Zeitreise mit dem Renault Alpine

  30 März 2016    Gelesen: 1682
Zeitreise mit dem Renault Alpine
Die Geschichte des Renault Alpine ist eine mit vielen Hochs und Tiefs. Jetzt ist sie sehr launig von zwei Autoren aufgeschrieben worden, die erklären, warum einem der schönsten Autos seiner Zeit kein wirklicher Erfolg beschieden war.
Nach 60 Jahren soll der Renault Alpine zurückkehren. Lange hatte man sich im französischen Staatskonzern schwergetan, den Sportler von damals wieder aufleben zu lassen. Jetzt zeigt eine Studie, wie sich Renault einen neuen Alpine vorstellt. Optisch knüpft er an die Ikone von damals an, erinnert an den A106 und den legendären A110. Zwei Autos, die Fans der Marke seit Jahrzehnten zum Träumen bringen. So auch die Autoren des Buches "Renault Alpine – Geschichte, Technik, Mythos", Andreas Gaubatz und Jan Erhartitsch. Sie sind ausgewiesene Kenner der Materie. Haben sie doch ihr Wissen rund um etliche Kleinode in der Renault-Geschichte in Büchern wie "Renault 16" und "Renault 4" unter Beweis gestellt.

In ihrem neuesten Buch geht es ausschließlich um den Renault Alpine. Die beiden wissen schon im Vorwort schlüssig zu begründen, warum dieser Wagen es verdient hat, wieder ins Leben zurückgeholt zu werden. Aber damit nicht genug. Sie entführen ihre Leser in eine Zeit, die man nur vom Hörensagen kennt und bereiten solche Kurzweil bei der Lektüre, dass man ihnen gerne glauben möchte, dass die Entstehung des Alpine einer Wette zwischen einem Peugeot-Händler und einem Renault-Vertreter zu verdanken ist. Die hatten nämlich seinerzeit nichts Besseres zu tun, als dem jeweils anderen mit einem Peugeot 203 und dem Renault 4CV die Vorzüge der eigenen Marke in einem Straßenrennen vor Augen zu führen. Am Steuer des Renault: Jean Rédélé, der Vater des Alpine.



Launige Geschichten und ein Italiener

Die launig erzählte Geschichte wird von farblich blau unterlegten Zeittafeln begleitet. Präzise wird das Leben und Schaffen von Jean Rédélé und denen, die seinen Weg kreuzten, skizziert. Wussten Sie zum Beispiel, dass die Firma Renault sich zwar der werblichen Wirksamkeit von Autorennen bewusst war, die Idee für den Einstieg in den Motorsport der Marke aber von einem Journalist stammte? Gerade diese Randnotizen erhöhen den Unterhaltungswert des Buches und das Verständnis für bestimmte Schritte in der Entwicklung der Marke und ihrer Modelle.

Noch wichtiger dürfte für frankophile Alpine-Fans sein, dass die erste Karosserie nicht von einem Franzosen, sondern vom Italiener Giovanni Michelotti stammte und auf der Basis des Renault 4CV entstand. Als Rédélé mit seiner Idee für einen Sportwagen nämlich die einzelnen kleinen Karosserieschmieden in Frankreich abklapperte, wurde er nur verlacht. Die großen Zeiten von Peugeot und Bugatti waren längst vorbei und Sportwagen wollte kein Mensch mehr haben. Doch Rédélé blieb hartnäckig, präsentierte die ersten drei A106 in Rot, Weiß und Blau als Hommage an die französische Tricolore. Dabei war der A106 nur der Vorbote und mündete schließlich in einem A108, der als Coupé und Cabrio vorfuhr. Gezeichnet wurden auch diese schnittigen Franzosen von Michelotti.



Um der Öffentlichkeit die Potenz der Fahrzeuge vor Augen zu führen, werden sie in immer größerer Zahl bei den unterschiedlichsten Rennen eingesetzt. Absolut akribisch zeichnen Gaubatz und Erhartitsch alle Höhepunkte und die damit einhergehenden Veränderungen an den Fahrzeugen auf. Leser mit wenig Sinn für Statistik werden in diesen Passagen schnell überfordert. Doch die Daten sind wichtig. Die Siege im Motorsport sind für Rédélé die Eintrittskarte in die Automobilproduktion.

Die Krux mit den Motoren

Spannender werden dann wieder die Kapitel, die sich um die Motorengeschichte des Alpin drehen. Bereits die ersten Modelle litten unter dem Manko zu schwacher Triebwerke. Auch mit dem Alpine GT4 kann man bei der angepeilten Käuferschaft nicht punkten. Das Coupé mit vier Metern Länge und einem Radstand von 2,27 Metern kommt nicht an. Lediglich 112 Exemplare werden gebaut. Sportlich fährt Alpine bis 1963 vor allem auf den Rallyestrecken Erfolge ein. Erst nach Jahren des Lernens setzt Rédélé auch auf den Rundkurs. Mit dem M63 entsteht sogar ein Fahrzeug, das in den Augen der Autoren eine vage Ähnlichkeit mit dem Mercedes SL 300 aufweist.

"Renault Alpine - Geschichte, Technik, Mythos" ist im Motorbuch-Verlag erschienen.
"Renault Alpine - Geschichte, Technik, Mythos" ist im Motorbuch-Verlag erschienen.
Der Motorenspezialist Amédée Gordini, auch "der Hexer" genannt, ist berühmt für seine Arbeit an den Renault-Motoren, die er für die Alpine-Modelle aufbereitet. Der Konkurrenz um Porsche und Alfa Romeo kann man dennoch nicht das Wasser reichen. 1966 arbeitet Gordini an einem 2,6-Liter-V8-Triebwerk Die Hoffnungen sind groß, aber der Alpine ist mit einem Motor dieser Dimension unfahrbar. 1968 übernimmt Rédélé alle Motorsportaktivitäten von Renault und den gesamten Etat. Doch auch mit mehr Geld muss die Sportwagenschmiede bei den V8-Motoren passen.

Viel Statistik und dicke Backen

Über die Jahre brechen Getriebewellen, Pleule nehmen Schaden und Rennfahrer verunglücken. Geldtöpfe werden ungerecht verteilt und Siege bleiben aus. Und so platzt für Rédélé auch der Traum von der Formel 1. Aber nicht nur im Rennsport will Alpine ganz nach vorne fahren. Ein neues Modell mit V6-Triebwerk soll endlich zu Porsche und Ferrari aufschließen. Einen A310 soll es geben, dessen erste Pläne in Rédélés Küche gezeichnet werden. Allerdings lässt der V6 auf sich warten und so kommt der Motor des Renault 16TS in den Sportler. Für die Kundschaft bietet der zu wenig und so verschmäht das getriebene Sportvolk auch den A310. Und noch etwas schreckt die Käufer ab: Der Wagen ist so teuer wie ein Porsche 911S. Einen Alfa Romeo 2000GT bekommt man mit ebenfalls 131 PS für die Hälfte des Geldes.

Sportlich bleibt man recht erfolgreich, aber der Alpine krankt auch Jahre später daran, dass er mit seinen Motörchen die anvisierten Gegner nicht mal im Ansatz erreichen kann. Das ändert sich auch nicht, als Rédélé sein Unternehmen verkauft. Die Nachfolger verbessern Fahrwerk und Handling. Fehlende Kraft versucht man durch martialische Optik wettzumachen. Der A310V6-GT, oder auch Pack-GT, wird 1982 auf den französischen Markt geworfen. Zwar bleibt die Leistung mit 159 PS unverändert, aber dafür rüstet man äußerlich auf. "Nun macht der A310 wirklich dicke Backen", resümieren die Autoren.

Letztlich ist mit dem Umstand der Kraftlosigkeit das entscheidende Manko der Alpine-Modelle benannt, das sich durch die Jahrzehnte des Kultautos zieht. Dabei gab es immer wieder Ideen, wie man es hätte besser machen können. Eine ganze Reihe von Prototypen füllt die Garagen der Alpine-Verantwortlichen, aber die Umsetzung scheitert in der Regel am Desinteresse von Renault.

Fazit: Wer sich für das Buch über die Geschichte des französischen Renners ohne Happy End entscheidet, bekommt ein unglaublich tiefschürfendes Werk über alle Einzelheiten, die den Alpine ausmachten und auch darüber, was ihm fehlte, um den damaligen Platzhirschen wie Porsche oder Alfa die Stirn zu bieten. Ob der neue Alpine, den Renault im kommenden Jahr in Serie bringen will neben der Konkurrenz bestehen kann, muss sich noch zeigen. Bis das geklärt ist, kann sich der Leser mit dem Buch "Renault Alpine - Geschichte, Mythos, Technik" die Zeit vertreiben. Neben vielen Anekdoten gibt es Datenblätter von allen Typen und so viele Bilder, dass auch, wer nur schauen möchte, mit diesem Buch gut unterhalten ist.


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