Ein Sprecher des UNO-Hochkommissars für Menschenrechte sagte in Genf, die Art und Weise, wie Protasewitsch durch Androhung militärischer Gewalt aus der Gerichtsbarkeit eines Staates entführt und in die von Belarus gebracht worden sei, entspreche einer außerordentlichen Überstellung. Ein solcher Missbrauch staatlicher Gewalt gegenüber einem Journalisten, dessen Berufsausübung durch internationales Recht geschützt sei, werde auf das Schärfste verurteilt.
Als Reaktion auf die Festnahme haben die Europäische Union und die USA Sanktionen angekündigt. US-Präsident Biden bezeichnete die erzwungene Landung der Passagiermaschine in Minsk und die anschließende Inhaftierung des Oppositionellen als skandalös. Er habe seine Mitarbeiter angewiesen, angemessene Optionen zu entwickeln, um die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen.
Dies solle in enger Abstimmung mit Partnern wie der Europäischen Union geschehen. Die EU beschloss bereits neue Sanktionen. Demnach wurden Flugraum und Flughäfen für belarussische Fluggesellschaften gesperrt. Darüber hinaus friert die EU geplante Investitionen in dem Land in Höhe von drei Milliarden Euro ein. Zudem soll unter anderem die Liste mit Personen und Unternehmen erweitert werden, gegen die Vermögenssperren und EU-Einreiseverbote gelten.
Stoltenberg: „Staatliche Entführung“
Zahlreiche Fluggesellschaften – darunter auch die Lufthansa – stellten ihre Verbindungen nach Belarus ein. Außerdem meiden sie ab sofort Flugstrecken über das Land. Ähnliche Maßnahmen ergriff die Ukraine. Auch in den USA wird über ein Verbot von Flügen nach und über Belarus diskutiert.
NATO-Generalsekretär Stoltenberg begrüßte die neuen EU-Sanktionen gegen Belarus. Die erzwungene Landung eines Passagierflugs in Minsk sei gefährlich und inakzeptabel gewesen, sagte Stoltenberg in Brüssel. Er sprach von einer staatlichen Entführung und forderte die sofortige Freilassung des festgenommenen Regimekritikers Protasewitsch und dessen Partnerin Sapega.
EU verlangt umgehende Freilassung
In der Erklärung der EU-Staaten heißt es: „Der Europäische Rat verurteilt nachdrücklich die erzwungene Landung eines Ryanair-Fluges am 23. Mai 2021 in Minsk (Belarus) und die Inhaftierung des Journalisten Roman Protasewitsch und von Sofia Sapega durch die belarussischen Behörden.“ Der Blogger und seine Partnerin müssten umgehend freigelassen werden.
Der außenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Bundestag, Schmid, begrüßte die Reaktion der EU. Schmid sagte im Deutschlandfunk (Audio-Link), bei der belarussischen Aktion habe es sich eindeutig um Staats-Terrorismus gehandelt. Er vermute, dass sie in enger Kooperation mit Russland erfolgt sei. Der SPD-Politiker plädierte für gezielte Sanktionen gegen Personen und Institutionen aus den Machtzentren beider Staaten. Ein Stopp der Ostsee-Gaspipeline Nord Stream 2 wäre keine geeignete Reaktion.
Botschafter einbestellt
Die EU und Deutschland sowie weitere Staaten bestellten außerdem die jeweiligen belarussischen Botschafter ein. Bundesaußenminister Maas teilte mit, die bisherigen Angaben der Regierung in Minsk seien „abwegig und nicht glaubwürdig“. Man brauche Klarheit, was sich wirklich an Bord und am Boden in Minsk zugetragen habe.
Russland: Situation nicht vorschnell beurteilen
Rückendeckung erhielt Belarus dagegen von Russland, von dort kam außerdem Kritik an der Reaktion des Westens. Außenminister Lawrow warnte davor, die Situation vorschnell zu beurteilen. Minsk habe bei der Aufklärung des Vorfalls volle Transparenz zugesagt und wolle dazu wenn nötig auch internationale Experten empfangen.
Freiwillig oder unter Zwang?
In einem Video des belarussischen Staatsfernsehens räumt der Blogger Protasewitsch ein, an der Organisation der Massenproteste gegen Staatschef Lukaschenko im vergangenen Jahr beteiligt gewesen zu sein. Er befinde sich deshalb in Untersuchungshaft in Minsk, werde aber korrekt und den gesetzlichen Regelungen entsprechend behandelt. Protasewitsch weist zudem Berichte über eine Herzerkrankung zurück. Es lässt sich derzeit nicht überprüfen, ob der Blogger sich in dem Video freiwillig oder unter Druck äußert.
Ein Sprecher der im Exil lebenden belarussische Oppositionsführerin Tichanowskaja sagte, man rechne damit, dass Protasewitsch seit seiner Festnahme gefoltert worden sei. Laut Dlf-Korrespondent FlorianKellermann hat Protasewitsch in dem Video dunkle Flecken im Gesicht, die von Schlägen herrü
Lesetipp: Wer ist Roman Protasewitsch?
Der Regimekritiker hatte sich in dem aus Griechenland kommenden Passagierflugzeug befunden, das am Sonntag auf dem Weg nach Litauen zur Landung in Minsk gezwungen worden war. Die Regierung begründete die Aktion mit einer Bombendrohung der islamistischen Palästinenserorganisation Hamas – was diese inzwischen zurückwies.
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