100 Tage nach Beginn der russischen Offensive in der Ukraine sieht der Kreml "bestimmte" Ziele als erreicht an. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow sagte vor Journalisten, "zahlreiche Orte" seien durch Russland von "bewaffneten, pro-nazistischen ukrainischen Kräften" und "nationalistischen Elementen" "befreit" worden. Dies habe der Bevölkerung eine Rückkehr zu einem "Leben in Frieden" ermöglicht. Peskow ergänzte: "Diese Anstrengung wird weitergehen, bis alle Ziele der militärischen Spezialoperation erfüllt sind."
Russland hatte seine weitreichende Offensive gegen die Ukraine am 24. Februar gestartet und sie mit dem Schutz der russischsprachigen Bevölkerung im Donbass vor einem angeblichen "Genozid" gerechtfertigt. Ein Teil der Region im Osten der Ukraine wird seit 2014 von pro-russischen Separatisten kontrolliert.
Moskau geht es zudem nach eigenen Angaben darum, die ukrainische Führung zu "entnazifizieren". Die pro-westliche Politik Kiews wird in Russland seit Jahren als Bedrohung angesehen. Der anfängliche russische Angriff auf die ukrainische Hauptstadt Kiew war indes gescheitert. Die russischen Streitkräfte konzentrieren sich inzwischen auf den Donbass im Osten der Ukraine, wo seit Wochen heftige Kämpfe stattfinden und die Russen mit großer Mühe militärische Fortschritte erreichen. Mit Blick auf die Bevölkerung im Donbass sagte Peskow am Freitag: "Bezüglich der Sicherheit laufen gerade Maßnahmen, bestimmte Ergebnisse wurden erreicht."
Sjewjerodonezk weiter heftig umkämpft
Doch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj erklärte, dass Russland sich nicht durchsetzen werde: "Unser Team ist viel größer. Die ukrainischen Streitkräfte sind hier. Das Allerwichtigste - die Menschen, unsere Staatsbürger - sind hier. Verteidigen die Ukraine schon seit 100 Tagen", sagte Selenskyj in einem Video. Es zeigt Selensky mit Ministerpräsident Denys Schmygal und weiteren engen Regierungsangehörigen vor der Präsidialverwaltung in Kiew und erinnert an eine Botschaft, welche die Regierung unmittelbar nach Kriegsbeginn aufgenommen hatte, um zu demonstrieren, dass sie im Land bleiben werde, um es zu verteidigen. Regierungschef Schmygal erklärte, die Ukraine gehe hundert Tage nach Kriegsbeginn "der europäischen Familie entgegen", während Russland sich auf "ein Leben hinter dem 'eisernen Vorhang' und in Isolation von der entwickelten Welt" zubewege.
Auch am 100. Tag des Kriegs stemmt sich die Ukraine gegen den Ansturm des russischen Militärs. Der Fokus des Kampfgeschehens liegt weiterhin auf der Schlacht um Sjewjerodonezk. Der Gouverneur der Region Luhansk, Serhij Gaidai, sagte, er müsse leider einräumen, dass es der russischen Armee gelungen sei, tief in die strategisch wichtige Industriestadt im Osten der Ukraine vorzudringen. "Sie kontrolliert den größten Teil der Stadt." Etwa ein Fünftel sei aber eine umkämpfte "Grauzone", in der die ukrainischen Kämpfer ausharrten und Russen aus einigen Straßen vertreiben konnten.
"Ich würde also Skeptikern raten, Sjewjerodonezk nicht abzuschreiben. Dafür ist es noch zu früh. Die Stadt hält stand." Viele Experten rechneten zu Anfang der Invasion damit, dass die Ukraine nach wenigen Tagen besiegt sein würde. Doch relativ schnell musste das russische Militär einige empfindliche Rückschläge einstecken. Im März etwa schlugen die Ukrainer Russland vor den Toren der Hauptstadt Kiew zurück, später gelang dies auch in Charkiw, der zweitgrößten Stadt. Russland verlagerte sich schließlich verstärkt auf den Osten des Landes, wo es trotz heftiger Verluste zuletzt immer mehr Boden gutmachen konnte. Insgesamt kontrolliert Russland inzwischen etwa ein Fünftel der Ukraine.
Quelle: ntv.de, lve/AFP/rts
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