Kurz nach dem Abzug der russischen Truppen aus der ukrainischen Gebietshauptstadt Cherson und weiteren Orten nördlich des Dnipro hat Russland nach eigenen Angaben mit Angriffen auf die gerade erst aufgegebene Region begonnen. "Aktuell werden Truppen und Militärtechnik der ukrainischen Streitkräfte auf dem rechten Ufer des Flusses Dnipro beschossen", teilte Russlands Verteidigungsministerium mit. Russland betrachtet die Region Cherson als eigenes Staatsgebiet. Zusammen mit drei weiteren ukrainischen Oblasten wurde die Region im September illegal annektiert.
Nur wenige Stunden zuvor hatte Igor Konaschenkow, der Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums, mitgeteilt, alle russischen Einheiten in dem südukrainischen Gebiet seien auf die linke Flussseite gebracht worden. Der "Transfer" - der Berichten zufolge unter ukrainischem Beschuss stattfand - sei ohne Verluste abgeschlossen worden. Insgesamt handelt es sich laut Angaben aus Moskau um mehr als 30.000 Soldaten, die nun südöstlich des Dnipro stationiert seien.
Die ukrainische Seite hatte sich auf Angriffe auf die gerade erst zurückeroberten Orte bereits eingestellt. Die Pressesprecherin des Kommandos Süd der ukrainischen Armee, Natalija Humenjuk, erklärte am Freitag im ukrainischen Fernsehen, die Streitkräfte rechneten mit "massivem Beschuss" von Cherson. Das sei alleine schon durch die Nähe der neuen Verteidigungslinie der Russen auf dem gegenüberliegenden Ufer des Dnipro begründet, sagte sie.
In Cherson wurden die ukrainischen Truppen von Einwohnern der Stadt mit Jubel empfangen. Ukrainische Behörden warnten unterdessen vor Minen und Sprengfallen, die von den Russen zurückgelassen worden sein könnten. Der Regionalrat von Cherson rief dazu auf, verdächtige Gegenstände und verlassene Fahrzeuge der Russen nicht zu berühren und von den Russen genutzte Gebäude nicht zu betreten. In der Region Cherson wurden Berichten zufolge vier Zivilisten verletzt, darunter zwei Kinder, als ihr Fahrzeug über eine Mine fuhr. Der Regionalrat warnte auch, russische Soldaten könnten sich in Zivilkleidung weiter in der Gegend aufhalten und "Provokationen" verüben.
Hinweise auf Kriegsverbrechen
Erneut gibt es Hinweise auf mögliche russische Kriegsverbrechen. Die ukrainische Nachrichtenagentur Ukrinform meldet, in einem befreiten Dorf in der Region Cherson seien Überreste von drei Zivilisten mit Schädelbrüchen entdeckt worden.
Russland hatte am Mittwoch den Truppenabzug aus den nordwestlich des Dnipro gelegenen Gebieten angekündigt, weil die Versorgung der eigenen Soldaten unmöglich war, nachdem die ukrainische Armee die Brücken zumindest für schwere Fahrzeuge unpassierbar geschossen hatte.
Quelle: ntv.de, hvo/dpa
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