“Tesla ist nicht das neue Apple“

  02 April 2016    Gelesen: 968
“Tesla ist nicht das neue Apple“
Tesla fährt sein neues Model 3 an den Start. Der Preis ist eine Kampfansage. Müssen sich die deutschen Autobauer Sorgen machen? Was spricht für einen Erfolg, was dagegen? Wie steht es mit der Reichweite? Und welche Rolle spielt Firmenchef Musk? n-tv.de Autoexperte Helmut Becker verrät es im Interview.
n-tv.de: Herr Becker, Tesla hat sein Model 3 präsentiert. Was ist Ihr erster Eindruck von dem neuen Elektroauto?

Helmut Becker: Rein optisch ist es durchaus sehr gefällig. Es passt in der Formensprache sehr gut hinein in die Familie der Opel Astras, Honda Civics und auch der Mazdas. Sollten die Wettbewerber Audi, BMW und Daimler heißen, habe ich so meine Probleme. Aber vielleicht ist das ja zu subjektiv.

Mit einem Kampfpreis von rund 31.000 Euro soll das Model 3 in der Mittelklasse Fuß fassen. Ist der Preis dafür niedrig genug?

Der Preis liegt an der Oberkante. Da wird sich Tesla in den USA schwer tun. Aber in Europa ist er durchaus vertretbar.

Kann es ein E-Auto für die breite Masse werden?

Das hängt nicht vom Preis ab. Die Alltagstauglichkeit ist es, die zählt. Und da habe ich große Bedenken: Allein schon das Glasdach, das von der Frontscheibe über das ganze Dach bis zum Heck reicht. Nice to see, but … Da muss der Innenraum in Kaliforniern gekühlt und in Europa im Winter geheizt werden. Wenn man bedenkt, dass allein die Klimaanlage rund ein Drittel der Batteriekapazität eines E-Autos - auch der Tesla-Fabrikate - verbraucht, wie soll das mit einer versprochenen Reichweite von 350 Kilometern zusammenpassen?

Dennoch gibt es bereits rund 115.000 Vorbestellungen nach nur einem Tag: Worin liegt der Hype begründet?

In der gleichen Ignoranz der Käufer wie jene der Tesla-Aktionäre. Letztere haben bis heute keine Dividende gesehen.

Die Reichweite - Sie haben es bereits erwähnt - soll bei rund 350 Kilometern liegen und damit weit über der vergleichbarer deutscher Konkurrenten wie dem i3 und dem i8 von BMW. Müssen sich die deutschen Autobauer Sorgen machen?

Ja, müssen sie in der Tat - wenn sie sogenannte E-Autos verkaufen wollen, die elektrisch betrieben gerade mal 150 Kilometer oder gar nur 30 Kilometer wie beim BMW i8 weitkommen. Aber da wird sich in Zukunft sicher mehr tun. Audi und Porsche haben schon E-Autos mit Reichweiten von 500 Kilometern angekündigt - ich betone: angekündigt. Noch sind sie nicht da.

Ist Tesla ein Technologieunternehmen oder ein Autobauer?

Die Firma Tesla für sich genommen: ganz klar Autobauer. Allerdings mit hohem technologischen und IT-übergreifenden Ambitionen. Aber sonst: vier Räder, Steuerrad, Bremsen, Getriebe, Kofferraum vorne und hinten wie beim früheren VW-Porsche 914. Alles in allem also keine Revolution. Alles schon einmal dagewesen.

Das ganze Auftreten von Konzernchef Elon Musk und auch die Präsentation und die Geheimniskrämerei um die Produkte erinnern stark an Steve Jobs und Apple. Hat Tesla das Zeug dazu, das neue Apple zu werden?

Nein, Tesla ist und bleibt eine Automarke. Allerdings eine Marke, die den Markt stark in Bewegung gebracht hat. Aber das, was Tesla mit dem E-Auto kann, können die deutschen Hersteller unisono auch - und das seit Beginn des 20. Jahrhunderts. Das E- Auto ist ja keine Erfindung von Elon Musk, das hat Altvater Ferdinand Porsche schon vor 120 Jahren gekonnt, ein Auto nur mit Batterien zu betreiben. Nur waren die eben schwer wie Blei. Musk selbst ähnelt mit all seinen technischen Visionen und Projekten zu Land und im Weltall eher Jules Verne. Mit dem einen Unterschied, dass der eine seine Utopien nur aufs Papier gebracht hat, während Musk sie auch noch umsetzt. Gott sei Dank, kann ich als Ökonom nur sagen. Denn nur solche `schöpferischen` Pionierunternehmer bringen die Wirtschaft voran. Ich würde mir daher sehr wünschen, dass der Tesla Model 3 ein Erfolg wird. Wettbewerb macht munter.

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