Der kleine griechische Hafen von Alexandroupolis, 15 km von der türkischen Grenze entfernt, brummt seit einigen Wochen vor Aktivität. Der Grund: Der russische Angriffskrieg in der Ukraine. Für die NATO ist Alexandroupolis im Osten Griechenlands von strategischer Bedeutung. Er ist eine Drehscheibe des Nachschubs der USA für ihre Einheiten in Osteuropa. Außerdem liefern sie von hier aus Waffen in die Ukraine.
Das Bündnis dürfte deshalb beunruhigen, dass die Regierung in Athen den Hafen privatisieren will. Die Bieterfrist läuft heute ab. Als Favorit gilt Dimitris Coupelouzos - ein griechischer Milliardär, dem hervorragende Kontakte in den Kreml nachgesagt werden.
Der Hafen ist für die NATO deshalb so wichtig, weil von ihm Straßen- und Bahnverbindungen nach Bulgarien und Rumänien - und damit zur Ostflanke - starten. Seit Beginn der russischen Invasion auf die Ukraine sind mehr als 3000 Soldaten der USA sowie Hunderte gepanzerte Fahrzeuge und Panzer zum Hafen gebracht worden. Von dort ging es dann weiter mit der Bahn nach Rumänien und in andere osteuropäische NATO-Mitgliedsstaaten. Griechenland nutzt die Verbindung, um vier Batterien des Flugabwehrsystems ASRAD nach Bulgarien zu bringen.
Zudem transportieren vor allem die USA auf diesem Weg in wenigen Stunden Waffen und anderes Gerät in die Ukraine. Das erspart den Amerikanern den Weg über das Wasser. Der Bosporus wird von der Türkei kontrolliert und im Schwarzen Meer sind russische Kriegsschiffe unterwegs. Die Türkei ist derzeit nicht der zuverlässigste NATO-Partner. Türkische Flugzeuge verletzen immer wieder griechischen Luftraum. Außerdem droht Präsident Recep Tayyip Erdogan, den NATO-Beitritt Finnlands und Schwedens zu verhindern.
Mit dem Revolver aufs Spielfeld
Ein weiterer Vorteil des Hafens: Er hat - im Gegensatz zu den größere Häfen Thessaloniki und Piräus - viel freie Kapazität. Zudem werden diese Häfen von Konsortien kontrolliert, die entweder Verbindungen zur russischen oder chinesischen Regierung haben.
Und das könnte bei Alexandroupolis bald auch der Fall sein. Die griechische Regierung will den Hafen privatisieren und 67 Prozent der Anteile verkaufen. Hinter zwei der vier Konsortien, die noch im Rennen sind, stehen US-amerikanische Investoren.
Das dritte Konsortium wird von Ivan Savvidis angeführt, einem griechisch-russischen Oligarchen. Er war viele Jahre im russischen Parlament Abgeordneter der Kreml-Partei "Einiges Russland". Ihm gehört der griechische Fußball-Klub PAOK Thessaloniki. Er wurde über die Grenzen Griechenlands bekannt, als er 2018 im Spitzenspiel gegen AEK Athen nach einem aberkannten Tor mit einer Pistole im Gürtel auf das Spielfeld stürmte und sich dem Schiedsrichter näherte.
Als Favorit gilt allerdings Dimitris Copelouzos. Der griechische Milliardär ist in den Bereichen Energie, Infrastruktur, Immobilenentwicklung und Medien unterwegs. Er saß auch im griechischen Parlament. Dem "Economist" zufolge hat Copelouzos langjährige Geschäftsverbindungen nach Russland. Er hält beispielsweise die Hälfte der Anteile an einem Joint-Venture mit dem russischen Energieriesen Gazprom, das einen Großteil des in Griechenland verbrauchten Gases liefert.
"Haben wir mitbekommen"
Copelouzos sei einer der "wenigen griechischen Geschäftsleute, die Geschäftsbeziehungen mit Russland haben", zitiert die britische Zeitung die Denkfabrik Centre for the Study of Democracy. Seit mindestens vier Jahrzehnten sei er mit seiner Holding ein Mittelsmann für russische Interessen in Griechenland. Als der russische Präsident Wladimir Putin 2001 Griechenland besucht, traf er auch Copelouzos.
In letzter Zeit kam der Milliardär allerdings auch mit den USA ins Geschäft. Eine seiner Firmen renovierte die US-Botschaft in Athen. Seine Holding ist außerdem der größte Investor des geplanten Flüssiggas-Terminals, das vor dem Hafen von Alexandroupolis gebaut werden soll. Von dort aus sollen von 2023 an auch andere Staaten Südosteuropas mit Gas versorgt werden, das aus den USA geliefert wird.
Medienberichten zufolge habe die US-Regierung der griechischen Seite klargemacht, dass sie es begrüße, wenn ein US-Konsortium künftig den Hafen betreibe. Die Sorge sei, dass andernfalls Russland einen guten Einblick in die Aktivitäten des Hafens bekomme oder den Ausbau bremse.
Das käme dem US-Militär sehr ungelegen, das dort eine Basis unterhält. Die Regierung in Moskau dürfte genau beobachten, wer den Zuschlag erhält. In einem Gespräch mit seinem Amtskollegen Nikos Dendias sagte der russische Außenminister Sergej Lawrow: "Natürlich haben wir mitbekommen, in welche Richtung die Amerikaner diesen Hafen benutzen können."
Quelle: ntv.de, mit AFP/dpa
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