Fracking? "Keine schnelle Lösung" für Energiekrise

  16 September 2022    Gelesen: 534
  Fracking? "Keine schnelle Lösung" für Energiekrise

Im Kampf gegen die Energiekrise sucht die Bundesregierung nach Alternativen. Unter Deutschland schlummern noch ungenutzte Gasreserven. Die könnten per unkonventionellem Fracking herausgepresst werden. Die Einführung der umstrittenen Methode würde aber Jahre dauern, sagt die Vorsitzende der Bundestags-Expertenkommission.

Deutschland ringt um jeden Kubikmeter Gas, spätestens seit Russland kein Erdgas mehr über die Pipeline Nord Stream 1 schickt. Hierzulande wird zwar eigenes Gas gefördert, allerdings mittlerweile nicht mehr viel. Vergangenes Jahr wurden in Deutschland 5,2 Milliarden Kubikmeter Erdgas gefördert, hauptsächlich in Niedersachsen. Das deckt gerade einmal rund fünf Prozent des jährlichen Bedarfs in Deutschland.

Doch tief in der Erde schlummern Gasvorräte, die noch nicht angezapft sind. "Wenn wir jetzt nur auf die Abschätzung der Gasvorräte in unkonventionellen Lagerstätten schauen, dann gibt es einen Mittelwert von etwa 800 Milliarden Kubikmeter", sagt Charlotte Krawczyk im ntv-Podcast "Wieder was gelernt". Sie ist Vorsitzende der Expertenkommission Fracking, die zur Beratung des Deutschen Bundestages 2017 eingesetzt wurde.

Mit unkonventionellen Lagerstätten sind Gesteinsschichten wie zum Beispiel Tongestein oder Kohleflözgestein gemeint, in denen Gas fest eingeschlossen ist. Wie groß genau der Gasvorrat tief unter der Erde wirklich ist, kann erst durch Probebohrungen herausgefunden werden. Mögliche Gaslagerstätten gibt es hauptsächlich in Norddeutschland und in Nordrhein-Westfalen, kleinere im Süden Deutschlands.

"Es bleiben immer Risiken bestehen"

Gefördert werden könnte das Gas durch Fracking. Das beschreibt den Prozess, in dem Gas mit Hilfe von Druck, Wasser und Chemikalien aus den Gesteinsschichten herausgepresst wird. Es werden kleine Risse im Gestein erzeugt. Dadurch wird das Gas freigesetzt und es kann mit Bohrleitungen nach oben geleitet werden.

Eine Methode, die Erdbeben, Wasserverunreinigungen und Methanemissionen auslösen kann. Deshalb ist Fracking in diesen unkonventionellen Lagerstätten seit 2017 in Deutschland verboten. "Man muss ganz klar festhalten, dass jeder Eingriff in den Untergrund und damit auch die Förderung von Rohstoffen aus dem Untergrund Konsequenzen hat", sagt Charlotte Krawczyk. "Folglich bleiben auch immer Risiken bestehen."

Konventionelles Fracking seit Jahrzehnten genutzt

In Deutschland gibt es keine Erfahrungen mit unkonventionellem Fracking. Schon seit Jahrzehnten allerdings ist das konventionelle Fracking verbreitet. Seit den 1960er Jahren wird es genutzt, um Erdgas zu gewinnen, vor allem in Niedersachsen. Rund 300 Fracking-Bohrungen gab es bisher. Beim konventionellen Fracking wird Erdgas vor allem aus Sandstein gefördert. Diese Methode ist erlaubt, unter Auflagen. Allerdings gehen die Fördermengen zurück.

Die Technik für das unkonventionelle Fracking ist eine etwas andere. Getestet werden könnte sie mit Probebohrungen. Maximal vier wissenschaftliche Probebohrungen sind nach dem jetzigen Gesetz erlaubt. Die Industrie müsste sie beantragen. Doch die hat ihre Lizenzen zurückgegeben und plant keine neuen Anträge.

Für den möglichen Beginn von Fracking in unkonventionellen Lagerstätten schlägt die Expertenkommission einen Testbetrieb vor. "So kann beispielsweise erprobt werden, wie groß die Drücke sein dürfen, mit denen das Gestein stimuliert werden muss", erläutert Charlotte Krawczyk im Podcast. Diese müssten höher sein als zum Beispiel in konventionellen Lagerstätten. Zudem müsste vorab die Geologie untersucht werden. "Erst dann kann abgeschätzt werden, welche Auswirkungen durch diesen Eingriff tatsächlich verursacht werden."

Man könnte dabei auf Erfahrungen der vergangenen Jahre zurückgreifen, sagt Charlotte Krawczyk. "Man weiß ziemlich gut auch aus anderen Bohrungen für konventionelle Lagerstätten, wie gebohrt wird und wie Bohrplätze abgesichert werden müssen und welche Fluide eingesetzt werden können."

  Erdbeben durch Fracking in Deutschland "unwahrscheinlich"

Unkonventionelles Fracking ist wegen der vielen Risiken umstritten, auch für die Umwelt. Kritisiert wird unter anderem, dass Methan aus den Bohrlöchern freigesetzt werden kann, was zur Erderwärmung beiträgt.

Ein weiteres Argument ist die Erdbebengefahr. Da durch Druck das Gestein aufgebrochen wird, können kleinere Erdbeben entstehen. Diese seien aber durch erhöhte Sicherheitsbestimmungen in Deutschland sehr unwahrscheinlich, sagt der Geophysiker Marco Bohnhoff, Leiter der Abteilung Geomechanik und wissenschaftliches Bohren am Geoforschungszentrum in Potsdam, im "Wieder was gelernt"-Podcast. Spürbare Seismizität sei nicht unmöglich. Aber durch wissenschaftliche Begleitung könne man die Prozesse eindämmen, so Bohnhoff.

Kritisiert wird auch, dass in der Fracking-Flüssigkeit nicht nur Wasser, sondern auch möglicherweise giftige Chemikalien enthalten sind. Welche genau, müssen die Unternehmen nicht sagen. Durch Risse kann das Chemie-Gemisch im Laufe der Zeit das Grundwasser verschmutzen. Charlotte Krawczyk sagt, zu den Chemikalien gebe es längst umweltfreundliche Alternativen. "Das ist auch gängige Praxis, weil es gar nicht erlaubt ist, Grundwasser gefährdende Stoffe in den Untergrund einzubringen." Das Grundwasserrecht in Deutschland sei in dieser Hinsicht weit fortgeschritten.

Unkonventionelles Fracking einführen? "Dauert mehrere Jahre"

Seit Beginn des Kriegs in der Ukraine gibt es immer wieder Forderungen, Fracking in Deutschland neu zu bewerten. Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder zum Beispiel will prüfen, ob es neue und umweltverträgliche Methoden gibt. Auch die FDP ist dafür.

Selbst wenn Fracking eine Option wäre - schnell umzusetzen, möglichst noch diesen Winter, ist es nicht. "Das Fracking unkonventioneller Lagerstätten einzuführen, würde mehrere Jahre Zeit benötigen. Es ist also gar keine schnelle Lösung", betont Charlotte Krawczyk. Das Wasserhaushaltsgesetz verbiete Fracking unkonventioneller Lagerstätten im industriellen Maßstab. "Das heißt, hier bedarf es einer Gesetzesänderung. Manchmal kann das sehr schnell gehen, aber es braucht seine Zeit." Nach einer Änderung könnten Firmen Konzessionen beantragen. Doch auch dafür benötigten die zuständigen Behörden Zeit, sagt die Expertin.

Vorerst ist Deutschland deshalb auf Gas aus dem Ausland angewiesen. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck ist zwar gegen Fracking, will aber unter anderem bald mehr Flüssiggas aus den USA importieren. Das stammt größtenteils aus Fracking-Lagerstätten. Drei LNG-Terminals sollen zum Jahreswechsel dafür an den Start gehen.

In den USA ist Fracking seit den 1940er Jahren verbreitet. Seit Beginn dieses Jahrtausends hat es einen Boom erlebt. Doch selbst dort ändert sich die Stimmung. Der US-Bundesstaat Kalifornien will unkonventionelles Fracking 2024 verbieten.

Quelle: ntv.de


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