Selenskyj will verhandeln, aber nicht kapitulieren

  08 März 2022    Gelesen: 517
Selenskyj will verhandeln, aber nicht kapitulieren

Der ukrainische Präsident Selenskyj zeigt sich bereit, über den Status der Halbinsel Krim und der Separatistengebiete in der Ostukraine zu verhandeln, auch über die Neutralität seines Landes. Das Interesse an der NATO habe er ohnehin verloren. Von den USA fordert er die Errichtung einer Flugverbotszone.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat sich bereit erklärt, mit Russland über die vom Kreml genannten Bedingungen für ein Ende des Kriegs zu verhandeln, zugleich aber deutlich gemacht, dass die Ukraine sich nicht ergeben werde. "Ich bin bereit für einen Dialog, aber wir sind nicht bereit zur Kapitulation", sagte er in einem Interview mit dem US-Fernsehsender ABC.

Kreml-Sprecher Dmitri Peskow hatte am Montag die russischen Forderungen für ein Ende des Krieges genannt. Russland werde seine "Sonderoperation" beenden, wenn die Ukraine ihre Verfassung ändere, um darin Neutralität zu verankern, wenn sie die Krim als russisches Territorium und die "Volksrepubliken" Donezk und Luhansk als unabhängige Staaten anerkenne.

Mit Blick auf die NATO-Mitgliedschaft sagte Selenskyj, er habe das Interesse daran schon vor langer Zeit verloren, nachdem er festgestellt habe, "dass die NATO nicht bereit ist, die Ukraine aufzunehmen". Die Allianz habe Angst vor Schwierigkeiten und vor einer Konfrontation mit Russland. Die Ukraine sei kein Land, "das auf Knien um etwas bittet".

Über die beiden anderen russischen Bedingungen sagte Selenskyj nach der englischen Übersetzung von ABC: "Ich spreche über Sicherheitsgarantieren. Ich denke, dass wir Punkte bezüglich der vorübergehend besetzten Gebiete (die Krim) und der nicht anerkannten Republiken (Donezk und Luhansk), die von niemandem außer Russland anerkannt wurden, diskutieren können und einen Kompromiss finden, wie diese Gebiete weiterleben werden." Für ihn sei wichtig, "wie die Menschen in diesen Gebieten leben werden, die Teil der Ukraine sein wollen".

"Putin lebt in einer Blase"

Selenskyj betonte, die Frage sei schwieriger, als diese Gebiete einfach nur anzuerkennen. Die russische Forderung bezeichnete er als "ein weiteres Ultimatum". Kreml-Sprecher Peskow hatte gesagt, die Ukraine müsse "ihre militärischen Handlungen" sofort einstellen, dann werde niemand mehr schießen.

Russlands Präsident Wladimir Putin müsse einen Dialog beginnen, statt in einer "Informationsblase ohne Sauerstoff" zu leben, sagte Selenskyj weiter. Putin lebe in einer Blase, in der er Informationen bekomme, von denen man nicht wisse, wie realistisch diese seien.

Im Interview mit ABC betonte Selenskyj auch, dass die Ukrainer bereit seien, "ihr ganzes Leben lang" gegen Russland zu kämpfen. Der Mut der Menschen, die sich in besetzten Städten unbewaffnet den russischen Truppen entgegengestellt hätten, sei beispiellos. Das Problem sei, dass die russische Armee zahlenmäßig und von der Ausrüstung her in der Übermacht sei. Deshalb hänge der Verlauf des Kriegs nicht allein von den Ukrainern ab. Zugleich sagte Selenskyj: "Wir werden durchhalten, und sogar, wenn sie in all unsere Städte kommen, dann wird es dort Aufstände gebe, einen Guerillakrieg, und niemand wird unsere Unabhängigkeit aufgeben."

"Es geht darum, die Ukraine zu zerstören"

Er habe US-Präsident Joe Biden gesagt, das wichtigste Thema derzeit sei die Einrichtung einer Flugverbotszone. Wenn eine Rakete das Kinderkrebszentrum eines Krankenhauses treffe, könne man nicht fragen, ob es richtig sei, diese Rakete abzuschießen, so Selenskyj. In der Ukraine werde die Freiheit verteidigt. "Wir sind jetzt dran, danach ihr", sagte er in Richtung des Westens. "Denn je mehr das Monster verschlingt, umso hungriger wird es."

Auf die Frage, was Putin mit der von ihm angeblich angestrebten "Entnazifizierung" der Ukraine meine, sagte Selenskyj: "Ich glaube, dass es bei der Entnazifizierung in diesem Fall darum geht, die (ukrainische) Nation zu zerstören." Putin hat für den russischen Überfall auf die Ukraine mehrere Gründe vorgebracht, darunter die angeblich geplante NATO-Ausdehnung auf die Ukraine, einen "Genozid" an Russen in der Ostukraine, eine "Entnazifizierung" der Ukraine sowie ein angebliches historisches Recht Russlands auf ukrainisches Territorium oder gar die ganze Ukraine.

Selenskyj setzte das russische Vorgehen mit Nazideutschland gleich: "Sie machen das Gleiche. Und das schockiert mich. Ich hätte nicht gedacht, dass man in der gegenwärtigen Welt so etwas tun kann." Auf die Frage, was er Putin sagen würde, antwortete der ukrainische Präsident, Putin könne den Krieg, den er angefangen habe, jederzeit stoppen. "Und selbst, wenn er nicht glaubt, dass er den Krieg angefangen hat, sollte er eine wichtige Sache wissen, eine Sache, die er nicht leugnen kann: Er ist es, der den Krieg stoppen kann."

Quelle: ntv.de, hvo


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