Darüber sprechen darf natürlich niemand. Wenn der US-Präsident durch die Weltgeschichte reist, unterliegt jedes noch so winzige Schrittchen strengster Geheimhaltung. In den Presseämtern von Stadt, Land, Bund möchte man am liebsten also noch dementieren, dass der dunkelhäutige, schlanke Herr, der voraussichtlich am frühen Nachmittag des 24. April auf dem Flugfeld des Airports Langenhagen einer Dienst-Boeing 747 entsteigen wird, ein gewisser Obama, Barack, wohnhaft 1600 Pennsylvania Avenue, Washington D.C., sein könnte. Aber am Ende räumen sie es dann ja doch ein.
Der 44. Präsident der Vereinigten Staaten hat sich für den fünften und aller Voraussicht nach letzten Deutschland-Besuch seiner Amtszeit Hannover ausgesucht; er will dort die Industriemesse eröffnen, eine im Grunde nicht mehr ganz zeitgemäße, aus Wirtschaftswunderzeiten stammende Leistungsschau der deutschen Wirtschaft. Partnerland sind in diesem Jahr die Vereinigten Staaten, und Barack Obama fand es offenbar eine gute Idee, sich zu diesem Anlass noch einmal mit Angela Merkel zu treffen und den in Sachen TTIP so zögerlichen Deutschen ein wenig ins Gewissen zu reden.
Das vor allem hierzulande umstrittene Freihandelsabkommen zwischen den USA und der EU dürfte eines der wesentlichen Themen des Obama-Besuchs in Hannover, vor allem der großen Messeeröffnungsrede sein, die der Präsident im ehrwürdigen Kuppelsaal von Hannover halten wird. Die Kanzlerin wird er über deren Inhalt allerdings schon etwas früher unterrichten.
Offizielle Bestätigungen gibt es für fast nichts
Die beiden planen zuvor, aber auch das wird natürlich noch lange nicht bestätigt in Hannover, einen gemeinsamen Sonntagsspaziergang durch die Herrenhäuser Gärten, eine prachtvolle barocke Anlage, die seit zwei Jahren auch wieder über ein Schloss verfügt. Raum für Vier-Augen-Gespräche inklusive. Ob und wie lange die beiden dabei unter sich bleiben, ist derzeit noch ebenso geheim wie der Name des Hotels, in dem der Präsident die Nacht vom 24. zum 25. April verbringen wird.
Hoch gehandelt an der Bettenbörse ist das "Schlosshotel Münchhausen", ein Resort im nahen Weserbergland, das die französische Fußball-Nationalmannschaft ebenso beherbergt hat wie die Hochzeitsgesellschaft des früheren Bundespräsidenten Christian Wulff. Laut Lokalpresse hat die US-Regierung das Schlosshotel für den betreffenden Zeitraum komplett in Beschlag genommen.
Offizielle Bestätigungen dafür gibt es nicht; erst recht nicht bei der Konkurrenz in Wolfsburg (Ritz-Carlton) oder der, allerdings deutlich schwieriger zu bewachenden, Hannoveraner Altluxusherberge "Kastens Hotel Luisenhof". Insgesamt soll Obamas Delegation 600 Mitreisende zählen; Niedersachsens zu Messezeiten ohnehin stark beanspruchte Bettenkapazitäten werden also einem echten Leistungstest unterzogen.
Als möglicher Sonntagsspaziergangsbegleiter des Duos Obama/Merkel wird in Hannover gerade der sozialdemokratische Ministerpräsidenten Stephan Weil in den Vordergrund geschoben. Der Regierungschef ist als früherer Oberbürgermeister von Hannover an Ortskunde kaum zu übertreffen; er findet im Zweifel sogar den Ausgang aus dem zur Schlossanlage gehörenden Irrgarten.
Hannover vor "größtem Staatsbesuch" seiner Geschichte
Weil läuft sich gerade ein wenig für seine geplante Wiederwahl in eineinhalb Jahren warm. Gemeinsame Bilder des Regierungschefs oder gar weiterer Kabinettsmitglieder mit dem US-Präsidenten sind also durchaus willkommen. Niedersachsens Staatskanzlei geht jedenfalls fest davon aus, dass es "ein Gespräch Obamas mit Ministerpräsident Stephan Weil geben" werde.
Auch jenseits landespolitischer Ambitionen ist der Ansturm auf die Ehrenplätze im Kuppelsaal und den für den Montagmorgen geplanten Rundgang über das Messegelände enorm. Schon jetzt steht fest, dass neben Obama und Merkel auch EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte und EU-Kommissar Günther Oettinger nach Hannover kommen werden, diverse Bundesminister sind noch unbestätigt. Der Obama-Besuch, so die "Bild", werde der "größte Staatsbesuch, den die Landeshauptstadt je gesehen hat". Und das, obwohl gerade Altbundeskanzler Gerhard Schröder jahrelang hochkarätige Gäste mit Vorliebe an die Leine gelotst hatte.
Hannovers Polizeidirektion hat jedenfalls in weiser Vorausschau eine Urlaubssperre für die Zeit rings um die Präsidentenvisite verhängt. Wie viele Polizisten dann genau im Einsatz sein werden, fällt natürlich auch unter die Geheimhaltungspflicht; rund 8000 Beamte werden es nach Angaben der "Hannoverschen Allgemeinen" sein, "etwa 3000 bis 4000 direkt an den Fahrtrouten Obamas". Sicherheitsstufe "eins plus", das schaffe außer Obama nur noch der Papst.
Sogar das Nordderby musste verlegt werden
Selbst im 160 Kilometer entfernten Hamburg werden deshalb an jenem Wochenende die Uhren noch ein wenig anders gehen als in den vergangenen Jahren. Das Bundesliga-Derby HSV gegen Werder Bremen wurde mit Verweis auf den Obama-Besuch auf den Freitagabend verlegt; ein Termin, der für dieses, aus polizeilicher Sicht, "Hochsicherheitsspiel" in anderen Jahren überhaupt nicht infrage kam. Nun aber ging es nicht anders.
Bereits einen Tag bevor Obama Herrenhausen und den Kuppelsaal kennenlernt, erwartet Hannover eine weitere Rekordveranstaltung. Zur Anti-TTIP-Demonstration mobilisieren die einschlägigen Protestbewegungen bundesweit. Mehrere Zehntausend Teilnehmer werden auf dem Opernplatz im Zentrum der Landeshauptstadt erwartet. Ob sie die Bundeskanzlerin davon abhalten können, den "wesentlichen Grundzügen" des Abkommens bei ihrem Treffen mit Obama näherzukommen, ist unwahrscheinlich.
Angela Merkel möchte TTIP möglichst noch zu Obamas Amtszeiten unter Dach und Fach bringen. "Was man hat", so die Kanzlerin unlängst bei der Vollversammlung des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, "das hat man."
Quelle : welt.de
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