Für seine Aktionäre ist der Bayer-Konzern eine große Enttäuschung, seit vielen Jahren. 144 Euro waren die Aktien des Chemie- und Pharmariesen im Jahr 2015 einmal wert, Anfang 2022 waren es rund 50 Euro. Einige Investoren sehen in diesen erschreckenden Zahlen allerdings nicht nur ein Problem, sondern auch eine Chance auf einen hohen Wertzuwachs, wenn die Konzernführung das deutsche Traditionsunternehmen neu aufstellt oder gar komplett aufspaltet.
In dieser Woche sind gleich zwei Investoren bei Bayer eingestiegen, die als Aktivisten bekannt sind. Das heißt, sie kaufen Anteile von Unternehmen mit dem Ziel, Veränderungen herbeizuführen, von denen sie sich hohe Wertsteigerungen für die Aktionäre erhoffen. Oft geht es dabei um den Verkauf oder die Abspaltung von Konzernteilen, so auch bei Bayer.
Am Montag war bekannt geworden, dass der US-Investor Inclusive Capital Partners, hinter dem laut "Financial Times" der aktivistische Investor Jeff Ubben steht, einer Stimmrechtsmitteilung zufolge eine Beteiligung von 0,83 Prozent an Bayer im Wert von mehr als 400 Millionen Euro hält. Laut "FT" hat Ubben bereits von mindestens einem von Bayers Großaktionären Unterstützung für Änderungen bei dem DAX-Konzern erhalten.
Bloomberg ist zufolge nun ein weiterer aktivistischer Investor eingestiegen: Bluebell Capital Partners habe eine Beteiligung an Bayer aufgebaut und dränge auf eine Zerschlagung des Unternehmens in einen Pharma- und einen Agrarchemie-Konzern, berichtet die Finanznachrichtenagentur. Bluebell zufolge könnte die Aufspaltungen zu einem Wertzuwachs von mehr als 70 Prozent für die Aktionäre führen. Bluebell dränge Bayer auch, einen Verkauf oder eine Börsennotierung seiner Consumer-Health-Sparte - das ist das Geschäft mit rezeptfreien Medikamenten wie Aspirin - zu prüfen, und fordere einen neuen, unabhängigen Aufsichtsratsvorsitzenden.
Vorbild Siemens?
Bluebell ist, wie es bei Bloomberg heißt, ein "kleiner aktivistischer Investor", habe sich aber in Europa einen Namen gemacht, indem er in hochkarätige Unternehmen wie Danone investiert hat, bei dem er erfolgreich die Absetzung von CEO Emmanuel Faber durchsetzte. Bluebell kooperiere manchmal mit größeren Fonds, um auf Veränderungen zu drängen.
Bluebell lehnte Bloomberg gegenüber eine Stellungnahme ab. Ein Bayer-Unternehmenssprecher wollte gegenüber Dow Jones Newswires den Bericht nicht kommentieren. Generell sei das Unternehmen immer zu einem konstruktiven Dialog mit seinen Aktionären bereit, sagte der Sprecher.
Bayer-Chef Werner Baumann wird bereits seit langem von Aktionären kritisiert. Er war es, der gegen den Widerstand vieler Anteilseigner die 63 Milliarden US-Dollar schwere Übernahme des Agrar-Chemie-Riesen Monsanto durchsetzte. Der Deal war wegen des extrem hohen Preises von Beginn an umstritten. Dann wurde der neu zusammengeführte Konzern auch noch von einer Prozesswelle in den USA überrollt wegen mutmaßlich durch den Wirkstoff Glyphosat in Monsanto-Unkrautvernichtern ausgelösten Krebserkrankungen. Längst ist der Gesamtkonzern an der Börse weniger wert, als der Preis, den Bayer damals für Monsanto zahlte.
Mit der Aufspaltung in Einzelteile, die sich freier entwickeln könnten und für Investoren attraktiver wären als das Gesamtkonglomerat, wollen die aktivistischen Aktionäre den Börsenwert wieder steigern. Das müsste nicht unbedingt das Ende des deutschen Traditionskonzerns bedeuten. Wie der Inclusive-Capital-Chef Jeff Ubben der "Financial Times" sagte, sei auch vorstellbar, dass Bayer Konzerntöchter an die Börse bringe, wie es etwa Siemens in den vergangenen Jahrzehnten mit zahlreichen Unternehmenssparten gemacht habe. Ob die neuen Aktionäre mit ihren eher kleinen Anteilen am Leverkusener Konzern ihre Vorstellungen durchsetzen können, ist unklar. In einer Hinsicht sind sie jedoch jetzt schon erfolgreich: Seit dem Bekanntwerden des Einstiegs der Aktivisten stieg der Aktienkurs von Bayer schon um mehr als 10 Prozent.
Quelle: ntv.de, mbo/rts/DJ
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