Mysteriöser Angriff auf russische Wagner-Truppen in Zentralafrika

  01 Dezember 2022    Gelesen: 622
  Mysteriöser Angriff auf russische Wagner-Truppen in Zentralafrika

Eine Drohne oder ein Hubschrauber greift in der Nacht eine Basis russischer Söldner in der Zentralafrikanischen Republik an. Sofort gehen die Spekulationen los: Waren es die Franzosen oder die Ukrainer? Hintergrund ist ein nahezu zehn Jahre dauernder Bürgerkrieg im Land.

Es klingt wie eine filmreife Räuberpistole: Ein "unbekanntes Flugobjekt" ohne Licht sei tief in der Nacht von Sonntag auf Montag in den Luftraum der Zentralafrikanischen Republik eingedrungen, heißt es in einer offiziellen Pressemitteilung der Regierung des afrikanischen Landes. Es habe eine Bombe über Baumwollfabrik in der Stadt Bossangoa im Norden des Landes abgeworfen, die als Militärbasis dient.

Durch die gewaltige Explosion sei "erheblicher Sachschaden" entstanden. Auch Soldaten der nationalen Armee seien betroffen, sowie die Truppen "unserer Verbündeten". Gemeint sind die russischen Söldner der Sicherheitsfirma Wagner, die für den Kreml nicht nur in der Ukraine schmutzige Aufträge erledigt. Erst wenige Tage vor dem Angriff waren Wagner-Söldner in dieser Baumwollfabrik untergebracht worden.

Zu Toten und Verletzten machte die Regierung der Zentralafrikanischen Republik keine Angaben. "Das Flugobjekt flog, nachdem es diese Verbrechen begangen hat, gen Norden und überquerte dort unsere Grenzen", heißt es in der Mitteilung. Eine Untersuchung des Vorfalls werde eingeleitet, um die Verantwortlichen auszumachen für die "unwürdige Tat, die von den Feinden des Friedens begangen wurde". Die Regierung kündigte zudem Vergeltung an.

Waren es die Franzosen? Die Ukrainer? Die Sudanesen?

Einwohner von Bossangoa berichteten, die russischen Söldner hätten im Morgengrauen in die Luft geschossen, um "ihrer Wut Ausdruck zu verleihen", wie der lokale Journalist Robert Faradanga am Montag in einer Radiosendung sagte: "Im Moment ist die Stadt ruhig, die Läden haben noch nicht geöffnet, denn die Menschen haben Angst, ihren Geschäften nachzugehen." Der Bürgermeister von Bossangoa, Pierre Denamguere, sagt, das Flugobjekt, das kaum Geräusche verursachte, sei ohne Licht geflogen und habe vier Bomben fallen lassen. Eine sei im Garten eines Hauses nahe der Baumwollfabrik explodiert. Sie habe Nägel und andere Schrapnellen enthalten, erzählen die Anwohner.

Der Vorfall ist einer der mysteriösesten Vorkommnisse in dem kleinen zentralafrikanischen Land, in dem seit 2013 Bürgerkrieg herrscht. Sofort wurden Spekulationen über die Herkunft des Flugobjektes laut: Waren es die Franzosen? Die Ukrainer? Die Sudanesen oder das nördliche Nachbarland Tschad?

Der Angriff und die Spekulationen darum bergen politischen Sprengstoff. Denn obwohl der Konflikt in dem kleinen Land mit gerade einmal fünf Millionen Einwohnern lokale Ursachen hat, spielt sich dort Weltpolitik ab. Die zentralafrikanische Republik war einst französische Kolonie und bis zum Sturz der Frankreich-treuen Regierung von Ex-Präsident Francois Bosize 2013 ein enger Verbündeter auf dem afrikanischen Kontinent.

Die Russen übernehmen jetzt

Dann holte der jetzige Präsident Faustin Touadera 2018 die russischen Wagner-Söldner ins Land. Offiziell sollen sie die nationale Armee "ausbilden und beraten". Inoffiziell bekämpfen sie aktiv die Rebellen und begehen grausame Menschenrechtsverbrechen an der Bevölkerung. Die Russen stellen auch die persönlichen Leibwächter des Präsidenten. Dieser ist im engen Kontakt mit Russlands Staatschef Wladimir Putin. Erst vor zwei Wochen versprach der seinem Amtskollegen in einem Telefonat, dem bitterarmen und von Krieg zerstörten Land in Anbetracht der weltweiten Wirtschafts- und Lebensmittelkrise zu helfen.

Die Allianz mit Russland hat dazu geführt, dass die Franzosen abziehen - nach über hundert Jahren militärischer Präsenz im Herzen des Kontinents. Im Oktober schlossen sie ihre Luftwaffenbasis am Flughafen der Hauptstadt Bangui, von wo aus sie bislang den Luftraum kontrollierten. Die letzten 130 französischen Soldaten werden Ende des Jahres das Land verlassen. Eine Ära französischer Hoheit über die Region geht damit zu Ende.

Die Russen übernehmen jetzt. Russland versuchte jüngst im UN-Sicherheitsrat in New York, wo unter Vorsitz Frankreichs über die Verlängerung des Mandats der UN-Blauhelmtruppen in der Zentralafrikanischen Republik debattiert wurde, auch Flüge der UN-Maschinen nachts zu verbieten. Sie wollen den Luftraum selbst kontrollieren.

Stellvertreterkrieg zwischen Frankreich und Russland könnte drohen

Der französische Luftwaffenstützpunkt wurde ins Nachbarland Tschad verlegt, jetzt Frankreichs wichtigster Militärpartner in der Region. Die Grenze zum Tschad verläuft rund 200 Kilometer nördlich von Bossangoa. Angeblich war das Flugobjekt - wahrscheinlich eine Kampfdrohne oder ein Kampfhubschrauber - dorthin zurückgeflogen. Die Kleinstadt Bossangoa war noch bis vor kurzem unter Kontrolle von Rebellen, die gegen die Regierung Touaderas kämpfen. 2020 verhinderten Wagner-Söldner, dass die Rebellen die Hauptstadt einnehmen und den Präsidenten stürzen.

Regierungsnahe Medien vermuten nun die Rebellen der CPC, der "Koalition der Patrioten für Wandel", hinter dem Angriff. Die Koalition aller regierungsfeindlichen Milizen war 2020 in Bossangoa entstanden, unter der Führung von Ex-Präsident Bozize, der damals nicht als Kandidat für die Präsidentschaftswahl zugelassen wurde. Sie hatten kurz vor der Wahl versucht, Bangui zu stürmen, was die Russen verhindern konnten. Bis vor wenigen Tagen lieferten sich CPC-Kämpfer mit den Wagner-Söldnern eine heftige Schlacht um Bossangoa. Die Russen setzten Kampfhubschrauber ein, um die Kämpfer zu vertreiben.

Diese zogen sich daraufhin in den Tschad zurück. Zentralafrikas Regierung beschuldigt nun Tschads Regierung und damit indirekt auch die Franzosen, die CPC zu unterstützen. Der Luftangriff scheint in deren Augen die Vermutung zu bestätigen. Analysten fürchten, dass sich in der Region ein Stellvertreterkrieg zwischen Frankreich und Russland anbahnen könnte.

Quelle: ntv.de


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