Wie gefährlich ist der Affenpocken-Ausbruch?

  20 Mai 2022    Gelesen: 746
  Wie gefährlich ist der Affenpocken-Ausbruch?

Die Affenpocken breiten sich weiter aus, auch in Deutschland wird jetzt eine erste Infektion diagnostiziert. Ist das ein Grund zur Besorgnis, steht die Welt vor einer neuen Pandemie? Wissenschaftler raten zur Kontaktnachverfolgung und Aufmerksamkeit, sehen aber bisher keinen Anlass zur Besorgnis.

Das erste Mal treten Affenpocken außerhalb Afrikas gehäuft auf. Nachdem vergangene Woche in Großbritannien mehrere Fälle auftraten, melden immer mehr Länder ebenfalls Infektionen. Zu ihnen gehören Portugal, Spanien, Italien, Schweden, Belgien, die USA, Kanada und Australien. Auch in Deutschland wurde jetzt die erste Affenpocken-Infektion registriert . Das RKI warnt im jüngsten Epidemiologischen Bulletin vor dem Erreger und ruft dazu auf, Verdachtsfälle umgehend zu melden.

Wie schlimm kann es noch kommen? Ist das Virus für Menschen gefährlicher geworden, gibt es Medikamente dagegen und droht vielleicht sogar eine neue Pandemie? Drei Wissenschaftler haben dem Science Media Center (SMC) dazu ihre Einschätzung gegeben.

"Ungewöhnliche Entwicklung"

"Wir hatten in Europa bisher noch keine größeren Ausbrüche von Affenpocken, daher ist die aktuelle Entwicklung ungewöhnlich", sagt Charlotte Hammer, College Position Fellow für neu auftretende Infektionskrankheiten am Downing College Cambridge. "Zuvor waren Affenpocken-Fälle in Europa in der Regel sehr sporadisch und mit Reiserückkehrern aus zum Beispiel Nigeria assoziiert."

Man wisse zurzeit nur wenig über Affenpocken, da die Forschung hierzu unterfinanziert und unterrepräsentiert sei, bemängelt sie. "Aktuell sind etwa 1500 Fälle bekannt, das heißt, unser Wissen basiert nur auf einigen wenigen Fällen."

"Wir brauchen dringend gute epidemiologische Daten, um zu verstehen, ob und wie die Fälle zusammenhängen, sagt Hammer. "Wichtig wären auch eine Sequenzierung der Genome der Affenpockenviren, denn so könnten wir sehen, ob es Hinweise auf eine Veränderung des Erregers gibt, welche zum Beispiel auf eine bessere Übertragbarkeit schließen lassen. Sequenzdaten helfen auch Infektionsketten zu erkennen und Hinweise auf den Ursprung zu bekommen.

Eine Meldepflicht für Affenpocken hält sie für sinnvoll. "Ein wichtiger Punkt sind Kontaktnachverfolgungen, die aktuell auch stark in den betroffenen Ländern betrieben werden und eine Kernfunktion des Gesundheitswesens sind." Hammer erwartet weitere Fälle, "wenn die Übertragungswege wie bisher vermutet über engen Körperkontakt erfolgen, ist ein größerer Ausbruch aber eher unwahrscheinlich."

"Es gibt wirksame Medikamente und Impfstoffe"

Fabian Leendertz erkennt bereits eine Epidemie, es sei jedoch sehr unwahrscheinlich, dass sie lange andauere. "Die Fälle über Kontaktverfolgung sind gut einzugrenzen und es gibt auch Medikamente und wirksame Impfstoffe, die gegebenenfalls eingesetzt werden können" so der Gründungsdirektor des Helmholtz-Institut für One Health (HIOH), Greifswald, und Leiter der Projektgruppe "Epidemiology of Highly Pathogenic Microorganisms" am Berliner RKI.

Die Krankheit sei auch leicht zu diagnostizieren, da es meist die recht typischen Hautveränderungen gebe. "Auch die verschiedene PCR-Systeme sind gut etabliert; die Sequenzierung der Gesamtgenome unproblematisch und serologische Methoden sind ebenfalls vorhanden."

"Auch die Affen sind nur Opfer"

Auch Gerd Sutter vom Institut für Infektionsmedizin und Zoonosen, Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU), München schätzt die Gefahr einer größeren Affenpocken-Epidemie in Deutschland als gering ein. Erstinfektionen seien zoonotischen Ursprungs. Das bedeute, sie erfolgten in der Regel durch direkten Kontakt zu Wildtieren, beispielsweise bei der Jagd und Zubereitung von Wildbret.

Das ursprüngliche Tierreservoir des Erregers ist dabei trotz seines Namens nicht in Affen zu finden. Sie seien "ebenfalls Opfer wie wir selbst", sagt Fabian Leendertz. Im Verdacht stünden vor allem afrikanische Nagetiere. Es gäbe unter anderem Berichte, wonach das Virus in Eichhörnchen gefunden worden sei.

"Im Vergleich zu Covid-19 ineffizient"

Bei den aktuell in Europa beobachteten Fällen von Affenpocken handele es sich mit großer Wahrscheinlichkeit um ursprünglich aus Nigeria eingeschleppte Infektionen. "Übertragungen von Mensch zu Mensch sind möglich und erfordern in der Regel direkten Kontakt zu Infizierten", sagt Sutter. "Eine Übertragung durch Aerosole ist experimentell möglich, spielt aber bei der natürlichen Infektion eine höchstens untergeordnete Rolle."

Übertragungen der Affenpocken seien daher im Vergleich zu anderen Infektionen wie zum Beispiel Influenza oder Covid-19 "relativ ineffizient und führten in Verbindung mit adäquaten Maßnahmen zur Diagnose und Kontaktermittlung meist nur zur Ausbildung kurzer Infektionsketten."

Quelle: ntv.de, kwe


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