Auf den griechischen Inseln droht eine Revolte

  01 April 2016    Gelesen: 709
Auf den griechischen Inseln droht eine Revolte
In wenigen Tagen tritt das Abkommen der EU mit der Türkei in Kraft: Mehr als 5000 Flüchtlinge sollen von den griechischen Inseln zurückgebracht werden. In den Camps ist mit heftigem Protest zu rechnen.
Die Stimmung unter den Flüchtlingen in Griechenland ist sehr gereizt. Immer mehr von ihnen geraten auf den überfüllten Inseln in der Ägäis aneinander, Proteste werden lauter. Mehr als 51.000 Migranten sind derzeit hier gestrandet. Sie alle haben wenig Aussicht, ihr Ziel Nordeuropa zu erreichen.

Die Balkan-Route ist geschlossen. Dazu hat die Europäische Union einen umstrittenen Deal mit Ankara geschlossen: Demnach soll die Türkei alle Flüchtlinge wieder zurücknehmen, die auf den griechischen Inseln ankommen. Im Gegenzug soll die EU für jeden abgeschobenen Syrer einen syrischen Flüchtling aus türkischen Camps aufnehmen. Ab Montag sollen die Transfers starten.

Damit sind die Flüchtlinge nun in zwei Gruppen geteilt:

Auf der einen Seite diejenigen, die vor dem 20. März europäischen Boden betraten, bevor also der Plan zwischen der Türkei und der EU vereinbart wurde. Sie wurden in Hotspots registriert, erhielten vorübergehendes Aufenthaltsrecht und wurden zum Festland gebracht. Die meisten von ihnen sind nun in Idomeni, Piräus oder in einem der neu eingerichteten Camps. Sie können sich frei bewegen - und hoffen, dass die Grenze wieder geöffnet wird.

Das gilt aber nicht für diejenigen, die nach dem 20. März kamen: Sie sollen zurück in die Türkei gebracht werden. 5300 Menschen gehören in diese Kategorie. Sie stehen unter Arrest, obwohl die meisten von ihnen vom Profil her klar als Flüchtling definiert werden könnten. Sie bleiben inhaftiert, bis ihr Status geklärt ist.
Zoff zwischen Afghanen und Syrern

Entsprechend steigt die Verzweiflung unter den Migranten. In der Nacht zum Freitag gerieten Flüchtlinge und Polizei in Chios aneinander. Laut Medien vor Ort wurden dabei zwei Menschen verletzt. Zuvor hatten einige das Vorhängeschloss am Eingang des Hotspots aufgebrochen.

Auch am Mittwochabend gerieten afghanische und syrische Flüchtlinge in Piräus aneinander. 6000 Menschen leben in dem dortigen Übergangslager. Auf Fotos ist zu sehen, wie sie sich mit Steinen bewerfen, mindestens acht Menschen wurden verletzt. Der Auslöser scheint nebensächlich zu sein: Einige berichten von einer syrischen Frau, die von einem Afghanen belästigt wurde, andere von einem Streit zwischen Kindern.

Zuvor hatten etwa 2000 Flüchtlinge in Athen demonstriert. Sie forderten offene Grenzen, einige von ihnen verbrannten die europäische Flagge.

In Idomeni, der Zeltstadt an der griechisch-mazedonischen Grenze, bleibt die Situation angespannt. Noch immer halten sich dort mehr als 11.000 Menschen auf, obwohl die griechische Regierung sie zum Umzug in organisierte Camps bringen wollte. In Idomeni wird um den Zugang zu Stromquellen oder Lebensmittelrationen gestritten.

Laut einem Bericht der griechischen Zeitung "Kathimerini" wird die Polizei vor Ort gestärkt: 150 Beamte werden demnach nach Lesbos, Samos, Chios, Leros und Kos geschickt. Weitere 105 sollen von Kiklis aus ihre Kollegen in Idomeni unterstützen.

Scharfe Kritik von Syriza-Mitgliedern

Der Deal mit der Türkei verändert aber auch die Politik der griechischen Syriza-Regierung. Monatelang wurde wenig getan, um die Migranten von ihrem Transit in Richtung Norden abzuhalten - eine Mischung aus Berechnung und Ideologie.

Das neue Vorgehen ist für einige Abgeordnete der linksgerichteten Regierungspartei nicht nachvollziehbar. Auch Syriza-Politiker auf Lesbos übten scharfe Kritik. Dort waren zwei Migranten in Handschellen abgeführt worden, um zur medizinischen Behandlung gebracht zu werden. Für die linken Politiker ein "unfassbarer" Vorgang.

Laut griechischen Behörden wollen rund Tausend Menschen im Moria-Camp auf Lesbos Asyl beantragen. Doch wie lange werden sie darauf warten müssen? Ein neues Gesetz zur Umsetzung des Türkei-Deals, das am heutigen Freitag vom griechischen Parlament beschlossen werden soll, verspricht schnellere Verfahren. Innerhalb einer Woche soll dann über Erfolg oder Misserfolg der Asylanträge geurteilt werden. Auch über eine Anfechtung soll dann innerhalb einer Woche entschieden werden.

Ist das machbar, realistisch? Im Moment definitiv nicht. In Lesbos etwa wickeln weniger als zehn Mitarbeiter die Asylgesuche ab. 2500 EU-Mitarbeiter sollen die Arbeit beschleunigen. Bisher kamen laut den griechischen Asylbehörden jedoch "nicht mehr als ein paar Dutzend" von ihnen an. Und bevor sie auf den griechischen Inseln stationiert werden, sollen sie intensiv geschult werden. Was also konkret am Montag passiert, ob die ersten Flüchtlinge zurückgeschickt werden, kann im Moment niemand genau sagen.

Bleibt noch die Frage, wie sicher die Türkei überhaupt für Flüchtlinge ist. In dem Gesetz, über das Athen nun abstimmt, wird die Türkei nicht als sicheres Drittland erwähnt. Es gebe keine Notwendigkeit dazu, die Türkei als sicher zu erklären, sagte ein Vertreter der griechischen Regierung SPIEGEL ONLINE. "Was wir brauchen, sind verbesserte Asylrechte und bessere Bedingungen in der Türkei." Wenn alles vorbereitet sei, würden alle Asylanträge untersucht und Fall für Fall entschieden werden. "Dabei wird dann entschieden, ob sie in der Türkei sicher sind oder nicht."

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