Iran: Warum der Rohani-Besuch platzte

  31 März 2016    Gelesen: 1075
Iran: Warum der Rohani-Besuch platzte
Österreich wollte der Forderung Irans nicht nachkommen, eine Demonstration aus dem Sichtfeld von Präsident Rohani zu verbannen. Danach schaltete das Regime in Teheran auf stur.
Bevor Staatsgäste nach Wien kommen, deponieren sie viele Wünsche, ganze Listen. Das Protokoll kümmert sich darum. Reine Routine. Am Ende löst sich meist alles in Wohlgefallen auf. Diplomaten und Sicherheitsleute haben noch immer elegante einvernehmliche Lösungen gefunden, auch für die kniffligsten Fragen der Etikette. Am Dienstag gelang das nicht: Die Iraner sagten kurzfristig den für Mittwoch und Donnerstag geplanten Besuch ihres Staatsoberhaupts, Hassan Rohani, in Wien ab. Aus Sicherheitsgründen, wie es hieß.

Am Tag nach dem Eklat fragte sich das offizielle Österreich noch immer konsterniert, was hinter der überraschenden Verschiebung der Visite steckt. Denn der iranische Präsident war in Wien nicht gefährdet. Es seien alle nötigen Sicherheitsvorkehrungen getroffen worden, beteuerten Hofburg und Innenministerium unisono – nicht anders als beim Besuch des russischen Präsidenten, Wladimir Putin, vor zwei Jahren.

Doch das sah die Vorhut Rohanis offenbar anders. Wie „Die Presse“ aus diplomatischen Kreisen erfuhr, drängten die Iraner am Dienstag ultimativ darauf, angemeldete Demonstrationen aus dem Umfeld der Hofburg zu verbannen. Es habe den Anschein, dass Österreich die Beziehungen zu „den Zionisten“ wichtiger seien als zum Iran, sagte auch ein iranischer Informant dem BBC-Journalisten Amir Paivar, der diese Mitteilung per Twitter Mittwochfrüh mit der Welt teilte.

Machtkampf in Teheran

Die Aktivisten des Bündnisses Stop the Bomb, verschiedene Kurdengruppen sowie die Israelitische Kultusgemeinde hatten von den österreichischen Behörden die Erlaubnis zu einer Protestveranstaltung beim Erzherzog-Carl-Reiterdenkmal auf dem Heldenplatz erhalten. Das war den Iranern offenbar nicht weit genug von der Hofburg entfernt. Doch in das Grundrecht der Versammlungsfreiheit wollten die Gastgeber aus lauter Höflichkeit dann doch nicht eingreifen. Schließlich hatten am Ende trotz aller Beschwerden auch die Chinesen vor viereinhalb Jahren Protestkundgebungen gegen Präsident Hu Jintao geduldet.

Die Verbannung der Demonstration aus dem Sichtfeld Rohanis war nicht die einzige Forderung der Iraner. Auf österreichischer Seite drängte sich am Ende der Verdacht auf, dass da Kräfte am Werk waren, die fieberhaft nach einem Vorwand suchten, um den Staatsbesuch zum Platzen zu bringen. Fiel Rohani einer Intrige seiner erzreaktionären Gegner in Teheran zum Opfer? War ein interner iranischer Machtkampf Grund für die Verschiebung?

Zum Newroz-Fest, dem persischen Neujahrsfest vor zehn Tagen, hatte der Präsident noch innenpolitische Reformen in Aussicht gestellt, während der oberste Führer, Ayatollah Ali Khamenei, den Kurs der Öffnung zumeist konterkariert. In Wien jedenfalls wollte die Präsidentschaftskanzlei keinerlei Vorwürfe auf sich sitzen lassen. „Wir haben alles getan, was nur irgendwie möglich war“, verlautete aus der Hofburg. Präsident Heinz Fischer selbst machte aus seiner Enttäuschung kein Hehl. „Der Besuch wäre wertvoll für Österreich und den Iran gewesen“, sagte er gegenüber dem Ö1-„Mittagsjournal“.

Fischer hatte viel Engagement in die Diplomatie mit dem Iran investiert. Wenige Tage nach dem Abschluss des Atomdeals in Wien im Juli übernahm er die Ägide über ein von der Wirtschaftskammer organisiertes österreichisch-iranisches Wirtschaftsforum in Wien. Zwei Monate später eröffnete er in der iranischen Hauptstadt eine noch größer angelegte Wirtschaftskonferenz beim ersten Besuch eines EU-Staatschefs seit der Einführung der Sanktionen gegen den Iran.

Fischer war mit großer Entourage und in Begleitung von Vizekanzler und Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner, Außenminister Sebastian Kurz und Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl gekommen – auch um gegen die Konkurrenz aus Deutschland, Italien und Frankreich zu bestehen, die in Teheran um Milliardenaufträge buhlt. Mit Rohani pflegt Fischer seit dessen Amtsantritt vor zweieinhalb Jahren freundschaftliche Beziehungen. Er traf ihn mehrmals am Rand der UN-Generalversammlung in New York.

Wirtschaftliche „Road Map“

Der Schwerpunkt der Rohani-Visite in Wien hätte erneut der Wirtschaft gegolten. Das Wirtschaftsforum in der Wirtschaftskammer (WKÖ) in Wien, zu dem bereits rund 100 Unternehmer aus dem Iran angereist sind, wird am Donnerstag dennoch über die Bühne gehen – „ohne politischen Beigeschmack und in abgespeckter Form“, wie ein WKÖ-Sprecher mitgeteilt hat. Zur Unterzeichnung von 15 Memoranden zur wirtschaftlichen Kooperation wird es zwar nun nicht kommen. Am Fahrplan zur Zusammenarbeit im Energiesektor oder im Bereich Umwelttechnologie werden die beiden Seiten trotzdem festhalten. Das Handelsvolumen soll bis 2020 verdoppelt werden.

Der offizielle Teil der Rohani-Visite hätte kaum mehr als 24 Stunden gedauert. Neben dem Treffen mit Fischer und der Eröffnung des Wirtschaftsforums hätte er einen Anstandsbesuch auf der anderen Seite des Ballhausplatzes, bei Kanzler Werner Faymann, absolviert.

Bundespräsident Fischer rechnet nun nicht mehr mit einer Wien-Visite während seiner noch rund dreimonatigen Amtszeit. Er wird wissen, warum. Den Besuch in Paris und Rom, den der Iran nach der Terrorserie im vorigen November abgesagt hatte, hatte Rohani innerhalb von zehn Wochen nachgeholt. Die Visite werde zu einem passenden Zeitpunkt und bei besseren Bedingungen stattfinden, schrieb die amtliche iranische Nachrichtenagentur Irna lakonisch.

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