Wie gut sind Geboosterte vor Omikron geschützt?

  12 Januar 2022    Gelesen: 798
Wie gut sind Geboosterte vor Omikron geschützt?

Die Covid-19-Vakzine schützen nur unvollständig vor Omikron, weshalb Wissenschaft und Politik dringend zu Boosterimpfungen aufrufen. Doch wie gut und wie lange wirken die Auffrischungen dann? Lohnt sich eine dritte Dosis überhaupt oder sollte man auf ein angepasstes Vakzin warten?

Es ist nervig und für viele Menschen nicht mehr nachvollziehbar: Erst hieß es, nach zwei Impfungen mit den Vakzinen von Biontech/Pfizer, Moderna oder Astrazeneca beziehungsweise einer Dosis des Wirkstoffs von Johnson & Johnson sei man bestens gegen Covid-19 geschützt. Dann kam die Delta-Variante und die Erkenntnis, dass eine Auffrischung nötig ist, und jetzt hört man, auch die Boosterimpfung schütze nur unvollständig gegen die neue Virus-Variante, die sich so rasend schnell verbreitet. Aber was genau ist damit gemeint? Was bedeutet "unvollständig", werden noch weitere Impfungen nötig sein und wenn ja, welche?

Schutz vor schwerer Krankheit oder vor Infektion?

Besonders verwirrend ist für viele, dass in Berichten über die Effektivität von Vakzinen oft nicht zwischen dem Schutz vor einer Ansteckung und dem Schutz vor einer schweren Erkrankung unterschieden wird. Gerade bei Omikron ist das aber entscheidend. Obwohl die Virus-Variante erst im November in den Fokus geriet, weiß man durch die enorm schnelle Verbreitung bereits jetzt, dass die Vakzine deutlich seltener eine Ansteckung verhindern können als bei Delta oder gar dessen Vorgängern. Aber die Impfstoffe schützen auch gegen Omikron nach wie vor gut vor schweren Erkrankungen, vor allem nach einer Auffrischung.

Wenn über die Wirkung der Impfstoffe gesprochen wird, geht es meistens um Antikörper. Doch sie sind nur ein Teil der Immunantwort des Körpers, der gegen Angreifer noch weit mehr aufzubieten hat. Sehr vereinfacht stellen die neutralisierenden Antikörper nur die erste Abwehrreihe dar. Sie heften sich an das Stachel-Protein des Virus und verhindern, dass es an Körperzellen andocken kann.

Geschieht dies sehr effektiv, kommt es zu keiner Ansteckung. Gelingt dies praktisch immer und dauerhaft, spricht man von einer sterilen Immunität. Beides war schon vor Omikron nicht der Fall, was für Impfstoffe nicht ungewöhnlich, sondern eher der Normalfall ist. Auch gegen die Grippe ist jedes Jahr eine angepasste Auffrischung nötig, eine bekannte Ausnahme sind die Masern.

T-Zellen verhindern schwere Erkrankungen

Durch seine Mutationen bremst Omikron die Antikörper stark aus. Aber selbst wenn man sich deshalb infiziert, ist der Kampf gegen eine Erkrankung noch lange nicht verloren. Es ist auch normal, dass die Antikörper im Laufe der Zeit weniger werden, der Körper schaltet von der höchsten Alarmstufe in die allgemeine Abwehrbereitschaft.

Hier kommen die T-Zellen ins Spiel, die für die sogenannte zelluläre Immunität zuständig sind. Es gibt Killerzellen, die befallene Zellen anhand von Virus-Bruchstücken erkennen und zerstören. Helferzellen regen andere T-Zellen dazu an, neue Antikörper zu produzieren und es bilden sich Gedächtniszellen, die auch lange nach einer Impfung oder überstandenen Infektion das Immunsystem schnell wieder in Gang setzen, wenn ein Erreger oder verwandte Mutanten erneut angreifen.

Wissenschaftler der Universität Freiburg haben im Sommer festgestellt, dass bereits zehn Tage nach der ersten Impfung mit einem mRNA-Impfstoff so viele Sars-CoV-2-spezifische T-Zellen gebildet wurden, dass ein Schutz vor schwerer Erkrankung gegeben ist. "Zu diesem Zeitpunkt sind neutralisierende Antikörper, die das Eindringen des Virus in die Zellen verhindern, kaum nachweisbar. Stattdessen geht diese frühe Schutzwirkung auf spezifische T-Zellen zurück, die die zelluläre Immunantwort steuern", so die Projektleiterin Maike Hofmann.

"Vollständige" Impfung schützt kaum noch vor Infektion

Die Antikörper-Antwort auch "vollständig" geimpfter Menschen fällt bei Omikron definitiv deutlich schwächer aus, entsprechend niedriger ist die Wirkung gegen eine Infektion. Aufgrund verschiedener Studien schätzt die britische Gesundheitsbehörde UK Health Security Agency (UKHSA), dass die Effektivität verglichen zur Wirkung gegen die Delta-Variante bei den Vakzinen von Biontech/Pfizer und Moderna innerhalb von 20 Wochen nach der zweiten Dosis statt 65 bis 70 Prozent nur noch 10 bis 20 Prozent beträgt. Bei Astrazeneca fällt sie auf 0 Prozent.

Die Prozentangaben bedeuten dabei nicht, dass sich beispielsweise 10 Prozent einer Population nicht infizieren und die anderen Covid-19 bekommen. Die Werte geben an, wie hoch sich das Risiko einer Infektion von Geimpften im Vergleich zu Ungeimpften reduziert. Zu beachten ist außerdem, dass die ursprünglichen Angaben nicht wirklich mit den aktuellen vergleichbar sind. Bei ersteren handelt es sich um Ergebnisse von Studien, bei zweiteren um Daten aus der realen Welt.

Schutz vor schwerer Krankheit bleibt gut

Doch auch bereits bei doppelt Geimpften (Biontech/Moderna) halten die Reihen der T-Zellen weitgehend stand. Bis zu sechs Monate nach der zweiten Dosis beträgt laut UKHSA die Effektivität gegen schwere Erkrankungen mit Krankenhauseinweisung noch 72 Prozent. Selbst darüber hinaus senken die Vakzine das Risiko immerhin um 52 Prozent. Eine südafrikanische Analyse kam kürzlich zu einem sehr ähnlichen Ergebnis.

Aufgrund der bisherigen Daten geht auch das European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC) davon aus, dass die T-Zellen-Antwort gegen Omikron weitgehend erhalten bleibt und daher zu erwarten sei, "dass die Wirksamkeit des Impfstoffs gegen schwere Erkrankungen etwas verringert, aber höher und anhaltender sein sollte als bei Infektionen und symptomatischen Erkrankungen durch Omikron."

Das gilt bereits für "vollständige" Impfungen, Auffrischungen erhöhen den Schutz vor schweren Erkrankungen vermutlich deutlich. Für absolut zuverlässige Aussagen hierzu ist die Datenlage aufgrund der kurzen Zeit, in der Booster und Omikron bisher gegeneinander angetreten sind, noch zu knapp. Allerdings hat das UKHSA vor wenigen Tagen eine Studie mit sehr vielversprechenden Ergebnissen veröffentlicht.

Geboosterte Ältere sehr gut vor Hospitalisierung geschützt

Vielversprechend vor allem auch deshalb, da sie Hospitalisierungen bei den besonders vulnerablen Menschen über 65 Jahre analysiert hat. Demnach ergab sich für diese Altersgruppe für alle Booster-Kombinationen mit den Vakzinen von Biontech/Pfizer, Moderna und Astrazeneca bis zu neun Wochen nach der dritten Dosis noch ein Schutz vor schweren Erkrankungen von 94 Prozent. Nach zehn Wochen oder mehr war das Risiko der Geboosterten immer noch 89 Prozent niedriger als das von Ungeimpften.

Die Verfasser raten zur Vorsicht bei der Interpretation ihrer Studie, da sie nur auf 98 Hospitalisierungen beruhe und es aufgrund der unterschiedlichen Durchimpfung und Exposition gegenüber Omikron in verschiedenen Bevölkerungsgruppen zu Verzerrungen kommen könne. Aber "wenn sich diese Daten aus Großbritannien bestätigen, brauchen die meisten keine vierte Impfung in der Omikron-Welle, twitterte Carsten Watzl, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie.

Sicher ist sicher: Hersteller bereiten angepasste Impfstoffe vor

Falls sich die Booster doch als nicht ausreichend erweisen sollten, bereiten die Hersteller bereits an Omikron angepasste Vakzine vor. Pfizer-Chef Albert Bourla sagte dem US-Sender CNBC, der Impfstoff sei im März fertig, man produziere erste Margen bereits auf eigenes Risiko. Er wisse zwar noch nicht, ob ein spezieller Omikron-Wirkstoff nötig sei, aber einige Länder wollten ihn so schnell wie möglich haben.

Moderna-Chef Stephane Bancel sagte, sein Unternehmen arbeite daran, ein angepasstes Vakzin bis zum Herbst anbieten zu können. Das ist den Experten zufolge auch die Zeit, auf die man sich vorbereiten muss. Im Frühjahr werden die Infektionszahlen wie in den vorangegangenen Jahren voraussichtlich wieder rasch fallen, im Herbst wird eine weitere Welle erwartet.

Boostern und abwarten

Das Wichtigste ist der Schutz vor einer schweren Erkrankung oder dem Tod, das ist durch die Boosterimpfungen gegeben. Selbst wenn Biontech/Pfizer schon im März einen angepassten Wirkstoff hätten, würde er vermutlich nicht vor dem Ende der aktuellen Omikron-Welle in ausreichenden Mengen zur Verfügung stehen. Auf das neue Vakzin zu warten, ergibt daher vor allem für ältere Menschen wenig Sinn.

Ob dann oder in jedem Herbst für alle oder nur vulnerable Gruppen eine erneute Impfung nötig ist, wird sich noch zeigen. Das Virus hat nun schon oft genug bewiesen, dass man sich nicht allzu sicher bei Prognosen sein darf. Sich auf jede Möglichkeit vorzubereiten, ist die andere Lehre, die man aus dem Pandemieverlauf ziehen sollte.

Quelle: ntv.de


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