-Ausstoß um mindestens 55 Prozent im Vergleich zu 1990 reduziert werden muss. Darüber hinaus legt es für verschiedene Sektoren wie Energie, Verkehr, Gebäude und Landwirtschaft konkrete Obergrenzen für Treibhausgase fest. Sollten diese in einzelnen Jahren verfehlt werden, greift eine Pflicht zum Nachbessern. Bis 2050 soll unter dem Strich praktisch gar kein CO2 mehr ausgestoßen werden.
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